laut.de-Kritik
38 Jahre Musikgeschichte in 70 Minuten - ein Höllentrip!
Review von Michael SchuhBekäme man vorliegenden Sampler ohne die Angabe der verantwortlichen Autoren vorgelegt, wäre man hilflos aufgeschmissen. Zum einen, weil die legendäre Kuhglocke ihren Hohlraum auf "Tapes" erst im vierten Stück schwingen lässt, vor allem aber aufgrund der weithin unterschätzten Truppe The Rapture.
38 Jahre Musikgeschichte in 70 Minuten, wie größenwahnsinnig ist das? Für die New Yorker Dance Punk-Extremisten scheinbar nicht mehr als eine lässige Fingerübung.
Eines ist jetzt schon klar: Im weiten Feld legendärer !K7-Sampler wird sich dieses Groove-Ungeheuer auch in zehn Jahren auf den vorderen Plätzen einfinden.
Mit vermeintlichem Methusalem-Alter fördern vier Endzwanziger mal eben das Beste der 70er, 80er, 90er und alle (Szene-) Hits von heute aus ihren Plattenkisten zu Tage: Funk, Soul, Rare Grooves, Hip Hop, frühe New York Disco, Elektro und Techno stehen auf "Tapes" so selbstverständlich nebeneinander, als hätte es Genre-Schubladen nie gegeben. "Pieces Of The People We Love" Part 2, quasi.
Mit dem Checkertrack "Daytona 500" von Ghostface Killahs '96er Debüt startet der trip from outta space ähnlich dem Andy Smith'schen "The Document"-Parforceritt von 1998.
Dem beatlastigen Beginn folgt eine majestätische Überleitung in Früh-80er Disco-Rap (Junkyard Band, "The Word"), bevor der erwähnte Kuhglocken-Soulfunk der legendären Bar-Keys (Otis Reddings Backing Band) das Erbgut der Rapture-Jungs anklingen lässt.
Der erste Teil des Samplers oszilliert zwischen Studio 54- und Danceteria-Nostalgia, die sich von glockenunterstützten Acid-Bässen im superben Northend-Track "Tee's Happy" zum zwitschernden 79er-Popbeat "I'm An Indian Too" von Höhepunkt zu Höhepunkt hangelt. Dass plötzlich Thomas Bangalter am Filterraven ist, überhört man beinahe, so stimmig gelingen Songauswahl und Überblendtechnik.
Auch am stimmlich an Prince gemahnenden Beitrag des oft gescholtenen Armand Van Helden gibts nichts zu Kritteln, bevor der anstrengende House in "Say You Will" von Cajmere feat. Dajae das erste überflüssige Stück liefert.
Drauf geschissen: Schließlich sind die Rapture-Jungs so weit vorne dabei, dass sie auch den oberlässigen "Township Funk" der Südafrika-Bounce-Hoffnung DJ Mujava aus dem Ärmel schütteln. Ein neuer Stern am Warp-Himmel und auf "Tapes" sowas wie die erste Melancholiewolke im Himmel voller Disco-Geigen.
Dass im hinteren, dem zeitgenössischen Elektronikbereich zugeordneten Teil die House-Nummer etwas zu straff durchgebolzt wird, macht spätestens Richie Havens' grandioses "Going Back To My Roots" vergessen. Traditionsbewusst beendet der Underground Resistance-Act Galaxy 2 Galaxy einen fürwahr galaktischen Soundtrip. "This funky kind of music simply makes you wanna move", heißt es in "Bounce, Rock, Skate, Roll". Ein Songtitel, der "Tapes" treffender nicht beschreiben könnte.
1 Kommentar
Die sollen lieber endlich n neues Studioalbum raushauen.