laut.de-Kritik
Outlaws, wie sie im Buche stehen.
Review von Josephine Maria BayerEin wenig dreckig und verrucht und mit einer großen Portion Augenzwinkern bleiben The Dead South ihrem Image auch mit ihrer neuen Platte treu. Neben ihren Outlaw-Songtexten und Bluegrass-Melodien setzt das Quartett bei "Chains & Stakes" wieder auf einen Albumtitel mit Et-Zeichen. Diese Tradition begann 2016 mit dem zweiten Studioalbum "Illusion & Doubt", drei Jahre später folgte "Sugar & Joy".
Colton Crawfords spielt das Banjo, Nate Hilts und Scott Pringle wechseln sich an der Mandoline ab. Cellist Danny Kenyon ist nach einer unfreiwilligen Auszeit wieder dabei. Nachdem ihn 2020 drei Frauen des sexuellen Missbrauchs beschuldigten, erlegte ihm das Label Six Shooter Records eine Pause auf. Zu einer Anklage vor Gericht kam es damals nicht, die Frauen hatten ihre Erfahrungen anonym auf einem Instagram-Account gepostet. 2021 vermeldeten The Dead South auf ihrer Website, dass die Band ohne Crawford nicht dasselbe sei und er deshalb fortan wieder dazu gehöre.
"Me Too"-Anschuldigungen, die nicht vor Gericht landen, sind immer eine heikle Angelegenheit. Denn einerseits will man niemanden ohne Beweise verurteilen, andererseits hinterlässt so eine Affäre immer einen bitteren Beigeschmack. Dass die Band ihr Problemkind mit einem Schulterzucken wieder willkommen hieß, ist eigentlich eine große Red Flag. Dem anrüchigen Image von The Dead South tut dies, ähnlich wie Rammstein, jedoch keinen Abbruch.
The Dead South kokettieren mit den Tabus. Satirische, inzestuöse Anspielungen tauchen an mehreren Stellen auf. Schon "Banjo Odyssey" sorgte 2014 für Kontroversen: "I guess she's my cousin but she needs some sweet lovin' anyway." Mit dem doppeldeutigen Track "The Cured Contessa" knüpft die Band nun daran an. The Dead South parodieren alle Hinterwälder-Klischees, die sie nur finden können.
Währenddessen sprudelt das Banjo vergnügt vor sich hin, die Gesangsharmonien entführen in die Bluegrass-Welt der Appalachen. Nate steuert den Lead-Gesang bei. Die Songtexte auf "Chains & Stakes" wirken poetisch und eigensinnig, und für Außenstehende manchmal etwas sperrig. The Dead South erzählen Geschichten von Schurken, religiösen Fanatikern, skrupellosen Mördern und Normalos, sprich einem Bevölkerungsquerschnitt der US-Südstaaten. Fiktionale Charaktere wie William, der Son von Ambrose und der mordlustige Prediger Father John erwachen mit wilden Arrangements zum Leben.
Neben dem erwartbaren Gitarren-, Banjo- und Mandolinengeschrammel, birgt "Chains & Stakes nur wenige Überraschungen: Der Opener "Blood On The Mind" erweckt beispielsweise zunächst den Anschein, es handele sich um einen Song im Delta-Blues-Stil. Doch nach den ersten Takten zieht das Tempo an und auch der Blues verdünnisiert sich. Schon im letzten Album "Sugar & Joy" gab es zwei Instrumentalstücke, dieses Mal kommt sogar noch eines hinzu. Die drei nachdenklichen Tracks "Where Has The Time Gone", "Clemency" und "Yore" unterbrechen das frenetische Treiben für kurze Atempausen.
Auch wenn die musikalische Umsetzung in "Chains & Stakes" eigentlich durchaus gelungen ist, hat sich die Band mit der Wiederkehr Kenyons keinen Gefallen getan. An einigen Stellen geht die Ironie der zotigen Songtexte etwas verloren und sorgt eher für Betretenheit als für Lacher. Die "Outlaw"-Masche muss man ja nicht unbedingt im wahren Leben durchziehen.
3 Kommentare
Früher wurde die Musik bewertet, heute legt man eher Wert auf die Kriminalhistorie der Bandmitglieder. Kann man schon machen, ist einfach nicht ganz seriös.
2/5 ist definitv nicht fair aber wenn man sich im kompletten zweiten Absatz nicht mit dem Album beschäftigt, dann verwundert das auch nicht. Insgesamt ist das ein solides TDS Album - keine Überraschungen und konstant das, was man von den Vorgängern kennt. Den Redneck/Bluegrass Charme haben sie nicht verloren und ich freue mich auf den 30.05 in Hamburg. 3,5/5
Hätte es einen Prozess gegeben mit zumindest einer glaubwürdigen Zeugenaussage, und hätte es dann einen Freispruch aus Mangel an Beweisen gegeben, DANN könnte man über einen bitteren Beigeschmack reden. So bleiben 3 anonyme Postings ohne jede Beweiskraft, die beinahe eine berufliche Existenz vernichtet hätten. Und das ist ganz sicher ein SKANDAL.