laut.de-Biographie
U2
Die 80er und 90er Jahre sind aus musikalischer Sicht ohne sie undenkbar, ebenso Live Aid 1985 oder der Begriff Stadionrock. Sie kollaborierten mit B.B. King, Roy Orbison und Johnny Cash, komponierten für Tina Turner und Frank Sinatra, wurden jahrelang mit Awards überhäuft und eine Zeit lang ist Sänger Bono vor allem dafür bekannt, sich in seiner Freizeit mit dem Papst, dem amerikanischen Präsidenten oder dem UNO-Generalsekretär zu treffen: U2.
1976 will ein Dubliner Teenie namens Larry Mullen Jr. eine Rockband gründen. Seine Anzeige am schwarzen High School-Brett fällt einigen ins Auge, namentlich David "The Edge" Evans (Gitarre), Adam Clayton (Bass) und natürlich Paul "Bono Vox" Hewson. Zweiter Gitarrist ist damals übrigens noch Dick Evans, der Bruder von The Edge.
Das Debüt "Boy" erscheint 1980 und interessiert außer ein paar Gitarrenfreaks in Irland niemanden. Besonders gleichgültig geben sich die angelsächsischen Nachbarn: den U2-Auftritt im legendären Londoner Hope & Anchor-Club wollen stolze neun Leute sehen. Erst mit den folgenden Alben "October" und "War" lenkt die Band die Aufmerksamkeit auf sich. Die Themen: Sozialkritik, Politisches, und die Suche nach dem richtigen Glauben.
"Sunday Bloody Sunday", ein Friedens-Song für Nordirland, beschert U2 einen ersten europaweiten Hit und verpasst ihnen endgültig den Ruf als rebellische Kreuzritter für Anstand und Moral. "The Unforgettable Fire", produziert von Ambient-Vater Brian Eno, läutet eine poppigere Phase ein. U2 nutzen ihre Popularität und engagieren sich, wo sie können: Band Aid, Live Aid, Artists Against Apartheid finden nur mit ihnen statt. Natürlich sind sie auch bei der Charity-Nummer "Do They Know It's Christmas?" mit von der Partie.
1987 führt "The Joshua Tree" U2 in den Mainstream. Es gibt Erfolgsmeldungen wie zu Pilzkopf-Zeiten: Platin in 48 Stunden, über zehn Millionen verkaufte Einheiten weltweit innerhalb von nur sechs Monaten! Konzerte finden von nun an in riesigen Arenen statt, serviert wird Stadionrock mit Zeigefinger und mächtig Charisma.
Außerdem schnuppern die weißen Iren in Amerika an schwarzen Blues- und Gospelspuren. Bono soll zu einem Zeitpunkt während der US-Tour sogar nur noch Roy Orbison-Songs gehört haben und bei einem von der Band initiierten Treffen geweint haben.
"Rattle & Hum" ist das Ergebnis hartnäckiger Legendenverehrung von Elvis bis B.B. King und entsteht der ehernen Tradition verpflichtet in den berühmten Sun Studios in Memphis. Da Blues-Legende King noch am Leben ist, kommt es zu einer Zusammenarbeit beim Song "When Love Comes To Town". Außerdem auf der Album-Playlist: "Helter Skelter" (Beatles) und "All Along The Watchtower" (Bob Dylan).
1991 wagt die Supergroup mit "Achtung Baby" einen Rückwärtssalto und bricht mit sämtlichen Sound-Trademarks. In den berühmten Hansa Studios (Bowie, Depeche Mode, Neubauten) der gerade wiedervereinten Hauptstadt arbeiten U2 erneut mit Eno an den Schiebereglern. Den Albumtitel erspähen die Vier angeblich auf einem Berliner Auto-Aufkleber und behalten ihn im Hinterkopf.
