laut.de-Kritik
Der Trümmer-König rekrutiert nicht mehr nur im eigenen Lager.
Review von Anastasia HartleibEin bisschen Verwirrung stiftet der Titel von Vandalismus' viertem Album ja schon. "Ritual O.S.T.", also Original Soundtrack, heißt das dreizehn Songs starke Stück, und man fragt sich kurz, wann und wo dieser Film denn nun erschienen ist. Machen wir es kurz und schmerzlos: Einen tatsächlichen Film von Vandalismus gibt es nicht. Aber den Beinamen "O.S.T." trägt das Album dennoch nicht umsonst.
Schließlich sind Vandalismus' (genau wie früher Degenhardts) musikalische Kreationen schon immer auch visuell unheimlich einnehmend. Der Film im Kopf läuft da ja eigentlich immer in Dauerschleife. Auch dieses Mal enttäuscht der mittlerweile Wahl-Kölner seine eingefleischte Fan-Gemeinde auf keiner dieser Ebenen. Das Cover deutet bereits an: Auch auf "Ritual O.S.T." serviert Vanda stilvoll-makabre Sezierungen von innen und außen. Der Streifen im Kopf, er läuft ab den ersten Takten.
Düstere Synths, hallige Claps und ein träge verleierter Interview-Schnipsel von Rockstah setzen den Ton. "Am Ende des Tages bin ich Nerd." Warum genau dieses Skit ausgewählt wurde, muss nicht erklärt werden, das ist allen klar, die Vandalismus auf dem Schirm haben: "Ritual O.S.T." ist ein Album von Nerds für Nerds.
Die Entwicklung, die mit dem Vandalismus-Alias begann, setzt sich auch auf dem Viertling fort. Klare, aufgeräumte Soundstrukturen lassen viel Raum für Text und für eine intensive atmosphärische Wirkung. Die zeigt sich bereits in "Die Marotten Des Maskottchens". Verzerrte Gitarren, Synthie-Flächen und Drums erzeugen eine schwer-melancholische, aber trotzdem leichte Atmosphäre, die fast schon Pop-Remineszensen hervorruft und Vandas inneren Liedermacher an den Tag bringt: "Ich bin grobschlächtig, oberflächlich, drohgebärdig, komplett ehrlich / in sich vernarrt & innerlich vernarbt."
"Ritual O.S.T." fühlt sich ein bisschen so an, als würde eine Karawane durch den Ort ziehen. Ein fahrendes Volk, angeführt vom "König vom Trümmerhaufen". Man kennt die Karawane, doch man erkennt sie kaum wieder. Früher war sie bunt und laut und quietschend überfordernd. Sie hat das Spießbürgertum abgestoßen und die Einzelgänger eingesammelt, die Ausgestoßenen und Verletzten. Wenn sie scheppernd weiterfuhr, warf sie mit Fäkalien nach Passanten und brüllte Obszönitäten aus dem Wagen.
Doch heute, heute ist das anders. Man bemerkt die Ankunft der Karawane kaum. Fast schon harmlos wirkt der Wagen, mit dem sie ins Dorf gerollt kommt. Vereinzelte Gestalten in Kapuzenpullis stehen dort, hin und wieder klingelnd. Zeichen in den Ort rufend, die nur die verstehen, die gemeint sind. Doch wenn sie fahren, den am Weg stehenden stumm zunicken, dann läuft ihnen ein kalter Schauer über den Rücken. Denn statt den zwei, drei Menschen, die das Dorf sowieso nicht will, zieht der Trümmer-König heute einen ganzen Straßenzug aus dem Ort. Und alle wissen: In diesem dunklen Wagen, da braut sich was zusammen.
Diese düstere Atmosphäre zieht sich durch "Ritual" hindurch. Mal ist sie schwer und träge, wie in "Ein Dessert Vor Der Anarchie", mal scheppernd und bedrohlich wie in "Der Diskurs Ist Vorherbestimmt". Und dann gibt es da wieder diese leichten Momente, die fast schon sanft und federleicht wirken, wie in "Kleiner König Kokettiert". Ein durch und durch spannender Song, der eine etwas andere Perspektive mitbringt. "Ich bin nicht ich in den Geschichten, die ich selber erzähl' / Ich mach' nicht alles richtig und wenig verkehrt." Der Titel passt so gut zu den Zeilen dieses Tracks. Ein wenig kindliche, und doch reflektierte Eitelkeit scheint hier durch, die der Figur Vandalismus eine weitere, spannende Facette gibt. "Ich bin nicht unsicher, wie in meinen Texten / ich bin nur unsicher, ich könnt dich verletzen."
Natürlich gibt es sie noch, die ganz eigene Art der Innenschau, die intensive Bilder hervorruft. So wie in "Skoro Domoj", dessen Titel aus dem Russischen grob mit 'Bald nach Hause' übersetzt werden kann, und mit Kriegsgefangenen aus dem zweiten Weltkrieg in Verbindung steht. "Ich kannte Gänsehaut-Geifer, Mundwinkel entstellt / Feuerball in jeder Hand, was kostet die Welt / Doch was ist ruhig und gut? / Was ist warm und getragen, was ist das für'n Gefühl in meinem Magen? / Ich kannte 'Pass lieber auf' und den Narbenverlauf / Der schönste Zustand war irgendwas frisch verheilt."
