laut.de-Kritik

So optimistisch klang eine Swans-Platte noch nie.

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2019 erschien mit "Leaving Meaning" das letzte Album der Swans. Jedoch fand Michael Gira, der mit keinem festen Line-Up arbeitet, sondern sich seine Mitstreiter für jedes neue Werk neu zusammenstellt, mit seinem Projekt während der Corona-Zeit kaum die Möglichkeit, die Platte live zu spielen. So beschloss er laut eigener Aussage, nach einer "bodenlosen Grube des Wartens, Wartens, Wartens und einer seltsamen Orientierungslosigkeit, die mit dieser abrupten, aber nicht enden wollenden Situation einherging", dass es "Zeit war, Songs für ein neues Swans-Werk zu schreiben" und "alles andere" hinter sich zu lassen, "immer in dem Bewusstsein, dass es" seine "letzten sein könnten".

Danach ging es nach Berlin, um mit langjährigen Freunden wie Kristof Hahn oder Larry Mullins sowie Gast-Musikern wie Ben Frost die Tracks aufzunehmen. Das Ergebnis liegt nun in Form von "The Beggar" vor.

"The Parasite" erzeugt zunächst mit gespenstischen akustischen Klängen und den krächzenden Vocals des 69-jährigen US-Amerikaners eine düstere Stimmung. Ab der Mitte hat man dann den Eindruck, dass der Track auf einen großen, eruptiven Höhepunkt zusteuern könnte. Der bleibt jedoch aus. Ebenso wie in "Paradise Is Mine", das genau den neunminütigen repetitiven Brocken darstellt, den man als Swans-Single erwartet. Im Gegensatz zu früher geht das Projekt aber mit zurückgenommenen Rhythmen und atmosphärischen Anleihen an Twin Peaks deutlich gelassener zu Werke. Trotzdem macht sich Gira die eigene Vergänglichkeit bewusst, wenn er am Ende fragt: "Am I ready to die? Is there really a mind?"

Diese neue musikalische Gelassenheit macht sich auch in der zweiten Single "Los Angeles: City Of Death" bemerkbar, die für Swans-Verhältnisse schon beinahe poppig vor sich hinschunkelt, obwohl der Abgrund stets an jeder Ecke lauert. Dass noch nie ein Album des Projektes so optimistisch klang wie dieses, verdeutlicht schließlich "Michael Is Done". Zwar sinniert Gira in dem Song über die eigene Nachfolge nach seinem Tod. Allerdings kommt mit luftigen Saitenklängen und Backgroundchören eine geradezu erhabene und festliche Stimmung zum Tragen. "Unforming" bildet dagegen eine weitläufige Nummer, die mit viel Steel-Gitarre und viel Piano countrieskes Flair versprüht. Zum Schluss singt der Swans-Chef mantraartig "freedom from fear", was schon etwas ziemlich Befreiendes hat.

Das Titelstück könnte wiederum abgründiger kaum sein, wenn die filigranen Saiten-Sounds und Drones sowie Giras Gesang für eine flirrende Atmosphäre sorgen, ohne dass es an ausgleichenden, postpunkigen Gewaltausbrüchen mangelt. "No More Of This" stellt anschließend wieder einmal eine recht countrieske Nummer dar, in der am Ende, unterstützt von weiblichen Backgroundchören, die Kirchenglocken ausgelassen vor sich hinläuten. Psychedelischere Töne stehen in "Ebbing" auf dem Programm, das seine ganze repetitive Schönheit erst in der zweiten Hälfte entfaltet. Im Anschluss gibt es mit "Why Can't I Have What I Want Any Time That I Want?" einen nachdenklichen und fragilen Track, der an Giras Folk-Projekt Angels Of Light denken lässt.

Es folgt mit "The Beggar Lover (Three)" eine rund 44-minütige Klangcollage, die immer wieder ihre Form verändert und stilistisch alles abdeckt, was die Platte zu bieten hat. Da kommen experimentelle Klänge und wuchtige Gitarreneruptionen ebenso wenig zu kurz wie Momente betörender Schönheit. "The Memorious" bringt mit treibenden, repetitiven Rhythmen und düsteren, tiefen Vocals das Album hypnotisch zum Abschluss.

Letzten Endes klingt die Musik, als sei Gira, gerade durch die Gewissheit, dass es schnell vorbei sein kann, mittlerweile mehr im Reinen mit sich selbst und der Welt um sich herum. "The Beggar" erweist sich nämlich glücklicherweise nicht als ein neues "Blackstar" oder "You Want It Darker". Dafür lässt die Platte trotz aller dunklen Momente den Hörer zu sehr im Glauben, ein Licht am Ende des Tunnels erkennen zu können. Dementsprechend hat man große Hoffnung, dass es sich bei dieser Scheibe noch nicht um den endgültigen Schwanengesang des Projektes handelt.

Trackliste

  1. 1. The Parasite
  2. 2. Paradise Is Mine
  3. 3. Los Angeles: City Of Death
  4. 4. Michael Is Done
  5. 5. Unforming
  6. 6. The Beggar
  7. 7. No More Of This
  8. 8. Ebbing
  9. 9. Why Can't I Have What I Want Any Time That I Want?
  10. 10. The Beggar Lover (Three)
  11. 11. The Memorious

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