laut.de-Kritik
Auch nach 30 Jahren noch fit: Rockpoet Mark E. Smith.
Review von Jasmin Lütz"The Fall - always different, always the same". So sprach Radio-DJ John Peel über eine seiner Lieblingsbands. Nach zahlreichen Veröffentlichungen, Liveaufnahmen, Singles und Compilations der Band aus Manchester trifft diese Aussage auch nach wie vor zu. Bei The Fall muss sich nichts ändern. Unzählige Parties und Konzertreisen hat Frontpoet Mark E. Smith hinter sich und betreibt das Punkrock-Indie-Business bereits seit mehr als 30 Jahren. Dabei sorgt er regelmäßig für eine spannende und ausgelassene Stimmung.
Der aktuelle Thriller nennt sich "Reformation Post TLC", eine weitere Rebellion des Salford-Helden, den der verstorbene Peel sicher erneut mit Begeisterung in seiner Radiosendung vorgestellt hätte. Hämisch lacht der gute Smith zu Beginn des Openers "Over Over" und nölt: "I think it's over now, I think it's the beginning". Das kommt eher selten vor, dass man auf Anhieb eine Textzeile Mark E.s versteht. Ich hatte ja bereits 2003 mit dem Album "The Real New Fall EP/Country On The Click" den Eindruck, dass seine charakteristische Stimme von Album zu Album klarer wird.
Das zweite Stück "Reformation" ist ein lange anhaltendes Bass-Gitarren-Schlagzeug-Rock-Getöse. Fast sieben Minuten wagt sich der alte Herr in die Psycho-Punk-Garage hinterlässt eine beeindruckende R'n'R-Show mit hypnotischer Zwei-Mann-Basslinie. Der "Fall Sound" hält sich auch nach 26 offiziellen Studioalben gerne noch in den 80er Jahren auf und Smith rotzt nach wie vor laut und deutlich ins Mikrofon, was er von Gott und der Welt hält. Frei nach dem Motto "Ihr könnt mich alle mal" - auch wenn die Falten tiefer werden und er nach wie vor beständig in seinem Lieblingspub in Manchester abhängt - das Altbewährte ist doch immer noch das Beste. Die Reformation lebt. Mr. Smith ist allerdings nicht immer der rüde Rüpel aus dem Nordwesten Englands. Der "Hoodie" ohne Kapuze kann seine Gefühle auch anders wiedergeben. Überraschend zurückhaltend in "Coach And Horses".
Beinahe schon hauchend geht er in "White Line Fever" zugange; das sind Momente, die man extra genießen sollte. Insgesamt galoppiert Mark E. Smith etwas verwirrt im Country-Rhythmus durch die Pubs von Manchester. Bei dieser Art von Melodie sind vielleicht auch seine amerikanischen Neuzugänge Barbato und Presley nicht ganz unschuldig. "White Line Fever" ist nämlich eine Coverversion des Countrystars Merle Haggard aus Bakersfield, USA. Weitere tiefgründige Einblicke in Smiths Welt dürfen wir ebenfalls noch in diesem Jahr mittels seiner Autobiographie erwarten. Dann heißt es "Renegade – The Gospel According to Mark E. Smith".
Seine Frau Elena hinterlässt nicht nur am Keyboard oder Bass mal wieder einen sehr guten Eindruck, mit ihrem eleganten Sprechgesang steht sie ihrem Ehemann in nichts nach, wie man in "The Wright Stuff" mehr als deutlich hört. Den etwas anderen Soundtrack für Wolfgang Petersens "Das Boot" vernehmen wir in einer experimentellen Longversion auf Titel Nummer 11. "Das Boat" soll wohl Kunst sein?! Ich tippe eher auf Verarschung und hoffe, Mark E. und seine Besatzung nehmen diese zehnminütige Offenbarung ebenfalls nicht allzu Ernst.
Ist ja immer amüsant, neue elektronische Gerätschaften auszuprobieren und dabei ungeniert auf diverse Dinge zu klopfen und dabei selbstverwirklichende Ausrufe von sich zu geben. Dann noch ein wenig deutsche Filmgeschichte dazu und fertig ist die kulturelle Revolution. Zum Glück ertönen mit "Bad Stuff" gleich wieder die wohlklingenden Gitarren, allerdings immer noch mit spaciger Raumschiff-Atmosphäre. Der Rückzug zur Erde gelingt dann am Ende doch irgendwie wieder. Über acht Minuten Psychedelic-Invaders beschließen ein Album, das kein Ende zu finden scheint.
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