laut.de-Kritik

Sich mitreißen lassen in einen Kosmos aus Wut und Verdruss!

Review von

Die Welle von Post-Punk/Noiserock Bands aus dem Dunstkreis der 'Stuttgarter Schule' bahnt sich mit Friends Of Gas ihren Weg nach München. Die Nerven, Human Abfall, Karies stehen für den aggressiven Stuttgarter Sound und deutsche Texte, die Angepisstheit zur Maxime erheben.

Die Friends Of Gas bewegen sich nun mit noch mehr Reminiszenzen an den Sound der 80er in die selbe Stoßrichtung. Nicht nur aufgrund ihres brachialen Sounds drängt sich dieser Vergleich auf - produziert wurde "Fatal Schwach" nämlich von Max Rieger, Gitarrist und Sänger der Nerven sowie Solo als All Diese Gewalt unterwegs, und Ralv Milberg, als Mischer mitverantwortlich für den Sound aus den Milberg Studios.

"Wendet Gewalt an / Gewalt geht immer." Diese Devise aus dem Track "Kollektives Träumen" etikettiert den Sound von "Fatal Schwach" treffend. Ebenjene Gewalt manifestiert sich vor allem in ausufernden, dissonanten Noise-Explosionen, denen durch das geradlinige Bassspiel Martin Tagars (Peter Hook lässt grüßen) und dem kompromisslosen Getrommel Erol Dizdars, tanzbarer Rhythmus und Melodie verliehen wird. Das erinnert dann mitunter an die frühen Joy Division oder den Krautrock von Neu!, die gegen Friends Of Gas aber nahezu brav klingen.

Für den aggressiven Grundton von "Fatal Schwach" sorgt auch der mantrahaft lärmende und reduzierte Gesang Nina Walsers: "Knick ein / knick ein / Einknick / knick ein / knick ein / Einknick!" Da will der eingeschüchterte Hörer dann kaum noch widersprechen, lässt sich mitreißen in einen Kosmos aus Wut und Verdruss und gerät dabei fast in Versuchung, sich - eine 80er Jahre Lederjacke tragend - die Pulsadern aufzuschlitzen. Insofern entfalten die Lyrics auch dann ihre Wirksamkeit, wenn sich ihr Sinn auf den ersten Blick nicht erschließen lässt.

Bereits der Opener "Template" zeigt, wo die Reise hingeht. Harte Rhythmusgitarre, Overdrive, Verzerrung, alles schnurstracks und kompromisslos nach vorne gespielt. "Ewiges Haus" und "Involuntary" nehmen den Fuß dann vorübergehend vom Gaspedal und wirken mit ihrem repetetiven Bass und der zurückgenommenen Gitarre fast schon meditativ. Überhaupt bilden Wiederholung und die strukturierte Rhythmusgruppe die Richtschnur der Platte.

Klassische Songstrukturen? Fehlanzeige! Das sorgt im Kontrast zu dem ausufernden, verzerrten Soundgewand für Spannungsbögen, die nicht enden wollen. "Es geht nach vorne / es geht voran." In der gleichen Textzeilen mögen sich auch gewollte oder ungewollte Verweise auf Fehlfarbens "Es Geht Voran" erkennen lassen. Da lässt sich neben der restlichen Ästhetik der Band (Super-8 Videos, Schreibmaschinen-Typo) schon erkennen, in welchem Jahrzehnt die Einflüsse der Band angesiedelt sind. 80's Post-Punk at it's best!

"Kollektives Träumen" entwickelt in seinen über acht Minuten einen Exzess dreckigen Sounds. Bass und Drums hämmern durch das Stück, als gebe es kein Morgen und Nina Walser schreit sich die Seele aus dem Leib, während sich die Gitarren von Veronica Burnuthian und Thomas Westner in einen Rausch aus Rückkopplungen und Verzerrung spielen. Freunde Sonic Youths werden damit ihren Spaß haben. "Saurer Schnee" macht genau da weiter, nimmt in der Mitte den Gang komplett raus, um dann gegen Ende, untermauert von den Worten "zieh wieder an / zieh wieder an", erneut erbarmungslos aufzudrehen.

Friends Of Gas erfinden die Musik nicht neu. Vieles klingt vertraut - angesiedelt im Post-Punk und Noiserock der 80er, jedoch nicht altbacken und ausgelutscht, sondern durchweg im Zeitgeist verankert. Ein außerordentliches Debut einer Band, von der man hoffentlich noch viel hören wird.

Trackliste

  1. 1. Template
  2. 2. Ewiges Haus
  3. 3. Involuntary
  4. 4. Kollektives Träumen
  5. 5. Saurer Schnee
  6. 6. Einknick
  7. 7. Teeth

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2 Kommentare mit einer Antwort

  • Vor 7 Jahren

    So unkonventionell und einzigartig das heisere Gekrächze von Fräulein Walser auch ist, auf Albumlänge strengt es (mich zumindest) ungemein an. Dennoch ne gute Scheibe mit Charakter.

  • Vor 7 Jahren

    Großartiges Album, das nach hinten raus immer mehr an Intensität und Dynamik (diese Bassläufe) gewinnt. Klingt vom Sound nach deprimierender Probekelleratmosphäre und der heisere Gesang nach 3 Flaschen Whiskey. Wirklich einzigartige Platte. Mir fällt seit Jahren keine bessere deutschsprachige Platte mehr ein. Gut, dass ich sie entdeckt habe.