laut.de-Biographie
Beastie Boys
Oh Gott, weiße Jungs produzieren Hip Hop. No Chance. So oder so ähnlich muss die Öffentlichkeit geurteilt haben, als die Beastie Boys im November 1986 vorerst nur die USA mit ihrem Debütalbum "Licensed To Ill" beglückten. Doch gleich mit ersten Songs wie "No Sleep Till Brooklyn" oder "You Gotta Fight For Your Right" stopfen Mike D (Mike Diamond), MCA (Adam Yauch), Ad Rock (Adam Horovitz) und der immer mal wieder als inoffizieller und vierter Beastie Boy gehandelte Money Mark (Mark Ramos Nishita) ihren Kritikern erst mal kräftig das Maul.
1981 gegründet, geht es auf MCAs Geburtstagsparty als Punkband und mit fünf Mitgliedern los. Gigs u.a. im CBGBs sowie eine erste Single auf Ratcage folgen. Als Kate Schellenbach an den Drums (später Luscious Jackson) und Gitarrist John Berry die Crew 1983 verlassen, stößt Horovitz zur Band. Mit ihm an der Gitarre und der Single "Cookie Pass" deutet sich erstmals die Stilerweiterung in Richtung Hip Hop an. Der Track sorgt in New York für so viel Aufsehen, dass die Beastie Boys Punk und Hardcore erst mal an den Nagel hängen.
1984 treffen die Mannen aus Brooklyn, New York auf Rick Rubin, der ihr Potential erkennt, sie ein Jahr später für sein junges Label Def Jam signt und auf Tourneen von Stars wie Madonna und Run DMC("Raisin' Hell"-Tour) unterbringt. Damit steht die Tür zur großen weiten Popwelt erstmals offen. Mit Rubin wird die Idee entwickelt, die Beasties mit partytauglichen rauen Beats, Hardrock-Riffs, Raps und schrägem Image in Stellung zu bringen: "Licensed To Ill" wird zum ersten Rap-Album, das auf eins der US-Charts einschlägt. Kritik für den überdrehten und anstößigen Mix hagelt es von allen Seiten.
Der Soundkuchen der Beastie Boys - Hip Hop-Beats verquickt mit ein paar wenigen Elementen aus dem Rockbereich, einer Riesenpackung Samples und fiesen Scratches - trifft irgendwie genau den Nerv der von den Soft-Pop-Auswüchsen Ende der 80er so tierisch genervten Musikkonsumenten. Allen voran die frühjugendlichen Ansichten über Sex und die Welt, die die Beastie-Raps anfangs dominieren, sind das, was die junge Klientel begeistert. Auf der Albumtour 1987 wandern die Beasties, die alle drei aus gutbürgerlichem, jüdischem Umfeld stammen, dafür zum Teil gar in den Knast. In diese Zeit fällt der Wille zum Imagewechsel.
Mit dem Release von "Paul's Boutique" (1989, von The Dust Brothers produziert) gibts jedoch plötzlich satte, psychedelische, funky Grooves und jede Menge Samples anstelle flacher Pubertätslyrik, weshalb das Album von der Plattenfirma als "Flop" deklariert wird, und auch die Fans der ersten Stunde erkennen ihre Band nicht wieder. Zuvor brechen die Beasties Boys im bitteren Streit mit Def Jam/Rubin und ziehen nach Los Angeles respektive Capitiol Records um. Mittlerweile hat sich "Pauls Boutique" zwar ordentlich verkauft und gilt als wegweisendes Album der Beasties.
In L.A. gründet das Trio ein eigenes Label, Grand Royal, das nicht nur in Sachen Musik, sondern auch Lifestyle - mit eigenem Magazin - stilprägend wird (anno 2001 aber wegen nicht kostendeckender Arbeit eingestellt wird). Dort erscheint "Check Your Head" mit seinen gediegenen Laid Back-Grooves aus Funk und Jazz-Gefilden (die Beasties sitzen selbst an den Instrumenten bzw. drehen ihre Jams durch den elektronischen Wolf) sowie rauen und hitverdächtigen Singles à la "So What'Cha Want" und "Pass The Mic". Der Drittling katapultiert die Band (Mike D greift für die Aufnahmen oft zu den Drumsticks, Yauch zum Bass und Ad-Rock zur Gitarre, Money Mark bedient die Keys) zurück ins Rampenlicht, etabliert sie endgültig als erntzunehmender Act - auch und gerade in Alternative-Fankreisen.
