The Tangent - " To Follow Polaris"

Wo The Tangent draufsteht, steckt Andy Tillison drin. Wusste der mittlerweile ergraute Rotschopf die vergangenen Jahre ein stabiles Bandgefüge an der Seite, erscheint "To Follow Polaris" als One Man Show. Dabei nimmt der Tausendsassa gemäß des Albumtitels des Vorgängers nichts auf die leichte Schulter.

Aufgrund voller Terminkalender der Kollegen spielt der 64-jährige Musiker alle Instrumente selbst, singt und schreibt die Songs. Es spricht für die Erfahrung und den Ehrgeiz des Prog-Pioniers, dass die folkig-vertrackten Verzückungen - ob episch oder kompakt - ohne Brüche daher kommen. Einer klaren Vision folgend, verzaubern der mit einem Augenzwinkern versehene Vorabtrack "The Single" und die zwischen Krach und Kunst pendelnde Klangreise "The Anachronism".

Wer Prog im Kopf und im Herzen trägt wie es Mr. Tillison vermag, tut sich leicht daran, die vielen Stimmen aus der Introspektion zu holen und in formsprengende Kompositionen zu kanalisieren. Textlich gibt es mal Agit-Prog in Form einer himmelschreienden Beschwerde gegen Unrecht und dann die typisch britische Form des schwarzen Humors.

Der Titelsong, ein funkensprühendes und farbenfrohes Uptempo-Stück, geizt weder mit Melodien noch mit vertrackten und verspielten Parts. Hier schimmern die Flower Kings an einigen Stellen durch. Die Band, die Tillison Anfang der Neunziger gemeinsam mit dem blonden Prog-Cäsaren Roine Stolt geprägt hat.

"A Like In The Darkness" hat Suiten-Charakter und ist in den Stimmungsschattierungen breit aufgestellt. Like mich am Ar***, dieser emotionale Parforceritt wühlt auf und reißt mit. "A Fine Line" gestaltet Tillison wieder songorientierter. Die smoothe Nummer swingt und lebt von einigen geschmackvoll gesetzten Bläsern.

Im 22. Jahr des Bestehens erscheint die dreizehnte Platte. Es ist eine wilde Dreizehn mit Blick auf Songwriting und Produktion. Das Resultat dient als Selbstvergewisserung und Standortbestimmung. Wer Krautrock, Prog, Jazz und Klassik so unnachahmlich vermählt, hat aus Sicht der treuen, wie überschaubaren Fanbase nichts falsch gemacht.