laut.de-Kritik
Ein Armutszeugnis des größten Reggae-Acts der Neunziger.
Review von Philipp KauseMaxi Priest beginnt 1985 eine beispiellose Karriere im Reggae und R'n'B, die für einen Engländer überrascht. Von seinen großen Momenten würde man auf "It All Comes Back To Love" gerne etwas spüren, wenigstens erahnen.
Doch beim Hören des Albums entsteht der tragische Eindruck: Wie bei einem Demenzkranken nie wieder die volle Gedächtnisleistung zurückkehren wird, so hat Maxi Priest für immer den Gipfel seines Schaffens überschritten und baut seither stetig ab. Schade. Denn wenn ihm ein fulminantes Comeback gelänge, könnte es fürs gesamte Nischen-Genre Reggae Kreise ziehen. Maxi ist nicht irgendein Typ von einst. Er war genau der eine entscheidende Mann, der diese Musik ins Radio und zu MTV brachte. Der sie hoffähig für die breite Gesellschaft machte. Somit stellt die Platte auch die Weichen für Wohl und Wehe der Rasta-Musik in Europa.
Die Unbeschwertheit der frühen Neunziger und neue Rezepturen damaliger Stil-Fusionen bereiteten Maxi den Weg in die Charts, in die Herzen vieler Menschen und auf die Bühnen großer Festivals.
Nun legt der gelernte Dachdecker zusammen mit Shaggy einen Haufen Müll vor. Lieblose Drum Machine-Sounds und peinliche Texte ohne Ende ziehen sich in provokativ schläfrigem Tempo wie Kaugummi. Kaugummi hinterlässt einen Geschmack. Diese Platte löst aber gar nichts aus. Leider berührt sie in keinem Moment. Die besten Stellen sind Shaggys Gastzeilen am Anfang von "My Pillow (feat. Shaggy)" und die Einleitung in den Song "Hard As Me (feat. Noah Powa)", wegen deren Stimmen. Alles weitere versackt tief in technoiden Arrangements.
Als Dancehall lässt sich das Geplucker kaum klassifizieren; dafür schleicht es zu lahm und ohne Feeling für die jamaikanische DJ-Kultur daher. Trotz des allgegenwärtigen Themas Liebe kann von Maxis Spezialgebiet 'Lover's Rock' auch nicht die Rede sein; hierfür fehlen die R'n'B- und Rocksteady-Einflüsse genauso wie Romantik und echte Instrumente. Punktuelle Rub-a-dub-Momente ändern am Gesamteindruck nichts: Diese Musik entbehrt jeglicher Gefühls-Ebene, klingt durchgeplant und stereotyp, einfallslos, langweilig, gleichgültig, teilnahmslos, monoton und in den Auto-Tuning-Einsätzen auch stümperhaft. Dass Laptop-Beats in europäischem Reggae geschmeidiger klingen können, beweist z.B. Martin Jondo regelmäßig.
Zu den weiteren Pannen gehört der Verschleiß an Gästen. Dass man Estelle und Inner Circle als Featuring-Attraktionen aufführt und brutal dem Soundbrei unterrührt, setzt Dreistigkeit voraus. Die individualistische Estelle hätte sicher mehr hinzufügen können als ihren Namen, und Inner Circle sind eigentlich keine Band für eine Lounge-Platte. Manche Songs wie "Hateful Celebration" und "If I Could Change It" hören sich wie ein Worst Of aus Imagine Dragons und Alan Walker an, aber nicht nach Maxi Priest. Dessen Stimme wirkt durchgehend wie ein Double. Ob er auf der Platte wirklich enthalten ist, daran dürfen ernsthafte Zweifel bestehen. Der englische Sänger klang schon mal ganz anders.
Wenn nun wenigstens die Booklet-Gestaltung einen Hauch Liebe zum Detail verraten würde, könnte man sagen: Wenigstens zeigen Producer Shaggy und sein Team guten Willen. Leider nennt die CD-Hülle keine Musiker. Die stupiden Lyrics sind nicht mal abgedruckt. Die Front-Cover-Abbildung sagt gar nichts aus. Das Booklet endet nach drei Seiten wirrer Danksagungen mit einer blanken weißen Seite.
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