laut.de-Kritik

Metal, dem man seine deutsche Herkunft kaum glauben möchte.

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Der Titel des neuen Albums "Come Alive Dying" zeigt nicht nur, dass Tenside stimmungsmäßig nicht so gut drauf sind, sondern auch, dass sie Englisch nicht in die Wiege gelegt bekommen haben, da kann Sänger Kuhlemann noch so oft in LA weilen. Es gibt Sätze, die müssen förmlich mit deutschem Akzent ausgesprochen werden. "Aber man weiß doch, was sie meinen!"

Nicht wirklich, aber ob nun Totgeburt, Nahtoderfahrung oder der gute alte kleine Tod gemeint sind, allzu viel erfolgreichen Metal aus Deutschland gibt es nicht, weshalb wir uns frisch anionisch gewaschen freuen, dass der Titeltrack schnell auf die alten Stärken der Band verweist, die ihr bis "Glamour & Gloom" einen beeindruckend stetigen kommerziellen Fortschritt ermöglichten: Sänger Kuhlemann kann was. Leider ist er in den Strophen des Titeltracks arg in Watte gepackt überproduziert, man mag ihn sich fast schon mit Engelsflügeln und schicker Windel vorstellen. In den Bridges und im Refrain reißt er aber ab, dass sich die Balken biegen. Alles in seinen einzelnen Teilen erwartbar und konservativ und insofern mit "Modern Metal" falsch bezeichnet, ist es beeindruckend, wie sehr die Münchener alle einzelnen Teile ihres Sounds handwerklich im Griff haben. Allerdings existieren die ruhigen Passagen zu offensichtlich nur aus einem Grund: Spannung zu halten für den nächsten Aufbruch, ein Selbstzweck fehlt ihnen.

Damit haben sie die eigene Formel noch einmal verfeinert, ohne auch nur ein Reförmchen zu wagen. Zwar sollen laut Band elektronische Elemente eine wichtigere Rolle spielen auf "Come Alive Dying", diese sind aber wie bei "Pitch & Gold" höchstens Dekoration, nur der Closer "Vengeance" bildet im Ansatz einen Spannungsbogens aus Elektronik und Saiten. Gute Songs wie "Shadow To Shine" leben von der Dynamik des mächtigen Sängers und der gelungenen Abstimmung des Sounds auf eben seine Person. Das gilt insbesondere für Klingenbergs Gitarre, der dem Bassisten Hölscher und Schlagzeuger Jörg meist nur die Aufgabe des Bodenbereitens für seine Gitarre zuweist - was aber zumeist gut funktioniert.

Das Problem mit so einer homogenen, abwechslungsarmen Formel ist natürlich, die Spannung über Albumdistanz aufrecht und im abgesteckten Rahmen das Niveau der Songs hoch zu halten, somit Kuhlemann genug Gelegenheiten zu geben, seine Stärken auszuspielen. Das gelingt bemerkenswert oft, auf der Habenseite stehen "Darkness To Blight", das treibende "Aim For Paradise" mit einer hervorragenden Bridge und das angenehm schwerfällig stampfende "Deadweight".

Leider gelingt auf "Impending Doom" keine sinnvolle Einbeziehung von John Henry, zumal der Song zu lang ausfällt. "Pretty Lonesome" macht einsam, weil die verwaschen produzierten und wirklich pflichtschuldigen Klargesangspassagen viel zu lang ausfallen und auch dieser Song völlig unnötig eine Runde zu lange seine Schwächen ausfährt, statt stark zu enden. Der lahmarschige Refrain von "Silence Is Betrayal" passt überhaupt nicht zur Strophe, in der man Kuhlemann mit Jamey Jasta verwechseln könnte, so rabiat sprintet er wie ein Elefantenbulle durch den Metallladen.

Mit "Transcend" gibt es dann endlich ein Beispiel, bei dem die Band die Handbremse in Ruhe lässt. Im Handumdrehen gelingt ein Groove, dem man seine deutsche Herkunft gar nicht glauben möchte - exzellent! Textlich füllt sich ständig irgendwas mit Emptiness, irgendjemand spielt ein Wicked Game, man fühlt förmlich die Nippel gefrieren, so sehr erinnern die Bajuwaren an die Finnen von H.I.M. mit ihren Fünf-Wort-Sätzen. Auf "Come Alive Dying" sind sie hoffentlich trotzdem stolz, denn in Sachen englischsprachiger Metal aus Deutschland, in seinen Bestandteilen zwar konservativ, aber in der Zusammensetzung nicht rückwärtsgewandt, macht ihnen so schnell keiner was vor. Wenn sie in Zukunft teutonischen Metal-Kitsch wie "Dust Of The Bereaved" sein lassen, wären nach oben kaum Grenzen gesetzt.

Trackliste

  1. 1. Come Alive Dying
  2. 2. Shadow To Shine
  3. 3. Pitch & Gold
  4. 4. Darkness To Blight
  5. 5. Impending Doom
  6. 6. Aim For Paradise
  7. 7. Deadweight
  8. 8. Pretty Lonesome
  9. 9. Silence Is Betrayal
  10. 10. Transcend
  11. 11. Dust Of The Bereaved
  12. 12. Vengeance

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