Mit "Achtung Baby" und dem Tour-Album "Zooropa" sind U2 vielleicht so nah am Zeitgeist wie nie zuvor. Das Kreuzritter-Gehabe weicht unverhohlener Selbstironie, die anschließende Zoo-TV Tour gerät mit riesigen Monitor-Screens, an der Hallendecke drappierten Trabis und Live-Zapping zum Multimedia-Spektakel. Das Nachfolgealbum "Pop" hat 1997 auf Platte und im Liverahmen spürbar Probleme, den erreichten Qualitätsstandard zu halten. Drei Jahre später kehren U2 mit "All That You Can't Leave Behind" zu alten "Joshua Tree"-Tagen zurück. Die Scheibe katapultiert die Iren nach den Experimenten der jüngeren Vergangenheit wieder ins internationale Rampenlicht.
Ungläubig vernimmt die Welt im Juli 2004, dass Gitarrist The Edge nach einer Fotosession im französischen Nizza unachtsamerweise eine CD mit Demos liegen lässt. Ein echter Supergau für die Medienprofis von U2. Gemeinsam mit Drummer Larry Mullen soll Übeltäter Edge kurz danach eigens auf die Polizeiwache gegangen sein, um den Diebstahl zu melden. Aus Furcht, die Songs könnten vor der Veröffentlichung von "How To Dismantle An Atomic Bomb" als Downloads im Internet auftauchen (was natürlich auch passiert), zieht die Band den Termin vor.
Sänger Bono darf sich 2005 mit außermusikalischen Ehren schmücken: Sein Name erscheint neben 199 weiteren auf der Vorschlagsliste für den Friedensnobelpreis. Außerdem schlägt ihn US-Finanzminister John Snow im März für die Präsidentschaft der Weltbank vor. Snow sieht in dem engagierten Sänger eine "sehr pragmatische, effektive und idealistische Person." Eine Kandidatur des Sängers kommt natürlich nicht zustande. Einen historischen Erfolg feiert Bono dafür im Juni.
Auf dem G8-Gipfel in Edinburgh einigen sich die Finanzminister der sieben führenden Industrieländer und Russlands auf einen Schuldenerlass für die ärmsten Länder Afrikas, die dadurch von 40 Milliarden US-Dollar Schulden befreit werden. Ende 2005 belohnt das Time Magazine Bonos Engagement mit der Auszeichnung "Person Of The Year".
Zwischendurch kommt es zu einer eher überraschenden Kollaboration mit Green Day. Für die Stiftung Music Rising spielt die Band gemeinsam mit den Amerikanern eine neue Version des Punk-Stücks "The Saints Are Coming" der schottischen Combo The Skids aus dem Jahr 1978 neu ein. Der Erlös der Verkäufe soll Musikern in New Orleans helfen, ihre zerstörten Instrumente zu ersetzen. The Edge hatte die Stiftung nach dem verheerenden Hurrikan Katrina im Jahr 2005 ins Leben gerufen.
U2 unterstützen aber auch NGOs wie Amnesty International oder Greenpeace und engagieren sich im Kampf gegen Aids. Den Track "Walk On" widmen sie der zu dem Zeitpunkt noch inhaftierten burmesischen Menschenrechtlerin Aung San Suu Kyi - nicht der einzige Anlass, ihre Popularität und ihre Musik zu nutzen, um Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Thema zu lenken.
Wo Licht ist, ist auch Schatten - 2006 sorgen U2 vor allem in ihrer Heimat für wütende Kommentare: Die Band verlegt Teile ihres Musikgeschäfts aus steuerlichen Gründen von Irland in die Niederlande - dort herrschen niedrige Steuersätze für Erlöse aus Patenten und Lizenzen (Stichwort Songrechte). Steuerflucht lautet der Vorwurf - sogar im Parlament. 95 Prozent ihres Geschäfts würden eh im Ausland abgewickelt. Zudem wäre jedes Bandmitglied persönlich Investor und Arbeitgeber in Irland, halten U2 u.a. dagegen.
