laut.de-Kritik

Dokumentation eines Niedergangs.

Review von

Fast auf den Tag genau zehn Jahre nach dem Release ihres ersten Best-of-Albums "Believers Never Die" werfen Fall Out Boy mit "Believers Never Die Volume Two" dessen Fortsetzung auf den Markt. Inhalt von Runde zwei: die Singles der letzten Platten nach der zwischen 2010 und 2013 eingelegten Bandpause. Als besonderes Appetithäppchen packen die Jungs noch zwei unveröffentlichte Tracks dazu, einer davon eine Kollaboration mit dem ehemaligen Fugees-Sänger Wyclef Jean.

Wie bereits auf der ersten Best-of, setzen die Amerikaner auch auf "Volume Two" in punkto erfolgversprechender Kompilation auf sichere Pferde und packen ausschließlich ihre massentauglichsten Hits der laufenden Dekade in chronologischer Anordnung in die Tracklist. Beiträge aus dem an den Sound der Anfangszeit erinnernden "Pax Am Days" fehlen hier leider gänzlich.

Somit dokumentiert "Volume Two" vor allem eines in aller Deutlichkeit: den Niedergang vom punkig angehauchten Emo-College-Pop der früheren Alben zum jetzigen durch und durch glattgebügelten Radiosound, der sich unsichtbar an den Einheitsbrei eines jeden Mainstream-Programms anbiedert.

Bereits "My Songs Know What You Did In The Dark (Light Em Up)", die erste Single aus dem 2013 erschienenen Comeback-Album "Save Rock And Roll", zeigt unmissverständlich die für die 2010er Jahre eingeschlagene Marschrichtung der Band. Nach dem Motto "Viel hilft viel" reihen sich hier von Beginn an Mitklatsch-Steilvorlagen, Oh-oh-oh-Mitsingparts, ein vor übermäßigem Pathos triefender Refrain, deutlich in den Hintergrund gemischte E-Gitarren und überlaute Drums aneinander.

Rock'n'Roll? Absolute Fehlanzeige! Stattdessen regieren selbstgefällige, zum Bombast aufgeblasene Hymnen wie das kitschige "Alone Together" und das wenig eruptive "Young Volcanoes". Das gilt insbesondere auch für das überdramatisierte und gemeinsam mit dem amerikanischen Songwriter Butch Walker produzierte "The Phoenix", dessen Musikvideo Teil des von der Band selbst produzierten Musicalfilms "The Young Blood Chronicles" ist. Höhepunkt des Songs: die aus dem vierten und letzten Satz von Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitschs siebter Sinfonie ("Leningrader") entnommenen Streicher-Parts.

Auch auf "American Beauty / American Psycho" setzen Fall Out Boy auf wenig inspiriertes Songwriting, aus dem die immer wieder gleichen Songs nach dem immer gleichen Baukastenprinzip im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit entspringen. "Centuries", ein Ermutigungssong für "Menschen, die ein bisschen sonderbar sind", besticht dabei allenfalls noch mit der Verwendung des von der amerikanischen Chanteuse Lolo eingesungenen Leitmotivs von Suzanne Vegas Song "Tom's Diner".

Fernab davon regiert der gewohnte und zu äußerster Üppigkeit aufgeblasene Pomp, der vor allem im Refrain von "Irresistible" zu ausgedehnten und langgezogenen "Eh, eh, eh, eh"- und "Oh, oh, oh, oh, oh, oh yeah"-Parts kulminiert. Die Verwendung generischer Flötensounds und Autotune in "Immortals" setzt dem Ganzen nur die sprichwörtliche Krone auf. Innovationen abseits von Vierviertel-Takt, schlageresken Melodien sowie halb gesprochen vorgetragenen und halb pseudofröhlich gesungenen Texten sucht man auch bei den beiden Beiträgen aus "Mania", dem gemeinsam mit Sia komponierten "Champion" und "The Last Of The Real Ones", leider vergeblich.

Um die Kompilation mit Songs fernab ihrer Langspielplatten aufzuwerten, packten FOB, zusätzlich zum mit ihren rappenden Landsmännern Lil Peep und iLoveMakonnen aufgenommenen "I've Been Waiting" noch zwei unveröffentlichte Songs auf die Platte, die sich jedoch nahtlos in den Einheitsbrei einordnen.

Wyclef Jeans Gastbeitrag in der locker flockigen Up-Tempo-Nummer "Dear Future Self (Hands Up)" beschränkt sich im Wesentlichen auf die x-fach repetierte Textzeile "She winin' like she losing her mind, yeah. [sic!]" Mit "Bob Dylan" findet sich schlussendlich noch ein Überbleibsel aus den "American Beauty / American Psycho"-Sessions. Warum dieses allerdings hanebüchenerweise den Namen des Folkbarden Dylan trägt, erschließt sich aus dem Kontext nicht so wirklich. Außer "'Cause everyone loves Bob Dylan / I just want you to love me like that" liefert der Text jedenfalls keinen Zusammenhang zum Songtitel.

Ein letztes Mal greifen die Mannen um Fronter Patrick Stump hier in ihre Trickkiste und liefern einen Track voller überbordendem Pathos ab, der aber in seiner Ausrichtung gleichberechtigt für "Believers Never Die Volume Two" steht: äußerst gefällige Popsongs an der Grenze zur schmerzhaft rezitierten Beliebigkeit.

Trackliste

  1. 1. My Songs Know What You Did In The Dark (Light Em Up)
  2. 2. The Phoenix
  3. 3. Alone Together
  4. 4. Young Volcanoes
  5. 5. Centuries
  6. 6. Immortals
  7. 7. Uma Thurman
  8. 8. Irresistible
  9. 9. Champion
  10. 10. The Last Of The Real Ones
  11. 11. I've Been Waiting
  12. 12. Dear Future Self (Hands Up)
  13. 13. Bob Dylan

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