Auch der Anarcho und Austeiler hat seine starken Momente auf dem Album. Vor allem auf die Kirche hat er es dieses Mal abgesehen, wenn er fragt, ob du nur "Dumm oder katholisch" bist und den Begründer der Hexenverfolgung, Heinrich Kramer tötet. Der Anarcho, er hat auch Verstärkung dabei. Neben Crak von No Remorze stehen auch Basstard und Pilz in seiner Ecke. Leider scheint allerdings nur die Frauenfraktion wirklich kampfbereit zu sein. Sowohl Crak als auch Basstard wirken etwas aus dem Beat gefallen. Beide texten zu verkopft und haben deshalb der starken Aura Vandas nur wenig entgegenzusetzen.
Die Kombo aus Vandalismus und Pilz auf "EsoPunkRap" hingegen erinnert nicht nur wärmstens an Harmonie Hurensohn-Zeiten, sondern knallt auch so richtig rein. Das wohl beste Feature auf "Ritual" hat allerdings der Song "Irrwisch" in petto, den Vanda zusammen mit Mauli und Sängerin Elay produziert. Elays sanfte, fast schon soulige Hook ergänzt den warmen und trotzdem düsteren Beat hervorragend und gibt beiden Rappern die passende Rahmung. Der Trümmer-König rekrutiert nicht mehr nur im eigenen Lager.
Eine abschließende Bemerkung muss allerdings "Brutalismus" gelten. Ein Instrumental-Brett von Tombs Beats, das alle Dark Wave-Herzen höher schlagen lässt. Wie auch schon beim Vorgänger, kann auch hier nur um mehr dieser synthie-lastigen Melancholie gebeten werden. Dann vielleicht sogar mit einem sphärisch-echoenden König, der uns erzählt, wie sein Volk die böse Welt zum Einsturz gebracht hat.
1 Kommentar mit 6 Antworten
Zunächst fand ich den Sound überraschend. Und dann großartig. Dege überzeugt auf voller Länge.
Aber holimoly sind die Features schwach. Während früher Dege wirklich klug Leute hinzugenommen hat, man denke nur an die EP mit den kamikazes, sind dieses Mal echt alle Gäste schwach. Vor allem technisch katastrophal. Pilz und crak können kaum Rappen. Mauli hat wenigstens Technik, aber erzählt wie immer nur Müll, Basstard wirkt nur halb motiviert. Schade. Jedes Feature reißt aus dem Album raus. Da doch lieber wieder koljah und Prezi wie immer.
sich auf einem Degenhardt/Vandalismus-Album über technisch schlechten Rap DER GÄSTE beschweren und dann noch MAULI also positives Gegenbeispiel hervorzuhebenl zeugt wahrlich von Fachkenntnis^^
Dege hat definitiv an seinen Skills gearbeitet. Da sieht man eine Entwicklung. Während eben die Feature-Gäste klingen wie Harmonie Hurensohn, hat Dege selbst mittlerweile deutlich mehr drauf. Das kann man nicht verleugnen.
Ja, er hat sich verbessert. Wirklich gut ist er aber immer noch nicht, nicht bös gemeint, ich feiere ihn ja sehr, aber seine Qualitäten liegen woanders. Und ein Teil der Entwicklung, die du siehst, ist halt durch Aufnahmesituation, Mix und Master zustande gekommen. Mag sein, dass dir Craks Part nicht gefällt, aber technisch ist er Vanda auf dem Feature locker überlegen.
Also beim besten Willen, der Anfang schon:
"sei purer Hass"..."nur gedacht"..."am besten kannst". Das ist so unglaublich schlecht gerappt. Und völlig zusammenhangslos. "auf deine Kosten, deine Konten, bleib bereit für Contest"??? "Ganzkörperblutverlust"? Ich weiß nicht, was der mir überhaupt sagen will. Klingt so ein bisschen nach Prezi auf "Alles ist voll von Göttern", aber dann in wirr und super mies.
Also der ganze Part ist für mich ohne jeglichen Zusammenhang.
Man muss ja sagen, dass Dege trotz seiner mittelmäßigen Technik immer noch seine Aussage recht gut verpackt rüberbringt. Bei Pilz und Crak hab ich keine Ahnung, was die mir überhaupt sagen wollen. Oder wo der Zusammenhang zum Track besteht.
Du verwechselst Texte mit Technik. Ein guten Text schreiben können macht keinen guten Rapper, und technisch gut rappen können hat nix mit Texte schreiben zu tun (außer vielleicht, dass man viel besser auf den Beat schreiben kann, zb so wie crak hier nicht nur die Snare trifft, sondern auch Kick Drum berappt, sowohl auf dem beat als auch offbeat, das ist ne ganz andere Liga als dege mit seinen langezogenen Wörtern plus gelegentlichen Pausen auf der 4). Der Punkt ist, dass crak deges Part problemlos kopieren könnte, dege aber höchstens sehr holprig craks Part in dessen Flow. Texte sind eher Deges Stärke, wobei ich Craks Text schon nachvollziehen kann und alles andere als schlecht finde.