laut.de-Kritik

Im Vergleich zu "Pray For Paris" ist das ein Schritt zurück.

Review von

"Boom boom boom boom!" schallert es aus den Boxen. Westside Gunn ist wieder da und hat neben seinem Griselda-Team eine ganze Reihe hochkarätiger Nummern aus der Rapszene im Gepäck: J.I.D, Rick Ross, Denzel Curry und überraschende Producer Crossover mit Tay Keith, DJ Drama oder RZA begleiten den Neo-Boombap Rapper auf dem Nachfolger von "Pray For Paris". Jetzt heißt es nämlich "And Then You Pray For Me".

Abgesehen von seinen zahlreichen Mixtapes markiert "And Then You Pray For Me" sein fünftes Studioalbum und folgt dem hoch angesehenen "Pray For Paris", das laut Westside Gunn sein Leben maßgeblich verändert hat. Vorab kündigte der Mitgründer von Griselda Records auch an, dass das Album einen anderen Sound mitbringt und sich aus einem Mix von Trap und Old School zusammensetzt. Eine ungewöhnliche Richtung, da Westside Gunn eigentlich für sein Boombap, Drumless und Underground Sound bekannt ist.

Auf das Intro "FLYGOD DiD", in dem der verstorbene Stardesigner Virgil Abloh geehrt wird, folgt zunächst der düstere und gespenstische Track "Mamas PrimeTime", der ganz in altbekannter Manier das unbarmherzige und dunkle Leben in der Hood behandelt und fantastische Parts von J.I.D und Conway The Machine enthält. Ein gelungener Anfang, der dann aber mit "Kostas" ins Leere läuft, da einem der zuvor versprochene Trap Sound nun um die Ohren fliegt. Das bedrohliche und bildhafte Storytelling von Westside Gunn und seinen Griselda-Kollegen ist unterstrichen von einem ominösen Trap Beat von Tay Keith. Hier funktioniert das noch recht gut, doch im weiteren Verlauf des Albums stellt sich heraus, dass Westside Gunn Schwierigkeiten hat sich dem Trapsound anzupassen. Auf den Tracks "DunnHill", "Disgusting" und "LL BOOL GUNN" sind nicht nur überaus durchschnittliche Trap-Beats ausgewählt, sondern Westside Gunn klingt auch kriminell aus dem Takt geraten. Während "Offbeat"-Rap als passables Stilmittel eingesetzt werden kann, klingt es bei Westside Gunn einfach nicht halb so genießbar. An vielen Stellen wirkt er regelrecht gelähmt und bewegt sich relativ träge durch die für ihn ungewohnten Produktionen.

Seine mangelnde Anpassungsfähigkeit muss Westside Gunn auf vielen Tracks büßen, besonders wenn seine Features ihn in den Schatten stellen. Auf "Ultra GriZelda" brettert Denzel Curry eine exzellente, energetische Hook über einen dunklen Trap-Beat, während Westside Gunn im Anschluss geradezu einschläfernd klingt. Genauso auf "Freddy Js" mit Peezy auf einem schrecklich mittelmäßigen Beat - selbst das Brüllen von DJ Drama und DJ Holiday rettet da nicht mehr viel.

Auf der anderen Seite hat das Album auch einige Tracks, auf denen Westside Gunn besonders brilliert. Auf Produktionen von Griselda-Veteran Conductor Williams wie "Suicide in Selfridges" und "The Revenge of Flip Leg" zeigt er seine gewohnte Stärke mit Versen, die nur so vor hedonistischer Prahlerei und Gangstertum trotzen: "Flagrant, was pushin' / Percocets on the pavement / Now we in Paris posin' in Prada like it's the Vogue pages". Ebenso gelingt Westside Gunn auf "Babylon Bis" mit Stove God Cooks ein kopfnickendes Stück, begleitet von einem ansteckenden Gitarrenloop. Mit "KITCHEN LIGHTS" liefern die beiden den denkwürdigsten Track des gesamten Albums, mit einer hinreißenden Drumless Produktion. Hier beweist Westside Gunn eindeutig, dass er trotz seiner Ausflüge in die Trapproduktionen keineswegs seinen Glanz verloren hat.

Trotzdem bleibt "And Then You Pray For Me" etwas hinter dem Potenzial zurück, das sein Vorgänger aufgebaut hatte. Das Album ist nicht per se misslungen, jedoch in seinem Musikkatalog wohl das am wenigsten spektakuläre Projekt. Einige Tracks ziehen das ganze Werk noch etwas aus dem Schlamm, aber die vielen mittelmäßigen Produktionen und die begrenzte Vielseitigkeit von Westside Gunns charakteristischem Flow und Rapstil harmonieren einfach kaum miteinander. Darüber hinaus führt die Mischung der völlig unterschiedlichen Produzenten zu einem inkonsistenten Hörerlebnis, das den Eindruck erweckt, als würde man eine Zusammenstellung verschiedener Alben hören. Der rote Faden, den "Pray For Paris" so grandios umgesetzt hat, fehlt hier einfach.

Trackliste

  1. 1. FLYGOD DiD
  2. 2. Mamas PrimeTime
  3. 3. Kostas
  4. 4. 1989
  5. 5. Suicide in Selfridges
  6. 6. KITCHEN LIGHTS
  7. 7. FLYGOD 2X
  8. 8. DunnHill (feat. Rick Ross)
  9. 9. House of GLORY
  10. 10. JD Wrist
  11. 11. Disgusting
  12. 12. Chloe
  13. 13. LL BOOL GUNN
  14. 14. Babylon Bis
  15. 15. Ultra GriZelda (feat. Denzel Curry)
  16. 16. Jalen Rose
  17. 17. Steve and Jony
  18. 18. MR EVERYTHING (feat. Jeezy)
  19. 19. Freddy Js
  20. 20. The Revenge of Flip Leg
  21. 21. AND THEN YOU PRAY FOR ME

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