laut.de-Kritik

Fast wie beim Eurovision Song Contest.

Review von

Es hat einen kurzen Moment gedauert, bis ich verstanden hatte, was für ein Armutszeugnis man mit "Blondie 4(0)-ever: Greatest Hits Deluxe Redux / Ghosts Of Download" in der Hand hält. Es handelt sich nicht etwa um eine weitere lieblos zusammengeflickte Best Of zum vierzigsten Geburtstag der Band. Die Realität könnte kaum schlimmer und trauriger aussehen.

Im Schatten dieser Kompilation versteckt sich ihr zehntes Studio-Album "Ghosts Of Download", das man nur zusammen mit "Greatest Hits Deluxe Redux" kaufen kann. Wie steht es um das Selbstvertrauen einer einst innovativen Band und ihrer Plattenfirma, wenn sie ihren neusten Longplayer schon nur noch als Beiwerk vermarkten?

Für "Greatest Hits Deluxe Redux" spielten Blondie, nicht zuletzt aus rechtlichen und finanziellen Gründen, zehn ihrer größten Hits neu ein. Nur "Maria" bleibt in seiner ursprünglichen Version erhalten. Die Band spricht von einigen Überraschungen im Vertrauten, doch nach diesen muss man schon gezielt suchen.

In keinster Weise wissen die legendären New Yorker ihren eigenen Songs neues Leben einzuhauchen. Weder geben sie ihnen eine neue Perspektive, noch haben sie etwas Interessantes zu erzählen. Lieblos spielen sie ihre alten Hits runter, und die einzige Neuerung auf dieser unwürdigen Karaoke-Party bleibt Deborah Harrys deutlich gealterte Stimme.

Doch selbst diese seelenlosen Neuaufnahmen zeigen im Vergleich zu "Ghosts Of Download" deutlich, wie sehr die Vergangenheit Blondies Gegenwart überstrahlt. Nichts mehr mit "Tonight make it magnificent". Lasst es mich ganz deutlich machen: Die zuletzt von mir besprochenen "Bangerz" von Miley Cyrus, "Britney" von Britney Spears und auch Lady Gagas "Artpop" versprühen mehr Charme, Energie und Herzblut als diese glanzlose Produktion.

Die Eiseskälte von "Heart Of Glass", die Vehemenz von "Atomic" oder die Coolness von "Rapture" weichen fischblütiger Massenware. Bei diesem uninspirierten Potpourri aus Pop, Reggae, Latin, Euro-Dance und Disco kommt man sich nicht selten wie beim Eurovision Song Contest vor, nur das die dortigen Beiträge nicht so einen langen Bart haben.

Am deutlichsten stechen die Gastbeiträge von Systema Solar, Miss Guy, Los Rakas und Beth Ditto hervor. Der klitzekleine Ohrwurm "A Rose By Any Name" mutet mit seinem Achtziger-Beat dann auch eher wie eine Gossip B-Seite an, auf die sich Deborah Harry versehentlich verirrt hat und schnell ins Hintertreffen gerät. Zumindest bietet uns der Track die wohl schönste Textzeile der Platte. "If you're a boy or if you're a girl / I love you just the same / Wherever you go, all over the world / A rose by any name."

Im weiteren Verlauf vergreifen sich Blondie am Frankie Goes To Hollywood-Klassiker "Relax". "Ich hatte das Original rauf- und runter gehört und schlug vor, es live zu spielen. Ich mochte es so sehr und hatte noch nie ein Cover davon gehört", erklärt Chris Stein. Mit ihrer Version verdeutlichen sie eindrucksvoll, warum dem so war und warum dies bitte auch so bleiben sollte.

Fest gemauert in das Jahr 1983 lebt das Stück nicht zuletzt von seiner Trevor Horn-Produktion. Wenn man bis auf ein aufgeblähtes und im Piano-Kitsch ertrinkendes Intro nichts weiteres hinzuzufügen hat und nach drei Minuten in eine billige Kopie der Vorlage übergeht, sollte man sich nicht daran vergreifen.

Zwar scheinen in "I Screwed Up" und dem aufdringlichen "Winter" Harrys und Steins Gespür für mitreißende Melodien durch, deren schludrige Verarbeitung begräbt aber schnell jeglichen Pulsschlag. So klingt "Sugar On The Side" mit Systema Solar, Quetschkommode und stumpfsinnigen Keyboard-Passagen wie ein schlechter Ace Of Base-Song. In "Mile High" fehlt letztendlich nur noch ein Feature des radschlagenden DJ Bobos, um das Stück endgültig im Euro-Dance-Sumpf zu versenken.

"Street Lights shining through the window / You're playing Nintendo / But i wanna go oh oh go out tonight.", singt Harry in "Make A Way". Bub, sitz nicht so lange vor dem Fernseher, Mami will endlich rausgehen und Party machen. Außerdem bekommst du nur viereckige Augen.

Verzweifelt versuchen Blondie auf "Ghosts Of Download" mit einem unausgegorenen Sammelsurium der beste Freund ihrer Kinder zu sein. Aber für diese Rolle brauchen wir sie nicht. Wir brauchen sie als unsere Eltern.

