laut.de-Kritik

Mal dominanter Rapper, mal devoter Pussyboy.

Review von

"Die helle Seite beschreibt das Gute in mir, die positiven Gedanken, die positiven Emotionen", erläutert Nimo das schon visuell wenig subtile Konzept von "Moonboy", "und die dunkle Seite sind meine bösen Emotionen, meine bösen Gedanken, meine frechen Gedanken". Generell taugen 'Gut' und 'Böse' selten als brauchbare Rubriken. Im Falle des "Steinbock"-Nachfolgers wirkt es regelrecht irreführend, denn statt entlang moralischer Kategorien erfolgt der Bruch zwischen manisch und depressiv sowie masochistisch und dominant. Nach dem Motto: "Sex ist Pain, 50 Shades of Grey."

Da wäre der wiederkehrende Charakter des "Pussyboys", eine Art Beta-Mann, der sich von der Damenwelt vorführen lässt. "Pussyboys fliegen auf. Sie denken, ihre Frauen sind 'n Engel, aber nein, Bro, sie sind Hoes", schmäht Nimo in "Hotel" butterweiche Männer für ihre Leichtgläubigkeit, "Dreckige, billige Hoes, die auf Konzerten geblowt haben. Aber ihr postet Couple-Bilder." In der Rolle der selbstbewussten Hure mit "Pussy Power" tritt Katja Krasavice auf, die ihrerseits über die Schmachtlappen spöttelt: "Wenn ich dir den Rücken kehre, heulst du 'rum, 'Bitte geh' nicht' – Pussy!"

In "Pussyboy" erweitert er seine Definition. "Geh' mir aus dem Weg, sonst verlier' ich die Kontrolle und du ein paar Zähne", rappt Nimo auf das Faustrecht pochend, während die unterwürfigen Kerlchen neben dem Lebensunterhalt der Damen auch noch Schutzgelder zahlen müssen. Als potenter Gegenentwurf zum Beta-Mann tritt er wiederum in "Cry Me A River" auf, wobei der Rapper auch ein undurchschaubares Verhältnis zum Unterlegenen pflegt. "Pussyboy, please don't cry, aber du cryst, cry me a river", ergötzt er sich an dessen Leid, während Summer Cem Dienst nach Vorschrift schiebt.

Das gilt auch für Farid Bang, der in "Fatty Fatty" pflichtbewusst schlüpfrige Sprüche klopft und gegen RIN stichelt. Wie ausgewechselt wirkt daneben Nimo. Eben hat er sich noch über seine Geschlechtsgenossen lustig gemacht, die sich Frauen als Fußabtreter andienen, schon begibt sich der Rapper selbst in eine devote Haltung: "Nachdem sie mir ein' lutscht, geb' ich Kuss. Lecke sogar ihre Füße, wenn es sein muss." Den verlachten Weicheiern schließt er sich selbst an, wenn er sich in den Herzschmerz-Songs "Wo Du", "Miss U" oder "Geh Nicht" vollkommen dem Gefühlsrausch ergibt.

"Sei Mensch, sei alles, was du sein willst, aber sei zart." In "Zart" erreicht der 385idéal-Künstler seinen emotionalen Peak. Als habe er sich ein Beispiel an Finnas "Zartcore" genommen, fordert er Zärtlichkeit ein und definiert kurzerhand einst männliche Tugenden um: "Gefühle zeigen, macht mich hart." In dieses Bild passt auch, wenn er in "Down" seine Hörerschaft zur Psychohygiene auffordert: "Geh' und erzähl' von dein' Problemen. Friss nichts in dich rein – du musst reden!" Ernsthaft, aber auch hoffnungsfroh bezieht er eigene Erfahrungen zwischen Depressionen und Jugendamt mit ein.

Dabei hätte Nimo es eigentlich belassen können, doch mit "Papastaat" schiebt er noch einen Tiefpunkt hinterher. In "Down" empfiehlt er der strauchelnden Jugend noch, sich Hilfe bei Sozialarbeitern zu suchen, nun betätigt er sich als Hobby-Staatsrechtler und verdammt alle Institutionen: "Wieso nimmt der Staat mein Geld, aber nennt mich fremd – wieso ist das so? Ich dachte, wir leben in Demokratie, aber das ist nicht so. Oder wie erklärst du mir, dass Vergewaltiger und Pädophile auf freiem Fuß sind nach kurzer Zeit in Haft?" Damit liegt er auf der verdrehten Wellenlänge der Querdenker.

Auf "Habeebee" ist der Rapper noch weiser aufgetreten, als er sich von derartigen Themen distanzierte: "Ich steh' nicht auf Politik und Theorie." Neben den Grobmotorikern, mit denen sich Nimo in der öffentlichen Wahrnehmung auf Augenhöhe bewegt, erscheint er dennoch vernunftbegabt. Und sein starker Hang zum Pop unterhält in Verbindung mit seinem exaltierten Auftreten noch immer ausgezeichnet – gerade bei seinen überspannten Stimmungswechseln. Mitunter wirkt "Moonboy" aber auch, als hätte er es als Anschauungsmaterial für das Psychologie-Studium konzipiert.

Trackliste

  1. 1. You Know
  2. 2. Bad Eyez (mit Luciano)
  3. 3. Hotel (mit Katja Krasavice)
  4. 4. Fatty Fatty (mit Farid Bang)
  5. 5. Pussyboy
  6. 6. Cry Me A River (mit Summer Cem und Billa Joe)
  7. 7. Anati
  8. 8. Wo Du (mit Pzy)
  9. 9. Miss U
  10. 10. Dreams
  11. 11. Geh Nicht
  12. 12. Zart
  13. 13. Down
  14. 14. Duft (mit Lio)
  15. 15. Kind
  16. 16. Papastaat
  17. 17. Fly To The Moon (mit Devon)

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