laut.de-Biographie
Terrorgruppe
Im Februar 1993 treffen sich drei Kreuzberger Punks in einem Berliner Pfandleihhaus. Zufällig, so sagt die Legende. Eigentlich wollen sie ihre Instrumente verpfänden, spontan entschließen sie sich jedoch anders und gründen eine Band. Die Namen: Archi "MC" Motherfucker (Vocals, Gitarre), Johnny Bottrop (Gitarre) und Hermann v. Hinten (Schlagzeug). Nach kurzer Suche findet sich mit Ice Tüte auch ein Bassist. Et voilà: Die Terrorgruppe steht.
April 1993 beginnen die Proben, und alsbald veröffentlicht die Band ihre ersten selbstproduzierten EPs. Im Herbst '94 wechselt der Bassist. Der neue hört - nach einem kurzen Intermezzo von Fritz Spritze - auf den Namen Zip Schlitzer. Im Winter desselben Jahres unterschreibt die Terrorgruppe einen Plattenvertrag beim Berliner Label Gringo Records.
Anfangs noch eine reine Punkrock-Bband, entwickelt die Terrorgruppe ihren Stil von Platte zu Platte weiter. Ska, Reggae und Pop kommen hinzu, "Aggropop nennt die Band die wüste Mixtur. Textlich immer respektlos ("Keine Airbags für die CSU") und bewusst naiv, bewegt sich die Terrorgruppe öfter hart an der Grenze zur Zensur.
Am Ende des Jahrtausends wechselt die Band dann nicht nur den Schlagzeuger - für Hermann v. Hinten kommt Steve Maschine West - sondern auch das Label. Jetzt hausen sie bei Epitaph, einem ordentlichen Punklabel. Auch der Bass wandert noch einmal in andere Hände. Seit 2001 zupft Slash Vicious statt Zip aus dem bürgerlichen Reinickendorf die vier Saiten.
Nach dem 11. September 2001 zählen die Berliner zu den wenigen, die sich trauen, der Tragödie eine humoristische Seite abzutrotzen: Sie wollen "Bin Laden verklagen, weil er unseren schönen und geschmackvollen Bandnamen so diskreditiert hat". Live sind die Jungs eine Bank: Bis die restlichen Bandmitglieder in The Bottrops aufgehen, haben sie um die 500 Konzerte gespielt. Diverse Fanzines küren sie zur besten Liveband Deutschlands. Neben ihrer Heimat beehrt die Terrorgruppe auch Spanien, Frankreich, Italien, Holland, Tschechien, Polen, Ungarn und die USA.
Anfang 2002 kann die Terrorgruppe dem Lockruf der Fans (und natürlich auch dem des Geldes) nicht länger widerstehen und bringt endlich ein Livealbum unter die Massen. Die Punker fragen die Besucher ihrer Webseite nach einem geeigneten Titel für eine Live-CD. Grandiose Vorschläge stehen zur Abstimmung, darunter "Regentropfen Die An Dein Fenster Klopfen", "UGA BUGA - Lustige Sexpraktiken Wilder Negerstämme!" oder "Fuck The Fucking Fuck Fuckers!". Die Terrorgruppe tauft den Tonträger jedoch auf den langweiligen Namen "Blechdose".
Kaum hat man drei Mal "Oi! gerufen, da sind auch schon zehn Jahre vorbei, und die Terrorgruppe bläst die Kerzen auf dem Geburtstagskuchen aus. Die Kreuzberger beschenken ihre Fans mit einem Deluxe-Doppel-CD-Sampler, der auf den Namen "Aggropop Now!" hört und die internationale Punkelite (darunter NOFX, Mighty Mighty Bosstones oder die Beatsteaks) vereint. Dem folgt im Herbst 2003 "Fundamental", das erste Studioalbum, das die Drei-Akkord-Artisten auf ihrem eigenen Kleinstlabel Aggropop heraus bringen.
