laut.de-Kritik

Die Nachbarn rufen nach der Polizei - kein Wunder.

Review von

Ein Album der Roots zu kritisieren: eine undankbare Aufgabe. Am Werk einer derartig integeren Crew, die seit Jahren ein qualitativ hochwertiges Hip Hop-Schmankerl nach dem anderen auf den Tisch legt, auch nur Ansätze für Nörgeleien zu finden, gestaltet sich mehr als schwierig. Hartes Brot für die Kritiker-Zunft, dennoch möchte ich mich letztlich nicht um den Genuss (denn nichts anderes bietet "Game Theory") bringen.

In den Reihen der Roots gehen unglaublich talentierte MCs an den Start, soviel sollte mittlerweile weithin bekannt sein. Geboten wird Lyrik mit Tiefgang, technisch einwandfrei verpackt. Gehaltlose "Wir sind die Derbsten"-Zeilen sind von diesen Herren auch dann nicht zu erwarten, wenn sie - wie in "Long Time" - ihre Heimatstadt abfeiern. Ja, ich teile die Überzeugung Peedi Peedis (der, was bereits reichlich Diskussionen nach sich zog, als neues Roots-Mitglied gehandelt wird): "It's something in the water where I come from."

Irgendwas muss in Philly wohl tatsächlich im Trinkwasser sein, das Musikalität und Rhythmusgefühl begünstigt, sonst könnte diese Stadt nicht zuhauf Poeten wie Ursula Rucker, Rapper vom Schlag eines Black Thought oder einen Ausnahme-Schlagzeuger wie Ahmir ?uestlove Thompson hervorbringen. Dessen prägnante Drums führen wie ein roter Faden durch "Game Theory", verleihen jeder einzelnen Nummer ein solides Rückgrat und verbinden die Tracks zu einer Einheit.

Getragen von den organischen Beats entfaltet sich textlastig, kritisch und abwechslungsreich der typische Sound, dessen einziges Manko darstellt, dass man genau diesen von den Roots erwartet und schon tausendmal gehört zu haben scheint. Zurückhaltend und trotzdem vielschichtig gestaltet sich der Unterbau zu "False Media". Der Titeltrack "Game Theory" hebt mit soulig gesungenem Einstieg an.

Zuweilen verleihen Gitarren zusätzlichen Nachdruck, Pianoeinsprengsel setzen Akzente. In "Take It There" durchbricht ein Spoken-Word-Zwischenspiel den beständigen Fluss der Reime. Im Anschluss daran explodiert der Track förmlich in ein energisches, wütendes Statement. "Here I Come" kombiniert das alles beherrschende Schlagzeug mit synthetischem Plastiksound. "They say the music is strong and too militant"? Recht haben sie!

Fühlt man sich bei "In The Music" anfangs noch in eine Fabrikhalle versetzt, breitet sich der blecherne, mechanische Klang im Verlauf des Tracks zu dunkler Tiefe aus. Reichhaltig, warm, nahezu schwül drückt das Instrumental aufs Trommenfell. Die Nachbarn rufen nach der Polizei - kein Wunder. Derartige Bässe wabern ungebremst durch die Wände.

"Atonement" mit kitschigen Streichern: In meinen Ohren der einzige Durchhänger. Die Nummer gerät so getragen (um nicht zu sagen lahm), dass man sich zurück in die glorreichen Vinyl-Zeiten wünscht, um diesen Track auf 45 umschalten zu können. Während es in "Baby" beschwingt und melodiebetont zugeht, setzt "Clock With No Hands" auf besinnlichen Rückblick: "I might forgive but I do not forget": nicht das übelste Konzept.

Das Gedenken an J. Dilla umspannt "Game Theory" mit einem feierlichen Rahmen: Nachdem über "Dilltastic Vol. Won(derful)" ein überaus angenehmer Einstieg glückt, beschließt "Can't Stop This" den Reigen. Die Liebeserklärung an Hip Hop als nicht aufzuhaltende Macht ("even if it gets worse") schließt einen schier endlosen Nachruf auf die verstorbene Produzentenlegende mit ein, der trotz Überlänge in keiner Weise gezwungen oder peinlich wirkt. "Gimme the Oscar!" heißt es zu Recht unbescheiden in "Here I Come". Ja. Mach das doch bitte endlich mal jemand!

Trackliste

  1. 1. Dilltastic Vol Won(derful)
  2. 2. False Media
  3. 3. Game Theory
  4. 4. Don't Feel Right
  5. 5. In The Music
  6. 6. Take It There
  7. 7. Baby
  8. 8. Here I Come
  9. 9. Long Time
  10. 10. Livin' In A New World
  11. 11. Clock With No Hands
  12. 12. Atonement
  13. 13. Can't Stop This

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT The Roots

Beste Hip Hop-Band, beste Live-Band, beste Band überhaupt, bester Drummer – die Lobeshymnen auf The Roots sind vielfältig, die Superlative jedoch …

16 Kommentare, davon 4 auf Unterseiten

  • Vor 18 Jahren

    Übermorgen. :)

    Schon wer was gehört? Falls nicht, http://www.myspace.com/theroots

  • Vor 18 Jahren

    Na auf das Album bin ich ja auch mal gespannt. Hab zwar nur "Phrenology", aber das ist ja ein Monster von einem Album!

  • Vor 18 Jahren

    Freu mich. :) Find die Tracks auf myspace auch absolut grossartig. Tipping Point hab ich aus irgendeinem Grund gar nicht wirklich angehört ... Fand wohl die erste Single nicht so toll. Hol ich auch noch nach. Aber "Game Theory" soll ja anscheinend wirklich klasse zu sein ... naja, bald weiss auch ich's. :saint:

    @ Serpentine: "Phrenology" ist auch meisterlich, aber mein liebstes Werk ist immer noch "Things Fall Apart" - war auch mein erstes. ;)

    Game Theory kriegt auf AMG die 9/10

    Zitat (« ...Game Theory is a heavy album, the Roots' sharpest work. It's destined to become one of Def Jam's proudest, if not most popular, moments. »):

    :)