laut.de-Kritik

Game-Soundtrack mit Major Lazer und Bring Me The Horizon.

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Selten waren Hype und Ungewissheit darüber, was das überhaupt sein soll, größer wie bei dem neuen Videospiel des "Metal Gear Solid"-Schöpfers Hideo Kojima: "Death Stranding" wird überall diskutiert. Vor allem, weil der Starentwickler eine ganze Heerschar an Hollywood-Größen zu seinen Freunden zählt, etwa Norman Reedus, Léa Seydoux oder Nicolas Winding Refn.

Des Weiteren liegt das massive Interesse an der überdimensionalen Werbeshow, die Sony zelebriert und an der Person des zierlichen Japaners manifestiert. Die lebende Legende bereiste etliche Spielmessen, darunter auch die gamescom in Köln und die EGX in Berlin. Dazu eröffnete man eine "Death Stranding"-Galerie in New York im Rahmen der eigenen Welttournee.

Hinzu kommt die Tatsache, dass sich Sony als großes Musiklabel die Chance nicht nehmen lässt, bei diesem crossmedialen Feuerwerk einen Soundtrack unters Volk zu bringen. Er hört auf den Namen "Timefall" und spielt auf den die Zeit beschleunigenden Regen im Spiel an. Von den zehn vertretenen Künstlern sind lediglich zwei (Major Lazer, Chvrches) nicht bei Sony Music oder einer Tocherfirma gesignt.

Die Gefahr besteht selbstredend darin, dass der Großkonzern den wirtschaftlichen Erfolg und die Aufmerksamkeit sucht, statt den Fokus auf die Symbiose von Musik und Spiel zu legen. In der Causa "Timefall" erkennt man zumindest auf der lyrischen Ebene jenen guten Willen. Jeder der acht Songs hat entweder direkt oder entfernt etwas mit "Death Stranding" bzw. Kojima zu tun: Geister, Umweltkritik, Isolation, Resignation, Konnektivität.

Trotzdem krankt diese Zusammenstellung an der musikalischen Darbietung. Major Lazer serviert in "Trigger" uninspirierten Tropical House, Khalid singt gewohnt sedierend. Daran knüpft Alan Walker an, der mit der Newcomerin Au/Ra aus Antigua und Barbuda zwar einen schönen Refrain zimmert, das zurückhaltende Arrangement jedoch beliebig gestaltet. Chartsgedudel, das man sich hätte sparen können.

Ins Gegenteil schlägt folgendes Trio: Sony nahm sich den Instrumental-Auftakt "Meanwhile... In Genova" vom Soloalbum Serge Pizzornos - der Kasabian-Frontmann addierte noch ein paar verzerrte Lyrics. Der Bombast-Pop mit dicken Streichern à la Malky klingt zwar schön, im Kontext des Spiels aber eher nach Fremdkörper. Das druckvolle "Sing To Me" des US-amerikanischen Electro-Duos Missio fiept und zirpt überall, im Endeffekt könnte es aber auch ein verschollener Track von Alex Clare sein.

Wild und laut geben sich Bring Me The Horizon. Benannt nach dem 'Kojima Productions'-Maskottchen, häutet sich "Ludens" nach gedrosseltem Beginn über mehrere Breakdowns und Screams zum mitreißenden Finale. Quasi ein Querschnitt des bisherigen Schaffens der Band. Für Connaisseure der Games- und Musikwelt stellt es keine Überraschung dar, dass die Briten den Weg auf "Timefall" fanden - erinnert man sich an die Single "Shadow Moses" (2013), betitelt nach dem Schauplatz in "Metal Gear Solid". Sänger Oliver Sykes ist zudem bekennender Fan des Japaners.

Wwirklich passend scheinen nur zwei Songs: "Yellow Box" von The Neighbourhood und "Born In The Slumber" von Flora Cash. Beide klingen kryptisch, atmosphärisch dicht und wundersam befremdlich - wie die digitalen Landschaften in "Death Stranding". Insbesondere zweitgenanntes Stück punktet mit einem Mix aus Indie und Dream-Pop.

Nun fehlt noch der wichtigste Beitrag: Der Titeltrack und zugleich Song der End Credits. Chvrches besinnen sich auf ihre gelungenen Anfangszeiten, betulich zu Beginn bis der emotionale, von Synthies getragene Refrain einsetzt. Besonders die Lyrics passen wie die Faust aufs Auge zum Spiel: "You can take my heart / Hold it together as we fall apart / Maybe together we can make a mark in the stars we embark / And keep us together as the lights go dark". Unter der Haube trocken und zweckmäßig kalkuliert, nichtsdestotrotz hervorragend ausgeführt.

Das größte Vergehen bleibt jedoch, dass die wahrscheinlich besten Trailersongs ever nicht stattfinden: "I'll Keep Coming" von Low Roar und Silent Poets' "Asylums For The Feeling" stehen als herausragende und bis dato noch weitgehend unbekannte Stücke da, die die bizarre und unwirtliche Welt von "Death Stranding" perfekt einfangen. Die eindringlich elegische Inszenierung schmiegt sich förmlich an das gemäßigte Spieltempo an. Ein unverzeihlicher Lapsus!

"Timefall" erweist ich als gut gedacht, aber schlecht gemacht. Textlich kohärent zum Spiel, musikalisch aber meist ohne gelungene Einbettung. Als Fan von Kojima, mit dem Wissen um sein sensationelles Händchen für Trailersong, und einem, der "Death Stranding" gespielt hat, stellt der Soundtrack eher eine Enttäuschung dar.

Trackliste

  1. 1. Major Lazer & Khalid - Trigger
  2. 2. Au/Ra & Alan Walker - Ghost
  3. 3. Chvrches - Death Stranding
  4. 4. The Neighbourhood - Yellow Box
  5. 5. The S.L.P. - Meanwhile... In Genova
  6. 6. Bring Me The Horizon - Ludens
  7. 7. Flora Cash - Born In The Slumber
  8. 8. Missio - Sing To Me

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