laut.de-Biographie
My Sister Grenadine
Der Berliner Musiker Vincenz Kokot ist niemals allein. Er hat viele Gesichter. Wenn er mal ein wenig mehr aus sich raus gehen möchte, spielt er in der Postrockband Polaroid Liquide2. Gediegener und ruhiger ist seine Tätigkeit beim Gitarrenakustikduo Kashu. Diese gelassene Stimmung bringt er auch in seiner ausgedachten Geschwisterliebe My Sister Grenadine wieder.
Das Projekt mit der imaginären Schwester gründet er 2007 und schon bald wird er als Support für internationale Acts (Thingumajigsaw, Susie Asado) gebucht. Grenadine bleibt dabei stets im Hintergrund. Nach Kokots Aussage kann man sie nicht sehen, aber in seinen Liedern hören.
Bis in den grauen Herbst hinein schreibt er seine Songs. Darin erzählt er Geschichten, wie aus einem Puzzle entnommen. Verschiedene Aufzeichnungen und imaginäre Schnappschüsse, vorwiegend von seiner Schwester zusammen – aber mit seiner Stimme, Gitarre und Ukulele vorgetragen. Seltsame Impressionen, die zunächst befremdlich wirken, sich aber dann als pure Herzlichkeit entpuppen.
Das Singer/Songwriter-Debüt der harmonischen Zweisamkeit wird im Winter 2007 in Berlin aufgenommen und produziert. Das fertige Werk trägt den Titel "Shine In The Dark", es erscheint im 2008 auf dem Label Solaris Empire (Kitty Solaris, Kat Frankie).
Besonderen Wert legt Kokot auf seine Texte. Er stammt aus einer Schriftstellerfamilie, schreibt seine Lieder allerdings lieber auf Englisch. In einer Fremdsprache singen sich die Geschichten auf "Shine In The Dark" laut Verfasser nun mal sehr viel besser.
Kokot ist ein großer Liebhaber akustischer Musik und wächst mit ihr auf. Bevor er zur E-Gitarre greift, lernt er einige Jahre Akustikgitarre. Schon lange plant er, Songs zu schreiben, "die reduziert sind auf wenige Elemente und dennoch als Musik, als Lieder in ihrer Schlichtheit funktionieren sollen." Daher spricht man auch bei seinen Klängen von Post-Singer/Songwriter-Musik.
Er gehört angeblich zur neuen Folk-Szene, die sich in der Hauptstadt gründet. Da gibt es noch andere Gruppen, die sich ihre Mitmusiker einfach mal so ausdenken. Zum Beispiel dreht sich bei Crazy For Jane alles um die imaginierte Protagonistin Jane. Regisseur Jürg Hassler porträtiert diese Bewegung in seinem Film "BerlinSong" (2008).Darin liefern sechs internationale Sänger und Songwriter einen ganz persönlichen Blick auf die Metropole Berlin und zeigen ihren Lieblingsort. Dazu hat jeder von ihnen extra einen "Berlin Song" komponiert.
Doch Kokot sieht sich nicht zwangsläufig als Mitglied dieser neuen Subkultur: "Inwieweit man von einer neuen Berliner Musikbewegung sprechen kann, kann ich nicht umfassend beantworten. Es gibt Freundschaften und gegenseitige Unterstützung, es gibt Netzwerke und gemeinsame Auftritte, es gibt regen Austausch untereinander und es gibt Einflüsse von Künstlern, die nicht aus Berlin oder Deutschland kommen. Von daher kann man eventuell von einer Community sprechen, ähnlich der Antifolk-Szene."
My Sister Grenadines Balladen ziehen Vergleiche nach sich. Simon & Garfunkel oder Bob Dylan werden von Presse und Fans genannt. Kokot ist kein klassischer Liedermacher, aber auch keine multiple Persönlichkeit. Er ist ein Musiker, der es gewohnt ist, nicht alleine zu spielen: "Live waren die ersten Konzerte schon komisch, plötzlich ganz allein dort oben zu stehen, aber ich fand das spannend und intensiv und irgendwie ist es ja auch eine Herausforderung, die ich gesucht habe."
Der Junge mit der Gitarre ist also auf der Suche nach neuen Arbeitsweisen. Verschiedene Stile und Kunstformen miteinander zu mischen. Ansonsten hält sich der Künstler eher bedeckt und geheimnisvoll. Vielleicht sollte man sich bei seiner Schwester erkundigen. Die kritzelt schließlich in seiner Vorstellung jede Menge "kleine Zettel mit Worten und Zeichnungen voll."
Die sind so spannend, dass sich My Sister Grenadine mehr und mehr zu einer Band entwickeln. Am Zweitling "Subtitles & Paper Planes" (2010) sind mehrere Gäste beteiligt, auf "Spare Parts" (2013) ist die Schwester nun offiziell ein Trio, das neben Kokot (Ukulele, Gesang) aus Angelina Kartsaki (Geige und "Gegenstände") sowie Felix Koch (Perkussionen, Trompete) besteht.
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