laut.de-Kritik

Düsterer Stream of Consiousness.

Review von

Thebe Kgositsile aka Earl Sweatshirt galt schon zu Odd Future-Zeiten als talentiertester Sprössling der Crew um Tyler The Creator und Frank Ocean. Während die beiden eben genannten inzwischen veritable Stars sind, hat sich Sweatshirt mit immer sperrigeren Alben mehr und mehr eine Nische geschaffen, auf die das Licht der Öffentlichkeit eben weniger hell scheint.

Diese Entwicklung begann mit "I Don't Like Shit, I Don't Go Outside", setzte sich mit "Some Rap Songs" fort und findet nun mit "Feet Of Clay" ihren vorläufigen Höhepunkt. Überhaupt ist die EP in vielen Aspekten als Epilog zu Sweatshirts letztem Album zu sehen. Gegen Ende von "Some Rap Songs" findet sich der Track "Playing Possum", auf dem Sweatshirt die Stimmen seiner Mutter und seines Vaters übereinander legt. Das sollte ein kathartischer Moment werden, eine Versöhnung. Es kam anders: sein Vater starb, bevor das Album fertig gestellt war. Diesem Verlust schloss sich offensichtlich eine depressive Phase an, deren Produkt nun "Feet Of Clay" ist.

Soundästhetisch macht die Veröffentlichung da weiter, wo "Some Rap Songs" aufgehört hat. Von herkömmlichen Songstrukturen hat sich Sweatshirt längst emanzipiert. Bis auf "Tisk Tisk / Cookies" kommen alle Songs ohne Refrain aus, fast kein Track geht länger als zwei Minuten. Die aufs Minimum reduzierten Beats (hauptsächlich selbstproduziert, einer stammt von Alchemist einer von ovrkast) schaffen in Kombination mit den fast nachlässig gerappten Texten eine düstere Atmosphäre, in die man nur allzu gerne eintaucht. Auch parallel zu seinem letzten Album hat Sweatshirt seinen Flow inzwischen so sehr aufgelockert, dass er oft als beiläufiges Murmeln daherkommt.

In "East" macht ein jammerndes Akkordeon-Sample fast die ganze Produktion aus. Dazu rappt Sweatshirt enigmatische Zeilen, die immer wieder tief blicken lassen: "My canteen was full of the poison I need / The trip as long as steep / My innocence was lost in the East." Hier offenbart sich ein Künstler und lässt den Hörer dann doch immer wieder im Unklaren.

Jeder Track auf "Feet Of Clay" ist ein Highlight für sich, die EP ein Gesamtkunstwerk (schon "Some Rap Songs" sollte als einzelner, langer Track erscheinen, was das Label allerdings unterbunden hat). Zentral ist jedoch "OD", in dem Sweatshirt über ein bis zur Unkenntlichkeit entstelltes Horn-Sample ganz gut zusammenfasst, was diese EP ausmacht: "My noose is golden / True and livin' / Lonesome/ Pugilistic moments / Riveting / Come get to know me at my innermost / My family business anguished, now I need atonement."

Es ist erstaunlich, was für intensive Momente bei einer Delivery, die so interesselos wirkt, entstehen. Vor allem auf "Tisk Tisk / Cookies", wenn er die Zeilen "But some of 'em lost / The silliness in you, I mourn / The moments that's tender and soft / I'm in 'em, the memories got strong / But some of 'em long gone" wiederholt und dabei merklich ins Lallen gerät.

Die EP ist in ihrer Kürze von gerade einmal 15 Minuten Spielzeit unglaublich dicht. Das liegt vor allem an den Lyrics, die zufällige Beobachtungen und und offene Gefühle so anspielungsreich und so beiläufig aneinanderreihen, dass das Ganze wie ein düsterer Stream of Consciousness wirkt. Dazu trägt auch die Lo-fi-Ästhetik des Sounds bei: Mitunter klingt es als, habe sich der Rapper auf sein Handy gesetzt und man bekommt per Hosentaschenanruf mit, wie er mit sich selbst redet.

Die Texte drehen sich, wie gesagt, um den Verlust des Vaters und die Abhängigkeit von Alkohol, die er mittlerweile entwickelt hat: "Piscean just like my father, still got bones to pick out / For now let's salt the rims and pour a drink out."

Wie die meisten Lines auf der EP, ist auch der Titel doppeldeutig. "Feet Of Clay", Füße aus Lehm, das ist eine sprichwörtliche Phrase, die Schwäche bezeichnet, besonders bei berühmten Menschen. Sie hat ihren Ursprung im Buch Daniel, in der der Prophet einen Traum des babylonischen Herrschers Nebukadnezar auslegt. Er sagt ihm den Sturz seines Reiches voraus. So will Sweatshirt seine EP verstanden wissen: "Eine Sammlung von Beobachtungen und Gefühlen, aufgenommen während des Todesringens eines bröckelnden Reiches."

Alles an "Feet Of Clay" wirkt skizzenhaft und unfertig. Mit jedem Durchlauf nehmen die Schemen, die Sweatshirt so produziert, andere Formen an. So entsteht ein finsterer Sog, dem man sich kaum entziehen kann. Die Erzählung ist so fesselnd wie undurchsichtig, Sweatshirts Patterns sind so einzigartig und interessant, dass man ihrer nie müde wird. So wie Earl Sweatshirt auf "Feet Of Clay" klingt zur Zeit kein anderer Rapper. Das macht ihn so unwiderstehlich.

Trackliste

  1. 1. 74
  2. 2. East
  3. 3. Mtomb
  4. 4. OD
  5. 5. El Toro Combo Meal
  6. 6. Tisk Tisk / Cookies
  7. 7. 4N

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