laut.de-Kritik
Drei Akkorde, ein Refrain - mehr braucht es nicht.
Review von Giuliano BenassiZu den wenigen Alben, die das Etikett "historisch" verdienen, gehört sicher auch das vorliegende. Mit "London Calling" erreichten die Clash 1979 den kreativen Höhepunkt ihres Schaffens. Zwar sind die Singles "Should I Stay Or Should I Go" und "Rockin' The Casbah" in späteren Jahren erfolgreicher gewesen, doch die mitreißende Dichte dieser Scheibe erreichten die Nachfolger "Sandinista!" (1980) und "Combat Rock" (1982) nicht mehr.
Los geht's mit dem prägenden Opener, der die punkigen Wurzeln der Londoner Band verrät. Drei Akkorde, ein eingehender Refrain - mehr braucht es nicht. Das Vince Taylor-Cover "Brand New Cadillac" liefert rotzigen Rockabilly, während das swingende "Jimmy Jazz" mit seinem Bläsereinsatz die Solobemühungen Pete Dohertys um 30 Jahre vorweg nimmt.
Ska, Reggae, sogar Hip Hop – alles vertreten. "Rudie Can't Fail" würde ein Altersheim zum Crowdsurfen bringen, "Spanish Bombs" beweist, dass man aus einem sperrigen Thema wie dem Bürgerkrieg eine Hymne basteln kann. Wie vier Jahre später U2 mit "Sunday Bloody Sunday".
Kaum zu glauben, dass unter den 19 Stücken auf der damaligen Doppel-LP kein einziger Lückenfüller zu finden ist. Im Gegenteil – die Hüllen waren schon bedruckt, als die Band beschloss, ein letztes Lied anzuhängen. Der Hidden Track "Train In Vain" knackte als erste Single der Clash die US Top 30. Im Heimatland erreichte sie sogar Platz 3.
Wie gut die Band damals war, zeigt sich auch an dem Umstand, dass Bassist Paul Simonon die Herrschaft von Sänger und Texter Joe Strummer sowie Gitarrist und Musikschreiber Mick Jones mit "The Guns Of Brixton" unterbrach und dabei einen Proto-Hip Hop ablieferte.
Live hört sich das Stück wesentlich punkiger an, wie die beigefügte DVD bezeugt. Neben einer nicht allzu ergiebigen halbstündigen Dokumentation, in der alle direkt Beteiligten zu Wort kommen, enthält sie auch wiederentdeckte Aufnahmen aus dem Studio. Die Qualität lässt sehr zu wünschen übrig, doch zeigt sie die unorthodoxe Arbeitsweise von Produzent Guy Stevens, der eine Leiter durch die Gegend wirft, Stühle zertrümmert und Jones beim Einsingen von Hintergrundgesängen durch Eintrommeln auf eine Trennwand zur Weißglut bringt.
Um die Digitalisierung kümmerte sich eine alte Frau, die sich Wochen nach der Abgabe ernüchtert zurück meldete. "Ich befürchte, dass ich nicht viel ausrichten konnte. Das Band zeigt einen Haufen besoffener, bekiffter und untalentierter Möchtegernmusiker, die in einem Studio Blödsinn treiben. Was sie mit dem schönen Steinway-Klavier machen, ist eine Schande. Keine Ahnung, was Sie mit dem Material anfangen wollen", zitiert sie das ausführliche Booklet.
Eine krasse Fehleinschätzung. "Death Or Glory" ist nicht nur eines der prägenden Stücke des Albums, sondern auch dessen Motto: "London Calling" bestand die Probe und erreichte zeitlosen Ruhm. Auch 30 Jahre nach seiner Veröffentlichung hat es nichts an seinem mitreißenden Klang eingebüßt.
Ein kleiner Tipp zum Schluss: Wer den langen Weg nach London mit dem Auto auf sich nimmt, sollte bei Erreichen des Stadtschildes dieses Album einlegen. Ein unvergesslicher Moment. Dabei lohnt es sich, auf diese Jubiläumsausgabe zurück zu greifen, die zwar kein neues Audiomaterial bereit stellt, mit zwei Papierhüllen und einem Pappschuber dem Vinyl-Original aber gelungen nachgeahmt ist.
40 Kommentare
4 Punkte???? 4 PUNKTE??? Mal im ernst, was ist denn dann 5 Punkte wert wenn nicht das beste Nicht-Punk-Punkalbum aller Zeiten??
Versteh ich auch nicht, das ist so ein Meilenstein der Punk- Rock- und Musikgeschichte im allgemeinen, da muss volle Punktzahl her, ohne wenn und aber
evtl die Ausstattung?
@Knorki (« Warum spricht eigentlich keiner davon wie extrem unhörbar "Combat Rock" ist? »):
"Combat Rock" ist extrem unhörbar!
(bis auf die drei Singles)
flinker hase, meinst du damit dass dieses Album nicht zu den "wirklich guten Sachen" gehört?
test