laut.de-Kritik
Schöner Eskapismus und tiefe Spiritualität: Entspannung to go.
Review von Laura WeinertMit seinem weißen Anzug, den langen Haaren und dem Rauschebart sieht Matthew E. White ein bisschen aus wie ein Guru. Und siehe da: seine Eltern sind christliche Missionare. Das spiegelt sich in einen Texten wider. "Jesus Christ is our Lord, Jesus Christ is our friend" ("Brazos") - was man davon halten darf, ist in den Grundrechten verankert. Die konzentrierte Spiritualität, die aber nicht bloß über die Texte transportiert wird, ist nichtsdestotrotz die Besonderheit seiner Jazz-Folk-Soul-Mixtur.
Vielseitig und mit vollem Klang, aber auch ganz entspannt und meditativ geht es auf "Big Inner" zu. Übrigens: Bitte einmal laut lesen und sich über das Wortspiel freuen. Ein zehnköpfiger Chor, acht Streicher und neun Bläser begleiten White. Sein Spacebomb Orchester, das ihn seit vielen Jahren unterstützt, lässt ihn nicht im Stich. Dazwischen springt er selbst von Gitarre zum Piano (am schönsten, weil fluffigsten bedient im jazzigen "Big Love") zu den Percussions (herrlich beiläufig eingesetzt in "Brazos") und wieder zurück, hebt seine Stimme klar von den Bläsern ab oder lässt sie sanft hineingleiten.
Wo zum Teufel hat dieser Typ eigentlich die letzten Jahre gesteckt? Matthew E. White kommt (nicht nur örtlich) aus dem Nichts und sahnt mit seinem souligen Jazzfolk die Liebe der Feuilletons ab, er kennt Carl Bârat nicht und sieht aus wie in den wilden Zeiten stecken geblieben. Mit nun 29 Jahren bringt er sein Debüt auf den Markt - warum war der eigentlich nicht schon vorher da?
Weil er damit beschäftigt war, die Indie-Szene von Richmond und sogar ganz Virginias aufzumischen. Einerseits mit seinem Folk-Projekt The Great White Jenkins und andererseits mit seinem Jazz-Ensemble Fight The Big Bull. Die kennt in Deutschland keine Sau? Auch in Amerika hat er es nicht nennenswert über die Staatsgrenzen geschafft - bis heute.
Drüben liegen die Feuilletons ihm als Solokünstler aber schon zu Füßen. Und langsam, im Windschatten von Bon Iver und vielleicht sogar ein bisschen Mumford & Sons landet Whites Spacebomb auch hier. Sein schöner Eskapismus und die beruhigte Spiritualität stricken einen meditativen Ruhepol; Entspannung to go quasi. Ein Widerspruch in sich. Aber es funktioniert - da macht es auch nichts, dass White Carl Bârat nicht kennt. Immerhin kennt er Gott. Und für manche ist das schließlich eine ähnliche Sache.
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