laut.de-Kritik
Leuchtende Augen statt Geschichtsstunde: Die, die es wissen, erzählen, worauf es im Sprechgesang ankommt.
Review von Dani Fromm"It's all about being heard", erklärt Ice Cube in einem der zahllosen Interviews. Es geht darum, Gehör zu finden. Am Ende von "Something From Nothing" wissen wir jedoch: Es geht noch um viel mehr. Hingabe, Begeisterung, die Liebe zur Sache, Respekt: Auf diesem Boden keimt "The Art Of Rap".
"Niemand anderes als Ice-T hätte diesen Film machen können", führt Produzent Paul Toogood im Making-Of aus. Stimmt. Bei der Dokumentation über den Sprechgesang, der längst den Weg von der Straße in den Mainstream gefunden hat, handelt es sich nämlich keineswegs um eine dröge Geschichtsstunde.
Vielmehr blättern Kollegen, die sichtlich auf einer Wellenlänge surfen, im Erinnerungsalbum. Sie erzählen sich vom ersten Reim, der ersten Cypher, der ersten Battle. Mit dem Stolz der Pioniere teilen sie ihre Sicht auf Hip Hop, seine Anfänge und seine Entwicklung, mit Ice-T, zitieren ihre liebsten Zeilen und droppen Freestyle um Freestyle.
Nein, jemand anderes als Ice-T hätte diesen Film unmöglich auf die Beine stellen können, basiert er doch einzig und allein auf den Kontakten und daraus erwachsenen Freundschaften, die sein Regisseur während drei Jahrzehnten im Geschäft ansammelte. Die Liste der Interviewpartner trommelt so viel ehrwürdige Rap-Prominenz zusammen, wie sie mir noch nie zuvor auf einem Haufen begegnet ist.
Ich habe auch schon lange nicht mehr so viele derart leuchtende Augenpaare gesehen. Jeder einzelne, den Ice-T vor die Kamera holt, geht in seiner Passion vollkommen auf. Das Fieber wirkt hochgradig ansteckend. Wer möchte sich nicht gerne von Big Daddy Kane den Unterschied zwischen einem Rapper und einem MC oder von Dr. Dre den zwischen einem Beatbastler und einem Produzenten erklären lassen?
"The Art Of Rap" liefert zwar keine bahnbrechenden neuen Erkenntnisse. Dass die Kunstform die Not zur Tugend, den Mangel zum Alleinstellungsmerkmal und den Plattenspieler zum Instrument machte, ist Fans des Genres bekannt. Um zu wissen, dass Rap eine eigene Sprache spricht, die man erst verstehen lernen muss, brauchen Kenner DJ Premier eigentlich nicht mehr. KRS-One erzählt, auch wenn er vor Enthusiasmus schier platzt, nichts Revolutionäres, wenn er ausführt, dass Rap-Battles (genauso wie solche unter DJs oder B-Boys) einst als Ersatz für gewalttätige Auseinandersetzungen (nicht etwa als Anlass dafür) dienten.
Trotzdem: "Rap hat einer ganz neuen Generation die Poesie nahe gebracht", analysiert Doug E. Fresh und stellt nebenbei unter Beweis, womit er seinen Titel "The Originator" verdient hat. Immortal Technique referiert darüber, wie man hungrig bleibt, B-Real darüber, wie er seinen speziellen Style entwickelt hat, und Run DMC, wie sich das Blockparty-Gefühl in eine Liveshow hinüber retten lässt. Ras Kass erzählt, wo er seine Fangemeinde rekrutiert: "Da, wo sie Zeit zum Lernen haben: auf dem College – und im Knast." Und wer hätte gedacht, dass einer der besten Rapper der Welt ausgerechnet ein Weißer sein würde?
Die Frage, die Ice-T immer wieder stellt, wirkt so grundlegend, dass sie viele seiner Gegenüber ganz offensichtlich zum ersten Mal hören: Wie machst dus? Wie schreibst du deine Raps? So braucht Xzibit zwingend Stift und Papier. Eminem genügt der Stift, er notiert sich Einfälle notfalls auch auf der Hand und schreibt dort später ab. Einer braucht die Geschichte zuerst, der nächste die Aussage, der dritte den Beat. Mancher benötigt Ruhe, der nächste inspirierende Gegenwart von Gras und/oder Mädels, und Rakim kann sein Rezept bedenkenlos verraten. Das kann ohnehin niemand nachmachen.
Ice-T fragt, hört zu, fachsimpelt, trägt selbst eigene Anekdoten bei und begegnet jedem einzelnen seiner Kollegen, ungeachtet des Erfolgs, den sie eingefahren haben (oder eben nicht), gleichermaßen aufgeschlossen und voller Respekt. Im Rahmen von "The Art Of Rap" findet endlich auch Grandmaster Caz die Anerkennung, die ihm gebührt: Dem Mann, auf dessen Konto weite Teile von "Rapper's Delight" gehen, ohne dafür je bezahlt oder auch nur namentlich genannt worden zu sein, räumt diese Dokumentation angemessen viel Platz ein. Hinterher sollte auch dem letzten Banausen aufgegangen sein, warum ihn viele seiner Kollegen unter den besten MCs aller Zeiten wähnen.
So vielgestaltig wie seine Gegenüber – von Afrika Bambaataa, Marley Marl und Melle Mel über Nas, Q-Tip und Chuck D zu Kool Moe Dee, Kanye West und Snoop – so variantenreich und stimmig fallen auch die Kulissen aus, der Sound sowieso. Ice-T führt sein Publikum von der Kinderstube des Hip Hop, der Bronx, in den Rest von New York und weiter, über Detroit an die Westküste. Er befragt seine Kollegen zu Hause – etwa Redman vor seinem beleuchteten Sneakers-Schrein, im Diner, im Studio oder einfach an der nächsten Straßenecke. Da latscht dann schon mal ein Passant durchs Bild und kassiert rüde Zurechtweisungen, doch: "Es könnte schlimmer sein. Sie könnten auf uns schießen."
Im Bonusteil findet sich – neben Audiokommentaren von Regisseur und Produzent – weiteres Interviewmaterial, das wohl den zeitlichen Rahmen des Streifens gesprengt hätte. Absolut sehenswert, wie Catastrophe aus einem schäbbigen Plastikbeutel das klingelnde Handy herausfiddelt, um seiner anläutenden Mama mühsam zu verklickern, er drehe gerade einen Film. Oder Smoothe Da Hustler und Trigga Da Gambler, die ein vorbeiziehender Hotdog-Wagen herrlich aus dem Konzept bringt. Dafür kann man sich den etwas trocken geratenen wissenschaftlichen Blick auf die Hip Hop-Historie gut schenken.
Auch, wenn einen angesichts der Flut mittelschlauer bis dämlicher Tracks von technisch mäßig bis gar nicht begabten Rappern zuweilen ein anderer Eindruck beschleicht: Es geht mitnichten um Kohle, Karren, Klunker und Chicks. Die, die es zweifellos besser wissen, halten die wahren Werte hoch. Es kommt, will man das Mikrofon als wirksame Waffe einsetzen, immer noch auf die Lyrics an, auf Technik, Persönlichkeit und auf Originalität. "Hip hop requires skill." Dann rettet er Leben.
2 Kommentare
Must have! Ice motherfucking T, Bitch! He´s your Pusher! Habe die Zeiten "live" mitbekommen und da wagen es Leute wie Puni mir was über Rap erzählen zu wollen, ey.. Kiddies.
Der Trailer macht so Bock!