laut.de-Kritik
Der selbsternannte Weltmonarch entschwindet in die Dunkelheit.
Review von Dominik LippeEs bleibt ein Ausweis der eigenen Schwäche. Wenn Olaf Scholz in Verteidigungsfragen insistiert, "Ich bin der Kanzler - und deshalb gilt das", wenn sich Joe Biden gegen die Zweifel an seinem Gesundheitszustand wehrt, "Ich weiß zum Teufel, was ich tue. Ich bin der Präsident und ich habe dieses Land zurück auf die Beine gebracht", oder wenn sich ein gewisser Rapper wieder und wieder selbst mit Herrschertiteln dekoriert, stets unterläuft es die Bemühung, die eigene Souveränität auszustellen. Wie Tywin Lannister sagt: "Ein Mann, der sagen muss, 'Ich bin der König', ist kein richtiger König."
Kollegah muss es unaufhörlich sagen. Als "König aller Könige - und das unbestritten", tituliert sich der "Weltmonarch" zu Asches Kitsch-Instrumental in "Larger Than Life". Oder er behauptet autosuggestiv, der "greatest of all time" zu sein, obwohl er mit seinen Zeilen doch deutlich hörbar durch den selbstbesoffenen Beat von "GOAT" stolpert. Spätestens seit "Alphagene II" ist der spielerische, halbironische Umgang mit seiner Figur wie vom Erdscheibenboden verschwunden. Alle Verse kommen mit predigendem Pathos daher, immerfort unterlegt mit weihevollem Piano- und Streicher-Sound.
Inhaltlich gilt ohnehin das Motto 'Selbe Scheiße, anderer Track'. Über groteske 140 Minuten vergegenwärtigt sich Kollegah seinen Aufstieg. "Ich hab' vorgelebt: Du kannst es schaffen, wenn du losmarschierst", rappt der deutsche J.D. Vance selbstzufrieden. Auf dem Weg an die Spitze musste er sich gegen "Feinde" und "Schlangen" behaupten ("Still King"), "Becken voller Haie" durchschwimmen ("Legacy Of War"), "Mitesser" und "Nichtsnutze" aus seinem Leben entfernen ("Sigma") und sich "gegen die Playerhater, gegen das Beta-Male-verseuchte Game und gegen Faker" durchsetzen ("Prime (Outro)").
Es handelt sich um die seit etlichen Jahren durchexerzierten Motive des Straßenrap. Kollegah und seine Kollegen gleichen Schlages fühlen sich alle gleichermaßen übervorteilt von Hyänen, womit sie stets an das Spiderman-Meme erinnern, bei dem mehrere sich gleichende Spinnenmänner aufeinander zeigen. "Den Wert eines Mannes erkennt man an seiner Art, wie er die Schwächsten behandelt", insistiert der Zuhälterrapper edelmütig ("Du Bist King"), doch die typische Engherzigkeit bricht sich in "Koenigsegg" Bahn: "Ich seh' Menschen als Ware an." Wer ist nun die Schlange, die ihr Umfeld ausbeutet?
Einzig seinen verschwörerischen "Free Spirit" reduziert er gottlob auf ein Minimum. Donald Trump taucht lediglich als Referenz in "Rise To Power". Anstelle politischer Witzfiguren orientiert sich Kollegah neuerdings an wertkonservativen Amtsträgern. In "Kanzleraura" vergleicht er sich ungeniert mit Winston Churchill und nennt sich kurzerhand "biggester Deutscher seit Konrad Adenauer". Das klingt schon zuverlässig lächerlich, doch sein Wahnwitz gipfelt sogar in einer Wahlempfehlung: "Muskeln angespannt für das Bundeskanzleramt - und du wählst mich aus Respektbekundung oder Angst."
Seine "Kanzlerambitionen" ("Blonder Don") untermauert der Natural Born Killa mit wahlkampfkompatiblen Slogans. "Der Mann macht das Geld, nie das Geld den Mann", verkündet der "Boss Für Immer" seine Kalendersprüche auf "Live, laugh, love"-Niveau mit altersweiser Attitüde. Gelungene Bilder bleiben die absolute Ausnahme in dieser Anhäufung an Fremdscham-Momenten. In "T-Files" zeigt sich Kollegah noch einmal sprachverliebt wie in seinen Anfangstagen. Und ausschließlich in "Halbmondsichel" legt er einen Vortrag an den Tag, der zumindest so klingt, als habe er Spaß bei der Arbeit.
Abgesehen von Einzelfällen bleibt auch die musikalische Seite mutlos bis blamabel. Songs wie "Magnum Opus" oder "Still King" verwechseln mit gewittrigen Streichern den Sturm im Wasserglas mit großem Drama. "T.O.N.I.-Style" und "Warm Up" schrauben hingegen die Theatralik angenehm herunter, "Koenigsegg" kreischt, knautscht und klimpert völlig untypisch für den King, "Weisses Piano" beweist, dass Piano-Loops nicht zwingend gefühlig klingen müssen, und "Sidequest" baut das Instrumental im Zuge eines Zwiegesprächs zwischen Kollegah und Asche allmählich zusammen.
Und so endet das Kapitel Kollegah. "Letztes Mal Lines, letztes Mal Rhymes, letztes Album, ein letztes Goodbye", verspricht er einleitend seinen Abschied. Möge er bitte Abstand davon nehmen, sich wie in "Verbrannte Erde" als "nächster Bundeskanzler" zu empfehlen, sondern wie in seiner Instagram-Story unter den Klängen von Sarah Brightmans "Time To Say Goodbye" in die Dunkelheit entschwinden. "Wenn Stille eintritt und kein Regen mehr fällt. Wenn der Nebeldunst verfliegt und keine Krähe mehr kräht." Der Hahn, es ist der Hahn, der hoffentlich bald aufhört, nach ihm zu krähen.
24 Kommentare mit 55 Antworten
Positiv überrascht...
Dann bist du aber sehr leicht zu beeindrucken.
Ich nicht. Übelst verkrampft, unlockere Stakkato-Flows, fast alles klingt gleich und natürlich wieder 1000 auf der Platte, damit man gar nicht erst die Motivation hat, sich das mal ernsthaft anzuhören.
*1000 Songs
a 1000 soul soooongs https://www.youtube.com/watch?v=16zjHb2mglw
Endlich hat der Spuck ein Ende (lel als ob)
1/5 Selbstverständlich
Dieser Kommentar wurde vor 3 Monaten durch den Autor entfernt.
Was ist das denn für eine minderwertige Rezension?
Ernsthaft, kein Wort über die Reimschemas.
Weil wahrscheinlich gar keine Ahnung davon.
Wahnsinn!
Auch sehr geil - 2 Politiker und eine fiktive Figur in einer Fantasy Serie mit einem Musiker vergleichen.
Wie kann ich es sein das auf laut.de so ein Müll veröffentlicht werden darf?
Die Mehrzahl von Schema ist Schemata.
Und eine kurze Textanalyse ergab, dass das Reimschema aus Paarreimen besteht, AABB, zwischendurch mal ein Kreuzreim und vereinzelte Binnenreime. Ziemlich Stanni. War jetzt beim Song Still King, aber ist halt bei Kolle auch die Regel, der hatte noch nie besonders ausgefeilte Reimschemata, anders als bspw. Savas früher, oder Keemo aktuell. Ist also der Rede nicht Wert wie ein Schlauchboot.
AOTY