laut.de-Kritik
Die beiden Seiten einer Medaille.
Review von Yan VogelDer Albumtitel gaukelt mit seinem Dualismus so etwas wie Fassbarkeit vor - was nur bedingt zutrifft. Sicher hatte das Quintett um die drei Schulfreunde Brandon Boyd, Michael Einziger und Jose Pasillas II kommerzielle Höhenflüge - mit dem letzten Output knackte man in den Staaten gar die Pole-Position.
Die Diskussionen um "Light Grenades" waren dennoch nicht zuletzt der Experimentierfreudigkeit der Band geschuldet. Denn Incubus bieten große Detaildichte und Finessenreichtum, die sich unter der Oberfläche ungewöhnlicher, aber stets nachvollziehbarer Songstrukturen verbergen.
Alle bisherigen Alben sind Hybriden, verschmelzen zu einer Einzigartigkeit, die einerseits auf die individuellen Erkennungsmerkmale der Bandmitglieder zurückgeht: Boyds breites tonales und emotionales Gesangsspektrum, die lässigen Soundspielereien und beherzten Riffs von Gitarrist Einziger, Ben Kenneys bipolares Bassspiel, das zwischen Solo- und Rhythmusinstrument oszilliert, Pasillas treibendes Drumming sowie Chris Kilmores Soundscapes.
Dazu gesellen sich ungewohnte Songstrukturen, eine ungezwungene, stets aufs Songwriting bedachte Präsentation des eigenen Könnens respektive die Korrespondenz aus Brachialität und Fragilität. Monumente und Melodien sind grob gesagt die beiden Seiten der Medaille, die das Antlitz von Incubus bestimmen.
Der mit "Monuments" etwas großspurig betitelte erste Silberling enthält die bisherigen dreizehn Singleauskopplungen und zwei neue Tracks, darunter die aktuelle Singleauskopplung "Black Heart Inertia". Auf den ersten Blick ein recht unspektakulärer Song, der geringen Dynamikspielraum aufweist und der Aufdringlichkeit von "Lady Catchyness" erst mal den Laufpass gibt.
Dagegen legt die Band wert auf organische Hammond-Sounds und dezent tragende Soundscapes. Dazu gesellt sich die cleane unaufdringliche Gitarre, die akkordlastig und rhythmusbasiert vorgeht und nur zum Solo, das untypisch großen Raum einnimmt, in den Vordergrund tritt. Einziger agiert dabei eruptiv und mit coolen Morello-Referenzen.
Die zweite Neuheit "Midnight Swim" offenbart Tiefenwirkung auf andere Art und Weise: Nach einem rhythmisch zerpflückten Beginn errichten Incubus eine Breitwand und lullen mit fröhliche Harmonien ein. Der Song arbeitet ohne einen konventionellen Refrain: Das letzte Songdrittel besteht aus einer Steigerung, die sich auf den zu Beginn explorierten Akkorden aufbaut und von spacig noisigen Sounds verfremdet schließlich in einen furiosen Schluss mündet.
Das Herz einer jeden Best Of bleiben die Raritäten. Davon quellt der zweite Rohling zwar nicht über, aber die Zusammenstellung bisheriger Compilation- oder Soundtrackbeiträge, Albumausschussware und Neuspielungen dürfte den auf Vollständigkeit bedachten Liebhaber weit weniger kosten als die mühsame Suche auf Fan-Conventions oder via Online-Händler.
Für Kohärenz hatten die Jungs seit jeher allenfalls ein müdes Lächeln über, und so geht die B-Seiten-Sammlung fast schon als eigenständiger Output durch. Die Analogien reichen von The Police ("Anything") über Pearl Jam ("Pantomime") bis hin zu Porcupine Tree/Steven Wilson ("Punch Drunk").
Gerade der Umstand, dass hier Material aus den unterschiedlichsten Schaffensperioden der Band vorliegt, korrespondiert mit der neuen Songwriting-Philosophie, die erstmals auf "Light Grenades" Anwendung fand: Stücke über einen längeren Zeitraum zu schreiben und mit Versatzstücken zu arbeiten, ohne sich des Zeitdrucks eines achtwöchigen Songwritingmarathons bewusst zu sein. So gehören die beiden "Light Grenades"-Bonustracks, die beiden Stealth-Soundtrack-Beiträge, sowie "Pantomime" und "While All The Vultures Feed" zu den typisch abwechslungsreichen Incubus-Smashern.
Im letzten Albumdrittel erwarten den Hörer dann interessante Neuinterpretationen: Die Unplugged-Bearbeitung des S.C.I.E.N.C.E.-Tracks "A Certain Shade Of Green" lässt Assoziationen an einen Tag am Meer aufleben und "Monuments And Melodies" trumpft mit raumgreifenden Drums, jazzigen Harmonien und einem wahrlich besitzergreifenden Refrain auf, bevor mit dem abschließenden Prince-Cover "Let's Go Crazy" eine funkige Rocknummer zum Tanz bittet, die mit einem krachenden Solo ausklingt.
Für Incubus spricht auch, dass sie keine schlecht klingenden Lo-Fi-Produktionen als der Weisheit letzter Schluss auftischen, sondern Bootleg-Aufnahmen über ihre Webseite jedem Besitzer einer regulären CD-Fassung per mitgeliefertem Zugangscode zugänglich machen. Ein feiner Schachzug mit dem der quantitative Gehalt der Best Of-Zusammenstellung erheblich gesteigert wird.
10 Kommentare
am Besten fand ich S.C.I.E.N.C.E. und Make Yourself, da war am meisten Pfeffer dahinter.
"New Skin" laut aufgedreht...bam.
ja, dieser funk-nu-metal auf science war noch ne ganz andere nummer als anna molly oder so. nicht, dass die spätere musik schlecht war, aber heftig verändert hat sie sich schon.. ich mag jedenfalls tracks wie Glass lieber
Irre ich mich oder fehlen die Fungus Amongus und die S.C.I.E.N.C.E. komplett?!? Das ist bei ner Best Of ja fast schon Betrug. Aber ich hab bei der Crow Left Of The Murder schon angefangen die Veränderung dieser Band argwöhnisch zu beobachten und wurde bei Light Granades dann irgendwie nochmal darin bestätigt. Spätestens die "Braaaandon! Maaaarry meeee"-Schreie und Ohnmachtsanfälle beim Shirt ausziehen auf der Bühne haben mir dann den Rest gegeben. Schade eigentlich...
Komisch bei mir ist die schöne Hülle auch schon kaputt gegangen ^^ Hatte ich bisher noch nie (sonst brechen bei mir sofort die Zähne bei der CD-Befestigung ab)
Da hätte man sich auch etwas mehr Mühe geben können, aber die CDs sollen ja hauptsächlich gut klingen und nicht die Hülle schick aussehen
Ich find das Album echt gut! Best of, okay, aber dann noch eine zweite CD mit vielen weiteren Songs und der Gutschein. Und das ganze hat mich grade mal 16,99 gekostet. Das neue Billy talent- Album mit 12 billigen Songs kostet mehr:D
Und mal von der Quantität abgesehen, ich finde, auf dem Album sind tolle Songs dabei, Beispiel: Neither of us can see
Ansonsten stimme ich zu: Morning View *sabber*
Ist ja alles gut und recht. Und das Album ist toll und bla und ja, gehört in jede Incubus-Sammlung. Viel schöner wäre allerdings mal wieder ein richtiges Album.