Trackliste

Greatest Hits Deluxe Redux

  1. 1. Heart Of Glass (2014 Version)
  2. 2. Dreaming (2014 Version)
  3. 3. The Tide is High (2014 Version)
  4. 4. Maria
  5. 5. Sunday Girl (2014 Version)
  6. 6. Hanging On The Telephone (2014 Version)
  7. 7. Rapture (2014 Version)
  8. 8. One Way Or Another (2014 Version)
  9. 9. Call Me (2014 Version)
  10. 10. Atomic (2014 Version)
  11. 11. Rip Her To Shreds (2014 Version)

Ghosts Of Download

  1. 1. Sugar On The Side ft. Systema Solar
  2. 2. Rave ft. Miss Guy
  3. 3. A Rose By Any Name ft. Beth Ditto
  4. 4. Winter
  5. 5. I Want To Drag You Around
  6. 6. I Screwed Up
  7. 7. Relax
  8. 8. Take Me In The Night
  9. 9. Make A Way
  10. 10. Mile High
  11. 11. Euphoria
  12. 12. Take It Back
  13. 13. Backroom

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7 Kommentare mit 12 Antworten

  • Vor 10 Jahren

    Anscheinend ein weiteres Beispiel von "was sollen sie sonst im Alter machen" was bei Pop Bands ungefähr hundertmal tragischer enden kann und enden wird, wenn man 20 Jahre Pause gemacht hat und nur des Geldes wegen wieder zurückkommt und folglich rein gar nichts zu sagen hat. Schade, denn das war mal eine richtig geile Band.

    • Vor 10 Jahren

      Tja, die Kundschaft wurde älter und meist vermögender. Da greift man eben nochmals zu - machen doch alle so. Kann man das dem Künstler verübeln - außer Lemmy, der ja immer das Lied des ehrlichen Künstlers anstimmt, aber einer der geilgeilsten Schlampen im Business ist (liegt wohl an der Whiskey getränkten Warze). Blondie hatten einige Mega-Hits, die sich wirklich musikalisch differenzieren. Sowas gab und gibt es selten. Somit geht das schon klar, die Demontage im hohen Alter ist das nicht.

    • Vor 10 Jahren

      Ich nehme an, du meinst 'geldgeil'. Kannst du das ein bisschen näher erläutern?

    • Vor 10 Jahren

      Ich glaube er meinte wirklich geilgeilsten, jedenfalls würde das gut zu Lemmy passen oder? :)

  • Vor 10 Jahren

    Aus der Rezension spricht der Jugendwahn. Leute über 40 sollen sich bitte schön auf ihr Altenteil zurückziehen und nichts Neues mehr machen. Dass viele Menschen, egal wie alt sie sind, sich für aktuelle Musik interessieren und diese auch spielen möchen, wird nicht akzeptiert und respektiert. Dass, selbst wenn das Gesicht gealtert ist und die Stimme reifer klingt, das in dem Falle musikalische Herz noch jung ist, will keiner anerkennen. Ich persönlich finde, dass das Album sehr frisch, vielfältig und sympathisch klingt und freue mich noch auf viele neue Songs von Blondie. Ja, auch die Eltern wollen Party machen, Spaß haben - ihre spießigen Kinder können ja gerne zuhause bleiben

  • Vor 10 Jahren

    So unter aller Sau finde ich das Album nicht. Okay, es mag etwas zusammengefrickelt wirken. Wenigstens waren die Beteiligten mutig genug, ihr (verrücktes) Ding durchzuziehen, anstatt mit "hippen" Produzenten irgendwelchen Trends nachzulaufen.
    Also für mich sieht Jugendwahn anders aus. Ich denke dabei eher: die wollen sich selbst erst feiern (Hits) und dann eine bunte Musikmischung anbieten.

  • Vor 10 Jahren

    So ne shit Kritik!He Sven???Oder wie der wicht heist da bist voll neben deinen Latschen warscheinlich bist so 75 oder mer??Blondie as good as ever...sagenhafte Stimme! Wier lieben dich!

  • Vor 9 Jahren

    Frage mich, hat der Kritiker die Lieder wirklich (gerne auch mehrmals) gehört?
    So eine undifferenzierte, unsachliche Kritik geht vollkommen an der Sache vorbei.
    Hätte die Band die alten Hits vollkommen neu interpretiert, wäre die Kritik demnach "das man vom ursprünglichen Song/der ursprüngliche Idee" nichts mehr erkennen kann.
    So ist das halt mit den sog. Kritikern, es sind und bleiben subjektive Meinungen. Warum gerade diese Menschen sich einbilden, über etwas urteilen zu können, wird mir immer ein Rätsel bleiben...

    • Vor 9 Jahren

      Das ist typisch für die Sog-Kritiker.

      Es saugt und bläst der Heinzelmann, wo Kabelitz nur blasen kann.

    • Vor 9 Jahren

      Wer hat dir denn diesen Käse mit der subjektiven Meinung beigebracht? Rezessionen haben immer noch objektiv zu sein und diese hier, verfasst von einem halbseidenen Schreiberling wie dem Kabelitz verfehlt dieses Kriterium völlig.

      Auf laut.de ist man ja aber auch schon gar nix anderes mehr gewohnt. Das jetzt allerdings nicht mehr nur deutschsprachige Musik, sondern auch solche Künstler die sich nach deutschen Schäferhunden benannt haben, prinzipiell verissen werden ist einfach abscheulich.

      Pfui Teufel kann ich da nur sagen!

    • Vor 9 Jahren

      Auch den Kabelwitz wird das Schwert der Rechtschaffenden noch ereilen. Mehr muss ich dazu nicht mehr sagen. Höchstens das, was Morpho sa(u)gt.

    • Vor 9 Jahren

      Das Schwert der RechtGLÄUBIGEN, Allah!

      Rechtschaffend ist Onkel Hubert wenn er den Gehweg kehrt!

    • Vor 9 Jahren

      Während die einen noch glauben, schaffen die anderen schon. Whut, whut!

  • Vor 9 Jahren

    ich finde diese Best of + neues Album eine gute Idee

    zwar finde ich es ärgerlich, dass die songs alle neu eingesungen worden sind. Traurig und lächerlich aber andererseits ein Dankeschön und eine gute Einführung in das Repertoire der Band

    MARIA in der Originalversion erhalten. Sehr gut !