laut.de-Kritik

Kein Ausweg aus dem inneren Heckenlabyrinth.

Review von

Kollegah wagt die Rückbesinnung. Als er 2007 nach zwei Tapes sein offizielles Debüt "Alphagene" veröffentlichte, hob er den hiesigen Rap auf ein technisch neues Level. Das mitgelieferte Image unterlief er dabei durch seine Texte beständig selbst. Während die exakt vermessenen x-silbigen Reimketten den deutschen Wertarbeiter hinter dem Zuhälter offenbarten, kompensierten die sich gelegentlich sogar am Disney-Kanon bedienenden Wortspiele das martialische Auftreten. So lieferte das akribische Kunstprodukt Kollegah die Parodie auf Battle- und Gangster-Rap gleich mit.

Doch der gebürtige Friedberger verrannte sich in seiner Übermenschen-Inszenierung. Die Grenzen zwischen Felix Blume und Kollegah schienen sich aufzulösen, was im mehr als fragwürdigen "Alpha-Mentoring"-Programm und einem reaktionären Sachbuch kulminierte. Entgegen eigener Aussagen ("Amüsier' mich über meine eigenen Medienskandale in mei'm Ferienappartement") hat ihn die zum Großteil berechtigte, mitunter aber auch unterkomplexe Kritik nicht kalt gelassen. Andernfalls würde er sich in der Ankündigung nicht per "Mindset Machine" in unbeschwertere Zeiten versetzen lassen.

Leider zerschlagen sich mit "Maybachemblem (Intro)" etwaige Hoffnungen, Kollegah könnte es gelingen, sich mit neuem Schwung von paranoiden Anwandlungen und kontroversen Debatten zu lösen. Sauertöpfisch bemäkelt er "missgünstige Fotzen", die ihn auf seinem unaufhaltsamen Weg ausbremsen wollen. An einer inhaltlichen Auseinandersetzung verspürt er selbstredend kein Interesse. Stattdessen erhebt er in "Valhalla" den "Mittelfinger an die Neidkultur". So beginnt ein völlig humorloses Album, das Hyänen und Schlangen lyrisch bevölkern wie PA Sports' jüngstes Werk.

Eine positive Ausnahme bildet "Alphagenetik". Zwar streunen auch durch diesen Song Aasfresser, doch der überzogene Pathos erinnert angenehm an seine Anfänge. Neben der Single sticht "Stonehenge" hervor. Angetrieben von einem Beat von Freshmaker, der als Chefproduzent zumindest die musikalische Seite über das Niveau des Vorgänger-Albums erhebt, liefert Kollegah ungewohnte Schlagwort-Strophen und Shouts. Einen neuen Impuls gibt er seiner Figur auch durch das Liebeslied "Infinitum", das begleitet von weihevollen Chören, eine zeremonielle Atmosphäre kreiert.

Doch diese Ausnahmen täuschen nicht darüber hinweg, dass Kollegah hörbar der Spaß an der Sache vergangen ist. "Eden" versucht etwa auf das völlig abgedrehte, sich in Techno-Gefilde und Highspeed-Doubletime-Passagen hineinsteigernde "Kokamusik" aus seinem zweiten Album "Kollegah" Bezug zu nehmen. Doch die wunderbare Absurdität der Vorlage erreicht dieser Hinterhof-Trap bei weitem nicht. Statt dem Irrsinn des Lebens mit Lockerheit zu begegnen, dreht es sich bei dem erfolgsverwöhnten Rapper noch immer um die Gretchenfrage: "Bist du Herr oder Leibeigener?"

Im trappigen "Veni Vidi Validus" beschreibt er erneut seine Aufstiegsgeschichte: "Ich musste mich, als ich jung war, durchschlagen, von Hunger geplagt, von untersten Rang an die Spitze." Damit ihm das ja keiner nachmacht, mahnt er den zuhörenden Schustern in "Der Boss Is Back" an, gefälligst bei ihren Leisten zu bleiben: "Du willst auf den Thron? Lass dich bewahren vor 'nem Fehler. Besser kenne deinen Platz." Unfreiwillig komisch fällt diese Widersprüchlichkeit aus, wenn die fleischgewordene freie Marktwirtschaft in "Sakrileg" zum feierlichen Instrumental Kapitalismus-Kritik übt.

Während er sonst auf Härte pocht, entpuppt er sich in "Spiegel" angesichts jüngster Querelen als Snowflake: "Wieder hintergangen, wieder ausgenutzt, wieder abhaken, weitermachen, als ob's mich nicht juckt. Nach außen Siegerlächeln, doch im Innern melancholisch." Es soll gar nicht darum gehen, ihm die Enttäuschung abzusprechen oder sich gar lustig zu machen, aber was erwartet jemand von seinem Umfeld, der fortlaufend nur Sozialdarwinismus predigt? Wieso beharrt er auf Gefühlskälte, verlangt aber Mitgefühl, wenn ihn jemand "als menschlichen Bankautomaten missbraucht"?

