Porträt

laut.de-Biographie

Devo

Allein schon ihr Name ist eine Provokation. Devo steht für De-Evolution und bezeichnet nach Meinung der fünf streitbaren Musiker den Zustand, in dem sich die amerikanische Gesellschaft seit den späten 60er Jahren befindet. Mit bissigen Texten und schrägem Elektronik-Punk-Pop halten Devo ihren Landsleuten schonungslos den Spiegel vor. Ihrer Popularität tut dies keinen Abbruch. Devo schaffen den Sprung in die Charts mühelos und werden für eine ganze Generation von Musikern und Künstlern zu hochverehrten Pionieren.

Devo: Gitarrist Bob Casale ist tot
Devo Gitarrist Bob Casale ist tot
Bob Casale, Gründungsmitglied der Postpunk-Vorreiter Devo und Filmkomponist, ist im Alter von 61 Jahren gestorben.
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1972 gründen die beiden Studenten Jerry Casale und Mark Mothersbaugh Devo als direkte Reaktion auf die Studentenunruhen, die zwei Jahre zuvor Akron, Ohio in die Schlagzeilen gebracht hatten und bis heute die amerikanische Seele traumatisieren. Am 4. Mai 1970 protestieren Studenten der Kent State University gegen den Vietnam-Krieg und die von Präsident Nixon angeordnete Ausweitung der Bombardements auf Kambodscha.

Auch Casale und Mothersbaugh sind dabei, als der Gouverneur von Ohio den Einsatz der Nationalgarde gegen die protestierenden Studenten befiehlt. Die Soldaten fackeln nicht lange, schießen in den Protestzug und töten vier Studenten. Kent State wird zum Symbol für die gewalttätige Politik der US-Administration, die nicht einmal davor zurückschreckt, die eigenen Kinder zu ermorden.

Mit den Bildern des Massakers im Kopf formulieren Casale und Mothersbaugh ihre Theorie von der De-Evolution der amerikanischen Gesellschaft, transportieren diese Ideen zwei Jahre später in ihr Multi-Media-Projekt Devo, in dem Musik, Lyrik, Kabarett, Schauspielerei, Graphik-Design sowie Film- und Videokunst aufgehen. Devo verstehen sich als künstlerischen Gegenentwurf zum rigiden, kapitalistischen Herdenverhalten ihrer Mitmenschen.

Absurde Fantasie-Uniformen gehören deshalb von Beginn an zu Devo. Genauso wie der Einsatz der damals noch beinahe unbekannten Synthesizer, die sich mit bissig ironischen Texten zum Devo-Paralleluniversum verdichten. Treibende Kraft sind Casale und Mothersbough, die gleich noch ihre Brüder Gerald V. Casale (Bass) sowie Bob (Gitarre) und Jim Mothersbough (Drums) mit in die Band bringen. Jim räumt den Posten des Drummers jedoch schnell wieder und macht für Alan Myers Platz.

Mit ihrer schrägen Konzeptkunst fallen Devo im amerikanischen Untergrund nicht weiter auf. Das ändert sich erst, als sie 1976 mit ihrem Kurzfilm "The Truth About De-Evolution" beim Ann Arbor Filmfestival einen Preis gewinnen und die auf Zelluloid gebannte Theorie von Devo bei David Bowie und Iggy Pop Aufmerksamkeit erregt. Nach einem devo-esquen Verwirrspiel hat das Quintett einen Deal mit Warner Bros. und kann mit "Q: Are We Not Men? A: We Are Devo!" 1978 endlich über Albumlänge debütieren.

Der Longplayer, auf dem sich mit dem Rolling Stones-Cover "Satisfaction" sowie den Songs "Mongoloid", "Jocko Homo" und "Come Back Jonee" gleich mehrere Klassiker der Band tummeln, wird zum Blueprint für eine ganze Reihe amerikanischer New Wave-Bands. Die Gratwanderung zwischen kräftigen Punk-Riffs und synthetischen Melodien deutet an, wohin die Reise in den 80er Jahren gehen wird.

