laut.de-Kritik

Spax fördert Rohdiamanten und Pferdeäpfel.

Review von

Gute eineinhalb Jahre nahm das Projekt "Schattenkrieger" in Anspruch. Gemeinsam mit dem Rapzine mzee.com rief Spax NoNames aller Bundesländer dazu auf, eigene Tracks zu schicken. Aus den über 250 Einsendungen wählte man anschließend 19 aus - die glücklichen Gewinner wurden von dem Hannoveraner Urgestein persönlich gefeatured. Jetzt gibt es die Ergebnisse auf Patte zu bewundern.

Das Konzept riecht zwar etwas streng nach Casting, die Intention allerdings könnte unterschiedlicher kaum sein, wie Spax persönliche Ansage auf dem Cover klarmacht: "Das hier ist Hip Hop. Dieses Album zeigt mein Verständnis, mein Ideal der Hip Hop-Kultur. Es zeigt eine andere Seite von Hip Hop als die, die in den Medien momentan gezeigt wird". Gerade der letzte Satz, ein Appell an den Kritikerstolz, ist natürlich eine nicht sehr subtile Promomasche, aber sie funktioniert: "Schattenkrieger" muss sich einer besonders intensiven Betrachtung unterziehen.

Äußerst smooth kommt der Opener daher. Der Titel "Ich Schreibe" verrät, was man von dem Track zu erwarten hat. Hip Hop als Gefühlsfilter und Selbsttherapie, diese Thematik ist altbekannt. Etwas interessanter wirkt da schon "Schattenkrieger", das mit seiner zuckersüßen R'n'B-Hookline den Werdegang eines Serienkillers beschreibt. Sehr kontrovers ist das Beatlefield-Stück: Zwar überzeugt der Plastikbeat von Stickle und Chakuza, und auch die Reime fließen so weit ganz gut, nur: Wie kann Spax all diese Anglizismen und die roughe Battleattitüde mit dem Anspruch vereinbaren, sich von "der Verrohung und der Niveaulosigkeit deutschsprachiger Rap-Alben" zu differenzieren?

LuCrys "Wind Der Veränderung" entpuppt sich als komplette Enttäuschung. Es sind nicht nur die nichtssagenden Phrasen, die der Rapper benutzt, und der eintönige Beat, die übel aufstoßen. Angesichts seiner Reimkünste und besonders seines suboptimalen Rhythmusgefühls stellt sich die Frage, ob die Attribute "Underground" und "Pseudomoralisch" alleine schon ausreichen, um von Spax als Alternative zu Aggro-Rap präsentiert zu werden. Gegenteiliges beweist Cross-N-Delicious mit dem folgenden "Leben Lassen". Hier muss sich Spax schon bemühen, dem jungen Essener technisch ebenbürtig zu bleiben. Einen durchwegs positiven Eindruck hinterlassen auch Profilbeats und Drehmoment, die dem Album mit "Nein!" seinen ersten Höhepunkt bescheren.

Donato und Screwaholic zeigen sich in Text und Musik so depressiv wie Stress&Trauma. Emorap, sauber und ehrlich vorgetragen - das kann man so lassen. Der Track von Blazecut & Schaman bewegt sich auf ähnlichen Pfaden, ohne jedoch bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Die Tübinger Formation Lichtaloh verwurstet Santana-Gitarrenläufe, muss aber noch verstärkt am eigenen Style arbeiten. Bisher ist das absolut nichts Besonderes. Im Gegensatz zum Beitrag von La Chambre. "Fool" klingt wie das Intro einer älteren Wu Tang-Scheibe. Toller Beat, toller Reimfluss - man kann sich deutlich schlechtere Vorbilder suchen.

Fratelli wurden wohl als Quotenschweizer ins Boot geholt, an ihrem Talent kann es kaum liegen. Auch bei den Eidgenossen muss man inzwischen mehr bieten als langweilige Beats und stumpfe Doppelreime, um sich aus der grauen Masse hervorzuheben. Technisch präsentiert sich der Folgetrack zwar deutlich besser, aber was ist das bitte für ein Inhalt? Wenn jemand wie Sucuk Ufuk seinen Weg "vom Nobody zum Superstar" Revue passieren lässt, wirkt das wie eine abgekupferte Plattitüde. Wie wäre es mit etwas eigenem? 7 Inch bastelt für "Sonnenlicht" den besten, da phantasieanregendsten Beat der Scheibe. Die Instrumentals zeichnen ein spielerisch ein Bild der Natur, der Text schmiegt sich eng daran an. Auch Sänger Nelson verkauft sich deutlich besser als bei der letzten Spax-Collabo auf dem "Schwarzes Gold"-Sampler.

Den ersten Text überhaupt, der der selbstbewussten Ansage auf dem Cover gerecht wird, steuern Morten und Spax mit dem ebenso visionären wie kritischen "Fragen" bei. Wo die Kollegen zu oft in Schulmädchenlyrik abgleiten, scheint dieser Titel in einem völlig anderen Licht. Durchdacht, intelligent, ansprechend. Die kritische Attitüde bleibt auch bei Salihs "Hass&Leid" erhalten, einem der besseren Tracks der Scheibe, obwohl der Style des Rappers gewöhnungsbedürftig ist. Richtig macht es Jimmy Spliff: Funky Beat, Top Flow, Thematik mit aktuellem Bezug und ein ähnlich interessantes Reimschema wie Justus Jonas. "Don't Hate" ist auf jeden Fall der Hauptgewinner dieses Sammelsuriums.

Das Niveau der Scheibe geht zum Ende hin tendenziell auf jeden Fall nach oben. Ob Kerosin mit Spax ein astreines Doppelpassspiel abliefert oder Subkultur uns einen "Virus" injizieren, der "süchtiger macht als Rakim und Truth Hurts", hier gibt es absolut nichts zu meckern. Die Kalte Fusion lässt mit "Independent" noch einmal die goldenen Firma-Zeiten aufleben und spricht so würdige Schlussworte.

Spax hat für dieses Projekt tief in den Untergrund gebohrt und einige Rohdiamanten empor gehievt. Doch längst nicht alles, was der Hannoveraner als Gold verkaufen will, glänzt auch dementsprechend. Um bei dem Vergleich zu bleiben: Neben den Edelsteinen kommt ein großer Haufen versteinerter Pferdeäpfel mit ans Tageslicht. Viele der vertretenen MCs sind mit dem Prädikat "Mittelmaß" noch gut bedient, die Aufnahme für eine professionelle Platte überfordert ihr Potenzial hörbar. Nichtsdestotrotz wurde mit "Schattenkrieger" ein interessantes Stück Hip Hop geschaffen, das man alleine des Grundgedankens wegen schon supporten kann.

Trackliste

  1. 1. Ich Schreibe
  2. 2. Schattenkrieger
  3. 3. Du Hast Es Nicht
  4. 4. Wind Der Veränderung
  5. 5. Leben Lassen
  6. 6. Nein!
  7. 7. Bitter
  8. 8. Letzte Grenze
  9. 9. Kopf Hoch!
  10. 10. Fool
  11. 11. Träume
  12. 12. Superstar (ich Hab Einen Traum)
  13. 13. Sonnenlicht
  14. 14. Fragen
  15. 15. Hass Und Leid
  16. 16. Don't Hate
  17. 17. Manchmal
  18. 18. Virus
  19. 19. Independent

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