2007 befindet sich Bono im Preishagel. Zunächst erhält er bei der Echo-Verleihung im Palais am Funkturm in Berlin von der Deutschen Phono-Akademie den Echo-Sonderpreis für globales Engagement. Kurz darauf wird er Ende März für seine Verdienste um die Musikindustrie und seine Arbeit für humanitäre Organisationen zum Ritter des britischen Königreichs geschlagen. Zum Sir Bono wird es der Ire allerdings nicht schaffen, denn dieser Titel ist ausschließlich britischen Staatsbürgern vorbehalten.
Nach der Veröffentlichung von "No Line On The Horizon" (2009) gehen U2 mal wieder auf Weltreise - die 360° Tour dauert zwei Jahre - über sieben Millionen Fans sollen die Konzerte besucht haben. Kein Wunder bei einem Bühnenaufbau (Spitzname 'The Claw'), der an vertikaler Monumentalität so manches Fußballstadion überragt. Teile der Tour werden verschoben, als sich Bono 2010 ernsthaft am Rücken verletzt und in München operiert wird.
Lange wird danach über den Release eines neuen Studioalbums spekuliert - im Frühjahr 2014 erscheint im Zuge des Super Bowls aber nur die Single "Invisible". Ein Vierteljahr zuvor steuern die Iren "Ordinary Love" zum Soundtrack des Biopics "Mandela: Long Walk To Freedom" bei. Um so größer die Überraschung als U2 quasi aus dem Nichts am 9. September ihr 13. Album "Songs Of Innocence" fünf Wochen lang exklusiv für iTunes-Kunden zur Verfügung stellen - kostenlos. Danach erst erscheint die Scheibe regulär.
Die Aktion stößt nicht überall auf Gegenliebe: iTunes-Nutzer fühlen sich von dem automatischen Download überrumpelt, Musiker-Kollegen beklagen die Entwertung kostenloser Musik - auch wenn Apple nach Bonos Aussage für den Deal "erstklassig bezahlt" hat.
Später gibt Bono sogar zu, dass er sich von einem "einem Tröpfchen Größenwahn" habe leiten lassen und räumt Fehler bei der Vermarktung von "Songs of Innocence" ein. Im gleichen Zug stellt aber klar, dass ihn der Aufruhr nicht nur kalt lasse, sondern geradezu beflügele: "Ich lebe damit nicht nur sehr entspannt, ich genieße den Hass sogar. Vielleicht ziehe ich Provokationen an, denn ich mag Konflikte, sie beleben mich!"
Dies scheint auch im Rahmen größerer Dimensionen für Bono und Co. zu gelten. Auf der zugehörigen "Innocence + Experience"-Tour wird nach den Pariser Anschlägen vom 13. November 2015 das wenige Tage später geplante U2-Konzert aus Sicherheitsgründen zunächst abgesagt. Doch schon wenige Wochen später holen sie es nach und geben als erste international bekannte Band nach dem Terror einen umjubelten Gig. Als Clou holen sie die Eagles Of Death Metal zum Jam auf die Bühne. Davon erscheint im Folgejahr selbstverständlich das dazugehörige Filmdokument.
Bereits bei Erscheinen von "Songs Of Innocence" kündigen U2 den Nachfolger "Songs Of Experience" an, der jedoch länger als geplant auf sich warten lässt (letztlich erscheint er im Dezember 2017). Nach eigener Aussage, schockt der Brexit und die Wahl Trumps zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten die Musiker so sehr, dass sie an dem eigentlich fast fertigen Album erst einmal nicht mehr weiter arbeiten. Das Doppel-Werk lehnt sich an zwei Gedichtbände des englischen Autors William Blake an. Doch ehe der finale Teil das Licht der Öffentlichkeit erblickt, nehmen Bono und Co. den 30. Geburtstag ihres Klassikers "The Joshua Tree" zum Anlass, das epochale Album zunächst in einer Luxus-Variante neu zu veröffentlichen, und es danach live rund um den Globus abzufeiern.
