laut.de-Kritik
Verachtung für Internet-Rambos, Untergrund-Romantik und Rap-Ghostwriter.
Review von Dominik Lippe"Das ist kein Album, das hier ist ein schwerer Verlauf. Drück auf Play und ich rege mich auf." Audio88 watet knietief durch Gift und Galle. Fünf Jahre nach seinem letzten Werk "Sternzeichen Hass" fasst er alle Songs, die er "seit dem ersten Lockdown aufgenommen habe, um nicht völlig durchzudrehen", zu einem missmutigen Rundumschlag zusammen. Schon die dystopische Atmosphäre von "Schwerer Verlauf" zeugt davon, dass die Pandemie seinem Menschenbild abträglich war. "Echte Deutsche für mich Leute, die zum Arzt gehen für Attest, dass sie keine Maske tragen müssen, während einer Pest."
"Zwei Millionen Dullis, jeder Einzelne besonders. Fast könnte man meinen, jeder von ihn' droppt bald 'Donda'", hält er in "Gottkomplex" einen Sicherheitsabstand zur Masse, die sich in "Lust Auf Kampfsport" auch mit dem christlichen Menschenbild kaum zähmen lässt: "Hältst du die andere Wange hin, dann brechen sie dir deinen Kiefer." Ebenso skeptisch beäugt er die weltlichen Vertreter. "Andi Scheuer kann ruhig schlafen und das nur, weil man ihn lässt. Denn Korrupte in die Pflicht zu nehmen, ist gegen das Gesetz", attackiert er den Ex-Minister, bevor es gegen Friedrich Merz und Julia Klöckner geht.
So sehr die potente Produktion von "Lust Auf Kampfsport" klingt, als trete der Rapper zum großen Gefecht an, verrät sein Text doch, dass er längst kapituliert hat. "Die Welt geht vor die Hunde, also filmt man sich mit Katzenfilter", fasst er resignierend die Ablenkungen von Krieg und hohen Gaspreisen sowie kurz-, mittel- und langfristig fehlenden Perspektiven zusammen. Die Fassung zerbröselt zu den druckvollen Beat-Wechseln von "Zimmermann": "Dacht', wenn ich mal alt bin, leb' ich sicher auf dem Mond. Heute denk' ich, in 'n paar Jahren, da sind wir schon lange tot!"
Weicheren Zielen widmet sich Audio88 in "Schlafmittel". "Ich bin gar nicht so gut und das ist mir auch bewusst. Es ist nur leicht zu glänzen neben eurem Sound aus Schmutz", watscht er seine Konkurrenz zur Horrorfilm-Ästhetik ab. Internet-Rambos im Eigenheim bekommen ebenso seine Verachtung ab wie "Langzeitstudenten-Rap" oder die welken Wegbereiter der Szene: "Ich fall' unangenehm auf, als wär' ich 'MFG' von Fantas oder Nico Suave auf dem Boot bei Samys 'Unplugged'." Arg selbstgerecht fällt das von ihm selbst produzierte "Taube" aus, das witzlos Rap als Kunstform generell abwertet.
Konkretere Kritik à la "Perfekt" überzeugt da schon eher. "In zwei Wochen droppt mein Eistee, schmeckt wie die anderen klebrig. Und nächstes Jahr kommt dann mein Mittel gegen Diabetes", visiert er die Marketingmethoden hiesiger Künstlerinnen und Künstler an, die auch nicht vor unheiligen Allianzen mit Social-Media-Phänomenen zurückschrecken: "Deutscher Rap wird verfilmt - großer Auftritt für Kai Pflaume." Auch Untergrund-Romantik, männliche Ghostwriter gehypter Rapperinnen und Kollegen, die sich live selbst mit breiter Unterstützung überfordert zeigen, überschüttet er mit Pech.
"Acht Dullis auf der Bühne - trotzdem halbes Playback." Dass Rap als Gruppenarbeit schlecht funktioniert, beweist Audio88 dann gleich selbst. Je mehr würdige Kollegen er um sich versammelt, desto mehr verliert "Schwerer Verlauf" an Schärfe. Für "Mannequin" ziehen Yassin und die Argonautiks gehörig an der Handbremse. Statt sich gegenseitig anzuheizen, rappen sich mit Shogoon, Mädness und Yassin drei ungewohnt schläfrige Vokalisten durch das noch schwerfälligere Instrumental von "Metronom". Selbst die auf "Todesliste" noch selbsterklärte "beste Band der Welt" funktioniert nicht.
"Steh' selbst nicht so auf Saxophon. Und weißt du, was ich mach'? Hör mir halt keins an", beteuert Audio88 in "Taube", um angesteckt von Yassins Musikalität das Blasinstrument in "Dünnes Eis" minutenlang erklingen zu lassen. Die schon zu "Herrengedecke"-Zeiten kultivierte nihilistische Haltung, die Widersprüche befördert und Interpretationen erschwert, grenzt nun an völlige Beliebigkeit. Vielleicht ist es aber auch gerade jene, die er zu seinem Markenkern erheben möchte, wie es "Gar Nicht Mal So Gut" nahelegt: "Du suchst Ordnung in mein' Texten, ich such' Ordnung in der Welt."
7 Kommentare mit 3 Antworten
"Ich fall' unangenehm auf, als wär' ich 'MFG' von Fantas oder Nico Suave auf dem Boot bei Samys 'Unplugged'."
Armer Suave!
War aber wirklich peinlich... Du hattest EINE Aufgabe... Wobei die gesamte Cypher den Namen nicht verdient hat.
zu welchem anlaß sollte ich mir sowas anhören ?klar zu beginn von Audio haben wir ihn angehimmelt als gegenpol zu gangsta rap/inzwischen ist das ganze einfach ermüdend und phrasenmässig auch nur auf einem leicht erhöhtem iq level
Audio ist hier so ziemlich in Höchstform, die Beats sind saftig. Verstehe ich nicht ganz, wie man hier den Inhalt so sehr in den Vordergrund schiebt und mangelnde Entwicklung vorwirft. Halt doch einfach die Schnauze und genieß die Misanthropie
Review von Dominik Lippe
Der Ticktocker spricht wahr, so pointiert war Audio lange nicht mehr unterwegs und die Instrumentals knallen schön düster.
Klar, die Texte stehen bei Audio mehr im Fokus als alles andere, aber Audio wird jeder noch so kleine lyrische Fehltritt um die Ohren gehauen (wie auch bei Disastar), während andere Rapper gefühlt jeden noch so hirntoten Schwachsinn labern können und mindestens die gleiche Wertung bekommen (Kasimir...)
Audio88 so misanthropisch wie eh und je, gute Beatauswahl, textlich auch top. 5/5
Die features sind wirklich unnötig bis störend (lasst doch bitte endlich mal diesen Mädness daheim), ansonsten spittet Audio angenehm hasserfüllt, an einem Tag wie heute Balsam für die Seele; alleine für die Andi Scheuer-line 5/5.
wtf, das ist eins der besten audioreleases seit...? 5/5. Raffe die Wertung nicht.