Als einen der größten Erfolge der Band, mittlerweile auch bekannt als tatkräftige Unterstützer der tibetanischen Demokratie-Bewegung (von 1996 bis 2004 stellen die Beasties einige riesige Open-Airs, zum Teil an mehreren Orten gleichzeitig, mit zahlreichen Rock-Größen auf die Beine, um auf die Problematik aufmerksam zu machen), kann man wohl den 1994er-Track "Sabotage" bezeichnen.
Der Ausnahmesong bekommt einen standesgemäß lässigen Videoclip auf den Pelz geschneidert, in dem die Beasties den Style der 70er in die Coolness der 90er verwandeln. Das dazugehörige Album "Ill Communication" und die zweite Single "Sure Shot" brechen alle Rekord-Barrieren und werden trotz seiner zuweilen roughen, teils punkigen Gangart auch für den Mainstream verdaulich.
Im selben Jahr veröffentlichen die Boys noch mit "Some Old Bullshit" frühe Punk-Aufnahmen. 1995 folgt mit demselben Zungenschlag der elfminütige Independent-Release "Aglio E Oglio, während sich "The In Sound From Way Out!" 1996 als Ansammlung instrumentaler jazz-, soul- und funkinspirierter Tunes präsentiert.
Erst 1998, die Beasties leben mittlerweile wieder öfter in New York, erscheint das heiß erwartete "Hello Nasty"-Album mit der Single "Intergalactic". Noch immer klingen die New Yorker wie keine andere Hip Hop-Combo und ihre Videos sind nach wie vor unnachahmlich. Während Dub-Altmeister Lee "Scratch" Perry auf einem Albumtrack mitwirkt, liefert Fatboy Slim einen ziemlich galanten Remix zu "Body Movin'".
Kein Wunder, dass ihre Welttournee 1998, auf der hierzulande die Absoluten Beginner eröffnen dürfen, ein weiterer Erfolg wird: Die Beasties gehen mit einer drehbaren 360-Grad-Bühne inmitten des Publikums. Zu Beginn der Tour werden Livetracks zum kostenfreien Download bereit gestellt, was zu einem heftigen Disput mit Capitol führt. Seit 1998 steht auch regelmäßig DJ-Weltmeister Mix Master Mike hinter den Beastie-Turntables (im Studio und auf der Bühne)
Und obwohl die Jungs ihre erste Platte zuweilen als Jugendsünde ansehen, ist auf der 1999 erscheinenden Werkschau "The Sounds Of Science" auch "Fight For Your Right" sowie der brandneue Song "Alive" enthalten. Anschließend verfolgt das Trio wieder eigene Projekte. Ad Rock geht mit seiner Nebenbeschäftigung BS 2000 an den Start ("Simply Mortified") und steht auch in Europa auf der Bühne. Von seiner Hauptband erscheint unterdessen die höchst umfangreiche und sehenswerte Doppel-DVD "Anthology" (2002). Die dazugehörige Tour muss aufgrund eines schweren Bike-Unfalls von Mike D ausfallen.
Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 richten die Boys ein Benefizkonzert aus. 2002 errichten sie in NYC das bandeigene Oscilloscope-Studio und beziehen ein Jahr später mit dem Gratis-Onlinetrack "In A World Gone mad" gegen den Irakkrieg Stellung. Als Vorbote schickt das Trio die Single "Ch-Check It Out" ins Rennen, bis im Juni der Longplayer "To The 5 Boroughs" erscheint.
Wie der Titel verrät, handelt es sich um ein Bekenntnis der drei zu ihrer Heimat, ist die Stadt am Hudson River doch in fünf Distrikte eingeteilt. Soundtechnisch orientieren sich die B-Boys wieder an der Old School, heben sie mit futuristischen Sounds und dicken Bässen aber ins neue Jahrtausend. Nach knapp 25 Jahren im Musikgeschäft geht es auf einer Beasties-Best Of zu wie auf einem ihrer Live-Gigs: ein Gassenhauer jagt den nächsten.