Synthie-Pop klopft mit Devo erstmals mächtig an die Pforte und führt die Band mit den nachfolgenden Alben "Duty Now For The Future" und "Freedom Of Choice" in poppige Gewässer. Die Fans machen diese Umorientierung nur zum Teil mit und wenden sich viel lieber San Franciscos Residents zu, die sich in ähnlichen Fahrwassern wie Devo bewegen, den Brückenschlag in den Mainstream jedoch nie vollzogen.

Devo - Something For Everybody
Devo Something For Everybody
Subversion 2010: Der Wunsch nach ungeteilter Zuneigung.
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Zwar behalten Devo ihren bissigen Humor bei, verpacken ihn jedoch in konsensfähige Pop-Songs, die nicht so recht mit der Botschaft ihrer Lieder harmonieren. Zudem investiert zu Beginn der 80er Jahre jede Band in Synthesizer, so dass Devo ihre Avantgarde-Funktion schnell einbüßen und zu wenig neue Ideen produzieren, um nachlegen zu können. Nach weniger inspirierten Alben Ende der 80er verlagern Devo ihre Aktivitäten in Richtung Filmproduktion und Werbung.

1996 finden Casale und Mothersbough für einige Konzerte im Rahmen von Perry Farrells Lollapalooza-Tour nochmals zusammen und werden von alten wie jungen Fans begeistert aufgenommen. Seither spielen Devo wieder regelmäßig einzelne Konzerte oder Mini-Tourneen. 2004 erscheint die schön aufgemachte DVD "The Complete Truth About De-Evolution", die aber kein neues Material beinhaltet. Gefragt, ob denn ein neues Album geplant sei, äußerten sich Mothersbough und Casale 1996 diplomatisch: "We're Not Categorically Ruling It Out."

Schlappe 13 Jahre später bringen die Ur-Mitglieder der Gruppe samt Live-Drummer Josh Freese (A Perfect Circle) tatsächlich ein neues Werk auf den Weg. Zuvor erscheint 2007 mit "Watch Us Work It" der erste neue Song nach siebzehn Jahren, den sich prompt ein Dell-Werbespot ausborgt. 2008 tritt die Gruppe erstmals seit 1978 wieder in der Heimat Akron auf, um Barack Obama zum Gewinn des Swing States Ohio zu verhelfen. Unnötig zu erwähnen: Mission geglückt.

So verwundert es nicht, dass die neu entfachte Energie in ein Studioalbum kanalisiert wird, das allerdings erst 2010 erscheint: "Something For Everybody" wird in seiner Rückbesinnung auf alte Großtaten von den Kritikern wohlwollend aufgenommen. Danach tritt die Band leider mit traurigen Nachrichten zurück an die Öffentlichkeit. Zunächst stirbt im Sommer 2013 der frühere Drummer Alan Myers an Krebs. 2014 folgt Gitarrist und Gründungsmitglied Bob Casale, der einem Herzversagen erliegt. Mit Liveauftritten rechnet danach niemand mehr.

Doch aufgrund des 50. Jahrestags der Bandgründung entschließen sich Casale und Mothersbough im Jahr 2023 sogar dazu, noch einmal die alte Welt zu beehren. "The Farewell Tour - Celebrating 50 Years" geht am 15. August in Berlins Zitadelle Spandau über die Bühne. "Whip It", "Mongoloid", "Freedom Of Choice": An der Setlist wird sich nicht allzu viel ändern seit den letzten Devo-Auftritten hierzulande im Jahr 1990. Vom schönen Comebackalbum "Something For Everybody" darf gerne auch etwas dabei sein. In jedem Fall ist der Auftritt der Helmmänner Musikgeschichte pur - erst recht, wenn man gerne tanzt und ein Faible für seltsame Outfits und abgefahrene Kopfbedeckungen hat.

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