laut.de-Kritik
Innovativer Hip Hop für Battlerap-geplagte Ohren.
Review von Philipp GässleinMit seinem Debütalbum den Hip Hop auf das nächste Level zu hieven, ist als großspuriges Eigenlob bei MCs mittlerweile so obligatorisch wie Baggypants und Tüte. Die Brüder Krings aus Nordbaden wollen dies mit einer "Mischung zwischen Wahnsinn und Neuland, zwischen Weltschmerz und Fightmusic" erreichen und mit "Rapmusik, die die Battlerap-geplagten Ohren endlich wieder hören und fühlen" lässt. Okay, völliges Neuland betreten sie damit nicht, aber das Versprochene zu erfüllen, wäre ja schon mal ein netter Anfang.
"Man Kennt Uns" legt mit hektischem Streicherbeat und Standardbass los, der Text übersteigt allerdings nicht das übliche "Wir sind Back"-Gefasel. Völlig anders präsentiert sich hingegen "Treuer Freund". Unter die erste Strophe von Terry Jacks "Seasons In The Sun" legt der Beatbastler einen smoothen Reggaerhythmus. Darauf wird eine deepe Story über alte Freundschaften gerappt, sehr nahegehend. Im direkten Anschluss geben die Brüder auch zu, "Alles Nur Geklaut" zu haben (Original mit dem Prinzen-'Eo Eo' als Einleitung).
Auf jeden Fall haben die Jungs ein sehr feines Gespür für den richtigen Beat. Kein Track wird musikalisch langweilig, kein Track klingt wie der andere. Die Bassschläge dominieren den Rhythmus keinesfalls, dafür strotzt Reggae aus jeder Ecke, spätestens in der Hookline. Synthie-Beats sind eher die Ausnahme, doch wenn sie erklingen ("Holy Mastaplan"), dann brennt echt die Luft.
"K-Rings Zone" eröffnet mit einem Beastie Boy-Sample auf irgendeinen heftig groovenden 60s-Bläser-Orgel-Tune, die Hookline wird sogar zweistimmig absolut sauber rübergebracht, ohne sich dafür extra einen Naidoo-Verschnitt anzumieten. Respekt! Während Sir Max stylemäßig stark in Richtung Creutzfeld und Jakob tendiert, scheint sich sein jüngerer Bruder Friderico eher an frühen Afrob-Stücken zu orientieren. Insgesamt harmonieren die MCs in beinahe jedem Stück hervorragend miteinander.
"Du Hast Vergessen" sampelt einen Robbins-Freeman-Dialog aus "Die Verurteilten" und verbreitet erneut in einer beinahe perfekten Harmonie aus Musik und Text eine (von dem - dieses Mal - unpassenden Reggaechorus abgesehen) sehr melancholische Stimmung, ohne dabei langweilig zu werden. Leider knickt das Niveau der Platte gegen Ende hin doch merkbar ab. Ob "Neuland", "Mann Im Mond" oder "Komm Mal Runter", sobald die Tracks etwas langsamer werden, wirken die Beats mitunter etwas einfallslos, ebenso der sich ständig wiederholende Patois-Singsang.
Wer dennoch durchhält, wird mit "Letzte Schlacht", einem Antikriegssong auf simplem Endzeit-Pianoloop, noch einmal reichlich beschenkt. Auch der Bonustrack "Es Gab Tage Die Oft Trüb Warn" versöhnt den Zuhörer wieder mit den Brüdern und lässt die drei, vier schwächeren Songs schnell vergessen. Mit dem äußerst relaxten Beat, der auf den Basslauf von Pete Wingfields "Eighteen With A Bullet" aufbaut, wirkt das gute Stück in etwa wie "Don't Worry Be Happy" und entlässt das Gehörorgan des Zuhörers doch recht befriedigt.
Ein neues Level erreichen die drei Brüder nicht. Dafür werfen sie mit "Tricolor" ein richtig gutes Debütalbum auf den Markt, das mit Innovation und ureigenem Stil überzeugt. Die MCs bewegen sich auf gehobenem Mittelmaß und höher, die Beats brennen. Und wem es gelingt, auf dem diesem Level solche Attribute in seiner Musik zu vereinen, der sollte erst gar kein anderes anstreben.
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