laut.de-Kritik
Millenial-Punk mit "Fuck You" und Mainstream-Ambition.
Review von Manuel BergerDebütalbum 2016, Nachfolger 2017, Schlag drei jetzt und dazwischen fleißig touren: The Dirty Nil wollen wahrgenommen werden. Welche der drei Platten man sich nun zuerst anhört, ist eigentlich egal, denn bei so einer Veröffentlichungs-Frequenz passiert logischerweise nicht allzu viel musikalische Weiterentwicklung. Vergleichbar hoch bleibt aber auch die Anzahl der Hummeln im Arsch, die The Dirty Nil wohl zu genau dieser Produktivität verhilft. Mit gehöriger Leidenschaft für Garagenrock und Punk und gleichzeitig guten Gespür für Pop-Melodien fegen sie durch "Master Volume".
Auch wenn ihnen das einige Kritiker attestieren: Zeitgemäß waren The Dirty Nil eigentlich noch nie. Die Hooks riechen nach 2000er-Alternative->Punk, irgendwo zwischen Green Day zu "American Idiot"-Zeiten und frühen The Killers ("Evil Side"). Dazu gibts schweren 90er-Dreck in den Gitarren à la Alice In Chains, sowohl Guns N' Roses als auch Bad Brains sind den Kanadiern ebenfalls Begriffe, halten das aber eher im Hintergrund und verwursten diese Einflüsse so mit den Erstgenannten, dass sie eher Millenials ansprechen werden als die Zeitzeugen-Fraktion.
Wie um das zu untermalen, machen sich The Dirty Nil einen Spaß daraus, die Songtitel von Klassikern zu recyclen, nicht aber deren Musik. Zum Beispiel: "Please, Please Me" der Beatles und Cheap Tricks "Auf Wiedersehen". Metallicas "Hit The Lights" covern sie dann aber doch. Eigentlich nur gerecht, dass die Band, die "Garage Inc." zur Hälfte mit verthrashten Punknummern füllte, jetzt einen ihrer Thrash-Meilensteine punkifiziert vorfindet. Den hier betont lauten, knorrigen Bass könnte man sogar noch als Seitenhieb auf "...And Justice For None" verstehen... Humor hat die Bande.
Da wir schon bei der Produktion sind: Hier machen The Dirty Nil verglichen mit den beiden Vorgängeralben einen deutlichen Sprung. "Master Volume" klingt etwas weniger roh, weniger nach echter Garage, dafür gewinnen die Gitarren ordentlich an Gewicht und Durchschlagskraft. "Always High" mit seinen vielen Dynamik-Swells und den beinahe doomigen Distortion-Hämmern zeichnet ein deutliches Bild. Props an Produzent John Goodmanson, der Noise-Ekstasen ("Smoking Is Magic"), Indie ("Super 8") und Punk'n'Roll ("I Don't Want That Phone Call") auf einen stimmigen Gesamtsound trimmt.
Manchmal stellt sich allerdings die Frage, ob diese Anstrengung überhaupt notwendig gewesen wäre, würden The Dirty Nil wirklich immer ehrlich musizieren. Allzu oft wirken ihre Kanten wie Gimmicks, die sie einbauen, um Credibility im harten Rock- und Punklager zu behalten, während sie eigentlich lieber Nickelback supporten wollen. Beispiel: "Always High", dessen Gitarren zwar fett und edgy klingen, aber kompositorisch völlig substanzlos durch den Song krachen. Auch "Smoking Is Magic" wäre ohne Luke Benthams Fuzz-Pedal und den spaßigen Noise-Ausraster am Ende nicht mehr als vergessenswerter Pop-Punk.
Wo The Dirty Nil dafür voll und ganz überzeugen und auch alle der genannten Einflüsse, inklusive ironischem Augenzwinkern, zu einer beneidenswert tighten Mischung kombinieren, ist in "Auf Wiedersehen". Man hat Bentham einfach nichts mehr entgegenzusetzen, wenn er aus der Atmosphäre einer Teenie-Herzschmerz-Ballade hervorbricht, die Grunge-Motoren anschmeißt und brüllt: "I mean this in a nice way: FUCK YOUUU!" Guter Song ist guter Song, ne?
1 Kommentar
Definitiv ne Ladung Weezer mit drin. Klingt gut.