Liegt "Fundamental" noch eine Bonus-DVD bei, lassen sich TG für ihre zweite, im Oktober 2004 erscheinende Best-Of-B-Seiten-Sammlung "Schöne Scheisse" etwas ganz Besonderes einfallen: Der langjährige Ox-Schreiber Tuberkel fertigt einen über hundert Seiten starken Schundroman an, der der ersten Auflage beiliegt. Bei dem englischsprachigen Album, das 2006 unter dem Banner The Bottrops erscheinen soll, ist Gründungsmitglied Archi allerdings nicht mehr beteiligt. Ende 2005 begründet er seinen Abschied wie folgt:
"Liebe Aggropopper, verzogene Teenager, nostalgische Uraltpunx, Schreiberlinge und wer sonst noch so in den letzten 12 Jahren Geschmack an der TERRORGRUPPE gefunden hat. Nach 12 Jahren Jugendzeitverlängerung, extrem Spass habing und die Gesundheit bis an die äussersten Grenzen des Ertragbaren strabaziering ist es für mich Zeit, meinen imaginären Hut zu nehmen. Ich habe bei der Terrorgruppe wirklich alles gesagt, getan und ausgezogen und mich treibt es nun zu anderen Ufern, drum häng ich den MC Mothafucka einfach an den Nagel. Allerdings geb ich natürlich nicht auf, sondern mach weiterhin Musik, kann ja nix anderes und hinter einem Bürotisch werd ich gewiss nicht vergammeln."
Im Laufe des Jahres 2006 gibt es dann immer wieder mal News von den Bottrops, allerdings ohne, dass sie hörbare Ergebnisse produzierten. Dafür erscheint im Spätsommer mit "Rust In Pieces" eine Sammlung englischsprachiger Songs und englischer Versionen von Terrorgruppenstücken. Im Oktober erklärt Stevie Maschine dann per Rundmail: "Nach langen Überlegungen bin ich zu dem Entschluss gekommen bei den The Bottrops aufzuhören, auch an mir sägt der Zahn der Zeit. [...] Der ewige Starrummel ging mir in letzter Zeit zunehmend auf die Nerven und ich bin auf der Suche nach etwas Anderem, was das sein wird, steht in den Sternen." Nachfolger an den Drums wird Herr Crise, natürlich auch ein Kreuzberger.
Im Mai 2007 steht dann endlich das selbstbetitelte Bottrops-Debüt in den Läden. Johnny Bottrop betreibt nebenher das Destiny-Label, Archie hat ein Tonstudio in Berlin. Im November des Jahres bringt Johnny auf Destiny die beiden ersten Alben, "Musik Für Arschlöcher" und "Melodien Für Milliarden", noch einmal heraus, digital überarbeitet, mit Bonustracks und einem erweiterten Booklet. Wohl bekomms!
Stoff genug für einen Dokumentarfilm liefert die Terrorgruppe allemal. Ein ebensolcher erscheint Anfang 2013 - die Band feiert im selben Jahr auch Reunion - unter dem schönen Titel "Sündige Säuglinge hinter Klostermauern zur Lust verdammt!". Ihre Zielgruppe haben die Deutschpunks genau im Visier, wie der Untertitel verrät: "Musik für Arschlöcher".
Alle "Arschlöcher" strecken dann zwei Jahre später die Daumen in die Luft als es plötzlich heißt: Die Terrorgruppe ist wieder im Studio. Im Januar 2015 ist es soweit: In der Besetzung Archie Alert, Johnny Bottrop, Zip Schlitzer, Kid Katze und Eros Razorblade präsentieren die Berliner ihr langersehntes Comeback-Album "Tiergarten". Also doch Punkrock ein Leben lang? Herr Bottrop? Erstmals landet die Terrorgruppe auch in den Charts (Deutschland und Österreich).
"Punkrock ist immer noch in meinem Leben präsent, jeden Tag als Motor, Energiequelle, Inspiration, Ideengeber für kritische Weltanschaung, für rastlose Aufmüpfigkeit ... eine gesunde und grundsätzliche Skepsis allen Autoritäten und sogenannten Sachzwängen gegenüber ... und natürlich eine großartige und schillernd vielfältige Musik."
2017 folgt das Liveablum "Superblechdose", bevor 2020 die als letztes Studioalbum angekündigte Scheibe "Jenseits Von Gut Und Böse" erscheint. Die dazugehörige Abschiedstour wird aufgrund von Corona zwei Mal verschoben. Wenige Tage bevor sie Mitte Juli 2022 dann endlich stattfinden soll, die Hiobsbotschaft: Bassist Zip Schlitzer stirbt völlig überraschend im Alter von 59 Jahren.
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