laut.de-Kritik
Mit dicker Basslinie gegen die Machos.
Review von Philipp KauseDie Riffs in "Strings" beweisen, dass Suzi Quatro nicht vergessen hat, woher sie kommt. In Detroit gestaltete man solche Arrangements einst in den 60er und frühen 70er Jahren. In dem Song sind gleichwohl keine Streicher am Werk, sondern Posaune, Trompete, Saxophon und Hörner, sie geben das Rock-Riff vor. Der E-Bass läuft dem hinterher und spielt das Echo des Patterns. An diesem Instrument fühlt sich Quatro auch auf ihrem zwölften Studioalbum "No Control" hörbar wohl.
Auf dem aktuellen Porträtfoto sieht man sie mit einem 'Fender Jazz Bass'. Wie der Name schon sagt, sind dessen vier Saiten für diesen Stil optimiert. Den jazzigen Einschlag lässt sie dann besonders auf dem Schlusstrack "Going Down Blues" krachen. Jazz, das heißt für sie: Epische Gitarrensoli auf Blues-Grundlage, durch schräge Bläserakzente kakophonisch verziert. In solchen Passagen zeigt sich auch ihre Leidenschaft fürs Improvisieren. "Going Down Blues" könnte man so ohne weiteres für einen Live-Mitschnitt halten.
Als Sängerin hält sich Suzi auf der Platte dagegen für Bluesrock-Verhältnisse relativ zurück. Wo sich Beth Hart oder die junge Layla Zoe die Seele aus dem Leib schreien, geht Quatro das meiste mit stimmlichem Understatement an. Die Ehrendoktorin der Musik entfacht auch heute noch Glamrock-Vibes entfachen, den Sound ihrer Anfangsjahre: "'Cause I'm free / I'm a rolling stone / Going home / Where I belong", kläfft sie heiser in "Going Home".
Aber Suzi Quatro geht es auch locker an, in einem Song vielleicht sogar zu lässig. Die Songzeilen in "Love Isn't Fair" wirken nicht leidvoll, sondern geschmeidig und blumig. "Love isn't fair, someone's taken what someone gives". Ja, und? "Once you share, love's a battle you never win." Musikalisch wimmert die Nummer im quietschigen Schunkelmodus. In norddeutschen Backfisch-Zeltbuden voller Schlagermucke dürfte "Love Isn't Fair" funktionieren, eventuell in München beim Oktoberfest.
Alle anderen zehn Tracks geben sich rauer. Sie machen dabei einen runden, sympathischen, frischen und dramaturgisch stimmigen Eindruck. "Easy Pickin's" startet zum Beispiel als akustischer Easy Listening-Blues und steigert sich in der Hook Line zu einer ekstatischen Hymne.
Das, was Quatro am intensivsten vermittelt, ist das Mississippi-Feeling, wenn sie die Abenteurerin auf Blues-Pfaden gibt und als Feministin auffällt. Im bluesigen Intro zu "Don't Do Me Wrong" lacht sie wissend auf: "Es ist Zeit für einen Showdown, es ist Zeit reinen Tisch zu machen / Ich geb dir jetzt den Teil von mir, den du noch nie gesehen hast / Ich will von niemandem abhängen, ich muss auch niemanden mögen / Alles, was ich will, ist selbst für mich einzustehen / Behandle mich also nicht falsch".
Oder in "Macho Man", in dessen Intro ZZ Top-Sound aufbrandet: "Du bekommst es nicht / Du hörst es nicht / Du spürst es nicht, da unten, wo sich die Gefühle abspielen / Du kannst es nicht nachvollziehen / Es kümmert dich nicht / Du wirst es auch nicht tragen / Da unten, wo die Gefühle ablaufen / Oh, du Macho-Typ, du wirst das Spiel nicht mitspielen / Du musst erkennen, dass du selbst daran Schuld bist / Also schlag deinen Ego-Trip ein, aber: Schleich dich!".
Wer den Song "Happy Together" von The Turtles liebt, der bei den Simpsons, der Muppet Show, "Big Bang Theory" etc. im Soundtrack lief, wird auch "I Can Teach You" mutmaßlich mögen: fast das gleiche Rhythmusmuster, sehr ähnlicher Basslauf. Quatro verspricht in dem Song, ihrem Partner die Tränen aus dem Gesicht zu wischen, sollte er mal traurig sein, ihn zu motivieren, um über sich selbst hinauszuwachsen. Er wird fliegen. Aber nur, wenn sie es ihm beigebracht hat. Und dann lacht Suzi wieder zweideutig. "Heavy Duty" kommt als straighter Rock'n'Roll.
Es gibt so viele Platten in diesem Genre, die des geneigten Hörers Zeit vergeuden - Suzi Quatro unterhält dagegen kurzweilig. Besonders markant bleibt nach dem Hören der Titel "Bass Line" hängen. Die etwas schwermütige Grundstimmung, die stoisch twangenden Gitarren und der untypische Rhythmus lassen das Lied etwas geheimnisvoll beginnen. Die leichtfüßigen Melodiebewegungen auf Klavier und Keyboards bauen die Spannung ab, der dröhnende Bass baut sie wieder auf usw. Zeitweise fühlt man sich mitgenommen in die Welt von Steely Dan. Der Song ist wunderschön, und so folgt man dem Ruf von Frau Dr. Quatro gerne: "Follow that bassline / Walking down the bassline, will lead you astray / Walking down the bassline, will show you the way".
4 Kommentare
Eloquent und originell- was will man mehr?
leider, leider... das war wohl nichts!
ne, nicht mein Ding die CD.
Ich war Live dabei als sie in den 70er Jahre in der Bochumer Ruhrlandhalle ihr Can The Can und Devil Gate Drive hin schmetterte Es war Glam Rock vom allerfeinsten. Die aktuelle CD gefällt mir schon wegen der Bläser nicht! Sicherlich ein netter Versuch musikalisch nochmal durchzustarten aber ich finde das die CD einfach musikalisch zu kompliziert aufgenommen wurde. In fast jedem Lied wird was neues ausprobiert. Macho Man finde ich dagegen gelungen. Gefällt mir sehr gut das Lied. der Rest für mich persönlich entäuschend.
2 Sterne
Ja, love isn't fair ist schlimm, richtig schlimm - dafür ist der Rest ausgesprochen ordentliche, abwechslungsreiche Rockmusik. Um die prima Rezi aufn kurzen Nenner zu bringen: Nix Neues, aber kurzweilig. 3,5/5