Außer Songs des 1987er Albums spielen U2 auf der Tour auch einige Klassiker, darunter "Sunday Bloody Sunday", "New Year's Day", "Mysterious Ways", "Beautiful Day", "Elevation" und "One". Beim einzigen Deutschland-Konzert im Berliner Olympiastadion singt Bono als speziellen Bonus "Heroes" von David Bowie auf deutsch. Vor Bekanntgabe der Termine ihrer Amerika-Tour 2018 erscheint dann "Songs Of Experience", das von Jacknife Lee und Ryan Tedder produziert wurde. Der Song "Get Out Of Your Own Way" featuret Kendrick Lamar. Das Cover von Anton Corbijn zeigt mit Eli Hewson und Sian Evans zwei Kinder von Bandmitgliedern: Bonos Sohn und die Tochter von The Edge.
In der Pandemie schreibt Bono ein Buch: In "Surrender: 40 Songs One Story" hangelt er sich an 40 Songs entlang, um in erster Linie seine und auch ein bisschen die Geschichte von U2 zu erzählen. Die Idee wird bald von seinen Bandkollegen weitergesponnen: Das Albumprojekt für 2023 lautet "Songs Of Surrender", für das jeder Musiker zehn Songs für Neuinterpretationen auswählte.
1 Kommentar mit 4 Antworten
Wenn ich nervig bin, was ist dann U2?
Oh je...wie soll ich das sagen ... der Inbegriff davon.. Nervigkeit auf das höchstmögliche Level gehoben..das ist U2 und Bono.
Vor allem Bono..der ab und zu aus seinem Anwesen herauskommt und die Solidarität mit dem Armen beschwört. Nur um dann im Privatjet wieder zurück zu seinem Anwesen zu fliegen, wo ihm die Armen gepflegt am Arsch vorbei gehen, während er sich von seinem Koch ein edles Menü zubereiten lässt. Wobei..er hat ein Anwesen in Nizza, eines in Dublin. Außerdem versteuert er seine Einnahmen in den Niederlanden, wo er nur 1 % Steuer bezahlt.
Nachtrag : Bono besitzt eine Beteiligung von 1,5 % an Facebook, die er 2009 für erst 90 Millionen US $ und etwas später nochmals für weitere 120 Millionen US $ gekauft hatte. Nach dem Börsengang von Facebook wird sein Anteil auf 1,1 Milliarden US $ geschätzt.
und
Er ist Mitglied des fünfköpfigen Führungsteams des Private-Equity-Fonds Elevation Partners.
Private Equity (deutsch außerbörsliches Eigenkapital) ist eine Form des Beteiligungskapitals, bei der die vom Kapitalgeber eingegangene Beteiligung nicht an geregelten Märkten (Börsen) handelbar ist. Die Kapitalgeber können private oder institutionelle Anleger sein; häufig sind es auf diese Beteiligungsform spezialisierte Kapitalbeteiligungsgesellschaften.
Wird das Kapital jungen innovativen Unternehmen bereitgestellt, die naturgemäß ein hohes Risiko, aber auch entsprechende Wachstumschancen in sich bergen, so spricht man von Risikokapital oder Wagniskapital (englisch venture capital).
Für die Begriffe Kapitalbeteiligungsgesellschaft und Wagnisfinanzierungsgesellschaft werden häufig die Sprachkonstrukte Private-Equity-Gesellschaft (PEG) und Venture-Capital-Gesellschaft (VCG) verwendet.
Die Private Equity Fonds sind die, die man gemeinhin als „Heuschrecken“ bezeichnet.
Rupi spricht wahr.
zu Bono fällt mir noch ein Ausspruch von Joel Schumacher (Regisseur) ein: „Wenn Bono mir sagt, dass der Himmel blau und das Gras grün ist, dann muss ich mich schon sehr anstrengen, um ihm das zu glauben.“[