Den Gipfel republikanischer Realitätsverzerrung erklimmt Kollegah allerdings, wenn er sich in "Valhalla" plötzlich zum selbstgenügsamen Heiligen aufschwingt: "Darum meid' ich alle Sünden, tu' Gutes und hoffe dann im Himmel auf gigantischen Lohn." Wenn er sich dann noch in "Wolfsblut" überzeugt gibt, den Markt mit pädagogisch wertvoller Musik zu beliefern, stellt sich die Frage, ob hier versehentlich die falschen Songs beim Mastering gelandet sind: "Heute liefer' ich Werte, mach' nicht mehr den Rap wie früher, doch werd' beschimpft als Drecksbetrüger und Sektenführer."

Wie verträgt sich das mit bosshaften Büchern, die Reichtum mit Glück gleichsetzen und ihren Lesern ihre eigene Wertlosigkeit vor den komplexbeladenen Schädel schlagen? Oder dem Weltbild hinter mürrischen Zeilen wie "1.000 Freunde, 1.000 Feinde – ist im Endeffekt das Gleiche"? "Alphagene II" versprüht nichts mehr von 2007. Die "Mindset Machine" gibt ihm weder die Leichtigkeit noch die selfmadesche Qualitätskontrolle zurück. Für Kollegah bleibt der Ausweg aus dem inneren Heckenlabyrinth verschlossen.

Trackliste

  1. 1. Maybachemblem (Intro)
  2. 2. Der Boss Is Back
  3. 3. Valhalla
  4. 4. Veni Vidi Validus
  5. 5. Sakrileg
  6. 6. MOIS (Skit)
  7. 7. Von Star Zu Dealer
  8. 8. Stonehenge
  9. 9. Alphagenetik
  10. 10. Offenes Verdeck (mit Farid Bang und Asche)
  11. 11. Eden
  12. 12. Spiegel
  13. 13. Kammerjäger Interlude
  14. 14. Trinität
  15. 15. YAYO (mit Asche)
  16. 16. Infinitum
  17. 17. Lauf
  18. 18. Odin
  19. 19. Renaissance (Outro)
  20. 20. Ghettoglamour
  21. 21. Wolfsblut
  22. 22. Der König Ist Tot (mit BOZ)
  23. 23. Oktagon Vita (mit Asche)
  24. 24. Alphatier

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28 Kommentare mit 237 Antworten

  • Vor 4 Jahren

    Dieser Kommentar wurde vor 4 Jahren durch den Autor entfernt.

  • Vor 4 Jahren

    Der Autor der Kritik weckt Aggressionen in mir. Warum ist mittlerweile gefühlt jeder Journalist ein Ahnungsloser in seinem eigenen Zuständigkeitsbereich. „Sozialdarwinismus“ haha - und dann Kollegah als Pseudointellektuellen darstellen. Hätte für 5€ nen besseren Text geschrieben. Dominik Lippe, Autor dieses Mülls, versteht offiziell den Zusammenhang aus Intellekt und Rap Musik nicht im geringsten und bringt mich zum ersten Kommentar meines Lebens. So eine scheiße...

    Achso, für Interessierte und Kenner:
    Das Album kommt gut. Einige Tracks sind etwas gewöhnungsbedürftig. Aber allein die Tatsache nach allem so aufzustehen und das natürlich auch textlich rüberzubringen ist stabil. Vll mag der ein oder andere sagen es sei ja auch der einzige Weg. Hmm ist natürlich was dran. Aber nie klein beizugeben was diese ganze Journalismusgeschichte angeht ist einfach ultra straight. Selbst Freunde von mir sind auf den Antisemitismus Mist aufgesprungen, nachdem Pseudoschlaue sich dazu geäußert haben. Man ziehe sich mal die Resonanz nur auf Amazon rein und vergleiche es dann mit dem Medien Shit (wie dieser Artikel). Da merkt man doch, die Leute feiern Kollegah. Sie hören ihn fast schon heimlich.

    • Vor 4 Jahren

      Dann erläutere uns doch mal den Zusammenhang aus Intellekt und Rap Musik im zweiten Kommentar deines Lebens.

    • Vor 4 Jahren

      "Man ziehe sich mal die Resonanz nur auf Amazon rein und vergleiche es dann mit dem Medien Shit (wie dieser Artikel)."

      Hm, Leute, die nen Fuffi für diesen Müll ausgeben bewerten diesen Müll positiv. Meine Pseudoschlauheit sagt mir, dass es da einen kausalen Zusammenhang gibt.