laut.de-Kritik

Deutsche Rocker unterstützen Tsunami-Waisen.

Review von

Soso. Tsunami-Waisen unterstützen. Gähn. Das wievielte Projekt ist das nun? Keinen Bock mehr, davon zu hören, die haben doch eh schon genug Geld bekommen, und überhaupt Benefiz-Platten: Im besten Fall nehmen die Künstler neue Songs auf, die dann wiederum so übel sind, dass man die CD nur erwirbt, um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen. Mag ja sein, trifft aber alles nicht auf "Home" zu.

Mir fällt spontan kein einziges Benefiz-Album ein, das erstens in der lächerlich kurzen Zeitspanne von zehn Tagen eingespielt wurde und zweitens mit derart schönen Songs aufwarten kann. Kai Wingenfelder (Fury In The Slaughterhouse), Thomas Hanreich (Vivid), Astrid North (Cultured Pearls) und Henning Rümenapp (Guano Apes) sind die bekanntesten Namen, die bei der Entstehung mitwirkten.

Die Musiker und ihr Team schlugen ihre Zelte just in der thailändischen Schule auf, der ihre Unterstützung gilt. Unter ungünstigen Bedingungen (Regenzeit) und dem erwähnten Zeitdruck jammten sie so lange herum, bis die vorliegenden Songs im Kasten waren. Die ständige Präsenz der Kinder muss einen kreativen Schub ausgelöst haben.

Schon "Sleep Tonight" zieht jedem, der nur annähernd mit Musik fühlen kann, die emotionale Socke aus. Astrid North besitzt eine unglaublich facettenreiche Stimme, die sie über den von ihr selbst geschriebenen Text legt, der, weitab von pathetischem Kitsch, wirklich berührt. Wenn dann auch noch die Kleinen im Chor mitsingen, rundet das Ergebnis einen Song ab, der der perfekten Ballade ziemlich nahe kommt. Hanreich lässt sein Organ dezent melancholisch über "No Place Like Home" schweben. Rocknummern mit Hang zum Traurigsein scheinen ihm ganz hervorragend zu liegen.

Fury-Fronter Kai Wingenfelder hatte während der Aufnahmen noch kräftig U2 in den Ohren, was man seiner Nummer "Come On In" zwar anhört, aber wahrlich nicht im negativen Sinne. Dass die Single-Auskopplung "Licht" bislang noch nicht so recht zündete, verstehe wer will. Vielleicht wäre der Opener mit seiner überwältigenden Gefühlsbetontheit die bessere Wahl gewesen? Wer weiß. "Chang Song" integriert ein thailändisches Kinderlied, bei dem erneut Astrid North - im Wechselspiel mit einem Kinderchor - den Gesangspart übernimmt. Die Geschichte des Liedes ist die der Musiker, die im Dorf auftauchen und den Kindern lauschen, die von einem Elefanten singen. Den dazugehörigen Trickfilm-Clip haben die Kleinen übrigens unter Anleitung von Hennings Freundin selbst fertig gestellt. Zu bewundern auf der DVD-Seite der Dual-Disc.

North und Hanreich legen sich im Duett "Ticking Clock" zusammen mächtig ins Zeug. Man wünschte sich, diese Konstellation würde auch in Zukunft einige kreative Früchte abwerfen. Es bleibt jedoch Thomas alleine überlassen, zum Schluss noch mal ganz großes Emotionskino abzuliefern. "The Last Time" drückt ganz dolle die Tränchen raus, die von "Sleep Tonight" gerade erst getrocknet waren. Aber halt! CD nicht einfach ausmachen, es wartet noch der süßeste Hiddentrack aller Zeit auf euch. Mehr wird nicht verraten.

Applaus für ein ganz tolles Projekt samt auf ganzer Linie überzeugender musikalischer Umsetzung. Chapeau!

Trackliste

  1. 1. Sleep Tonight
  2. 2. No Place Like Home
  3. 3. Licht
  4. 4. Come On In
  5. 5. Chang Song
  6. 6. Love Life
  7. 7. Better Off Without Me
  8. 8. Mrs. Johnson
  9. 9. The Man Who Wasn't There
  10. 10. Ich Bin Da
  11. 11. Ticking Clock
  12. 12. The Last Time

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