Apropos Live-Gigs, bei der "To The 5 Boroughs"-Touretappe in New York reichten die Jungs 50 Handkameras ins Publikum weiter, natürlich nur mit den besten Absichten. Nicht, um die glücklichen Fans damit zu beschenken, sondern um die filmischen Ergebnisse in einen Film zu verweben.
"Awesome: I F**kin' Shot That" heißt der Titel der daraus entstandenen Konzertdokumentation, die 2006 zunächst auf Filmfestivals, dann in ausgewählten Kinosälen weltweit exklusiv aufgeführt wird. Natürlich findet das Ergebnis anschließend auch seinen Weg in die DVD-Regale. Regisseur des Multimedia-Spaßes ist übrigens Nathaniel Hornblower, besser bekannt als Adam Yauch.
Anfang März 2007 kündigen die New Yorker die neue Studioplatte "The Mix-Up" an, die Ende Juni als erstes Full Length-Instrumentallongplayer der Band erscheint. Die Platte knüpft zwar nicht an alte Verkaufserfolge an, staubt dafür einen Grammy ab.
Im Juli 2009 gibt MCA per Videobotschaft bekannt, dass er an Ohrspeicheldrüsenkrebs im frühen Stadium erkrankt ist, die Veröffentlichung des achten Studioalbums namens "Hot Sauce Committee Part One" verzögert sich nun, auch Headliner-Gigs werden gecancelt. Dafür kommen digitally remasterte Deluxe-Versionen von "Paul's Boutique", "Check Your Head", "Ill Communication" und "Hello Nasty" in die Läden.
Die in "Hot Sauce Committee Part Two" umbenannte Scheibe folgt erst im Mai 2011, Santigold und Nas geben sich als Gastvokalisten die Ehre. Der wieder genesene MCA führt zudem Regie beim halbstündigen und wahnwitzigen Youtube-Filmchen "Fight For Your Right (Revisited)", das zu einem wahren Hollywood-Schaulaufen zu Ehren der Beasties gerät.
Über 40 Millionen verkaufter Alben weltweit, vier Nummer eins-Alben in den US-Charts, zahlreiche Auszeichnungen (Video Awards etc.) sowie drei Grammys stehen mittlerweile auf der Habenseite der Boys. Für einen der am längsten aktiven Hip Hop (and much more music)-Acts kanns 2012 nur eines geben: Einlass in die Rock and Roll Hall of Fame.
MCA fehlt bei den Feierlichkeiten - Mike D und Ad-Rock verlesen einen Dankesbrief des dritten Beasties. Gut zweieinhalb Wochen später folgt die Nachricht, die keiner hören will: Adam Yauch hat den Kampf gegen den Krebs am 4. Mai 2012 verloren. Er stirbt im Kreise seiner Familie in einem Krankenhaus in Manhattan. Mit seinem Tod ist eine der Bands Geschichte, die die alternative Popkultur des ausgehenden 20. Jahrhunderts prägten.
Im Folgejahr macht die Nachricht die Runde, dass Adam Horovitz und Michael Diamond sich entschieden haben, 2015 eine Autobiographie über ihre Band zu veröffentlichen. Lange bleibt es bei dieser Information, 2015 meldet sich Mike dann gezwungenermaßen wieder zu Wort: "Das Buch vor 2017 in den Handel zu bringen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Man wird mich für diese Aussage steinigen, aber ich will nur ehrlich sein."
Und er behält Recht: Im November 2018 ist es schließlich soweit. Das simpel "Beastie Boys Buch" betitelte Werk fasst 542 Seiten und erzählt die Geschichte dieser besonderen New Yorker Band, ergänzt von Gastbeiträgen, darunter Filmemacher Wes Anderson, Spike Jonze und die Schriftsteller Colson Whitehead und Jonathan Lethem. Was die Form angeht handele es sich um eine kaleidoskopische Struktur aus Text und Bild und sei daher nicht mit herkömmlichen Rock-Biographien der Sorte Keith Richards oder Eric Clapton vergleichbar.
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