laut.de-Kritik
Erhobenen Hauptes zum Schafott.
Review von Dominik LippeBekanntermaßen handelt es sich bei Optimismus nur um einen Mangel an Informationen. Urgestein Spax trat schon immer eine Spur sachkundiger auf, als der handelsübliche Szene-Vertreter. Trotz einer 25 Jahre währenden Laufbahn kam er auf der Tribüne der öffentlichen Aufmerksamkeit nie über einen Stehplatz hinaus. Auch mit dem defätistischen "Diamanten & Pechstein" lädt er nicht gerade die Massen ein, sondern predigt in erster Linie zu den Gleichgesinnten. Nach wie vor steht der Rapper unter einem enormen Mitteilungsdruck: "Alles muss raus wie ein Alien aus der Magengrube."
"Ewig im Streitgespräch mit meinem Ego", schildert Spax in "Eremit" seinen inneren Kampf. Um diesen zu bewältigen, wählt er den Weg in die Abgeschiedenheit: "Ich bin allein, du bist allein, wir sind auf Zeit zu zweit. Tief in unserem Herzen wissen wir bereits, die tiefste Wahrheit ist die Einsamkeit." Wenn sich der Einsiedler jedoch etwa beim "Hände Waschen" selbst begegnet, treten alle Schwächen umso brutaler zu Tage: "Der Mann im Spiegel starrt mich an. Der Mann im Spiegel spielt den harten Mann. Doch die Fassade ist aus Pappmaché – ein Regenguss und sie zerfällt."
Noch trister als die Konflikte mit den eigenen Dämonen fallen die gesellschaftlichen Zustandsbeschreibungen aus: "Die Realität ist hungrig, frisst die Menschheit roh." Spax arbeitet sich an einer derart großen Anzahl von Themen ab, dass er die Songs dabei mitunter überlädt. So schneidet er zum Beispiel allein in "Bordsteinbiss" die Profanität sozialer Netzwerke, zunehmende Gewaltbereitschaft, Isolation und rechte Tendenzen in der Gesellschaft, Elitenverachtung und die Kluft zwischen Arm und Reich an. Die verknappte Abhandlung fällt zwangsläufig unterkomplex aus.
Symptomatisch verortet Spax die funkelnden Diamanten des Lebens in der Vergangenheit. In "Rwnd" tritt der die Flucht vor der Gegenwart an: "Ich dreh' die Zeit zurück zu analog, Handarbeit, Wärme, Mamas Schoß." Im Subtext schwingt dabei natürlich auch die Sehnsucht nach den Anfängen des hiesigen Hip Hop mit. Brisk Fingaz liefert den dazu passenden traditionsbewussten Sound. Bereits in "Fragmente" lässt der Hannoveraner Oldschool-Vibes aus den Boxen wabern. Es folgen Boom-Bap-Beats mit blechernen Drums ("Rwnd") und bedeutungsschweren Streichern ("Hände Waschen").
Immer wieder bedient sich der zweite Hauptakteur des Albums an Voice-Samples. Prodigy grüßt etwa zur "Pre-Apocalypse". Dazu nutzt Brisk Fingaz jede Menge ausgefallene Samples. Für "Parabellum" greift er auf "Move Na Mladostta" der Bulgarin Lili Ivanova zurück, was dem Stück eine theatralische Note verleiht. "Together Forever" des Blues-Musikers Syl Johnson hält das entspannte "Dysbalance" im Gleichgewicht. Selbst die Instrumentals zu "Chill" oder "Fame", die sich praktisch nur noch dahinzuschleppen scheinen, wirken optimal zugeschnitten auf Spax' Lazarettpoesie.
Diese findet ihren Höhepunkt in der "Pre-Apocalypse". Resignierend schreitet Spax dem Untergang entgegen. Offen lässt er dabei die genauen Umstände, die die letzte Runde einläuten. Zwar spielt er vereinzelt auf den Aufschwung des Rechtspopulismus an ("Die Menschen wollen wieder einen Führer."), doch im Vordergrund scheint vielmehr eine göttliche Strafe zu stehen. So fallen die zahlreichen religiösen Bezüge auf, die sich im Deutschrap sonst eher rar machen: "Der Apfel der Sünde fault am Boden. Die Schlange trägt ihre Krone."
"Die Hoffnung nicht verlieren ist die größte Kunst, Pessimismus tötet uns", wirkt angesichts des depressiven Grundtons von "Diamanten & Pechstein" lediglich wie ein letztes Aufbäumen. Frei von Galgenhumor hält der in Schwarzmalerei versunkene Rapper nur noch "Asche in den Händen". Da Justitias Urteil längst feststeht, bleibt für Spax nur noch eines zu erledigen: "Im Angesicht des Untergangs noch Größe zeigen." Denn wenn der Weg zum Schafott unausweichlich erscheint, dann will er ihn zumindest erhobenen Hauptes beschreiten.
2 Kommentare mit 4 Antworten
Als Künstler müsste da eigentlich "Brisk Fingaz & Spax" stehen. Richtig, richtig nice Beats. Spax rappt auch ganz gut drüber - wäre als reines Instrumental Album aber sicherlich auch gut geworden. Nicht falsch verstehen, rappen kann er, aber ist halt weder überragend, noch irgendwas neues.
Aber das Donato Feature hättet ihr wirklich mal erwähnen können. Endlich wieder ein musikalisches Lebenszeichen von dem guten Mann.
Beats 5/5
Raps 3/5
"Dein Style ist wie Spax: Arrogant, doch leider schwul."
Du hast da in deinem Zitat ein Wort vergessen.
Obacht! Oliver Marquardt ist schon in Lauerstellung!
It's a tarp!
Ja, das stimmt wohl. Habe mich aber halt dem linken Meinungsdiktat gebeugt und mich entscheiden die Regel einzuhalten, nach der in einem Post nur maximal eine Minderheit diskriminiert werden darf.