laut.de-Kritik
Ironievergiftung im Endstadium.
Review von Yannik GölzDie südkoreanische Rapperin Park Hye Jin durchquerte seit dem Erfolg ihrer EP "If U Want It" die Welt. Als DJane legte sie in London, Berlin, New York und Los Angeles auf und wurde indes - zumindest ihrem Instagram-Account zufolge - kauziger und kauziger. Ihre Musik übrigens auch: Das Debütalbum "Before I Die" deutete es bereits an, ihr Social Media zog nach. Auf "Sail The Seven Seas" zeigt sich Hye Jin als Protagonistin mit Ironievergiftung im Endstadium. Schaut euch nur dieses grässliche Albumcover an! Und trotzdem ist da etwas Atmosphärisches in diesem super-seltsamen, fesselnden House-Album.
Das fängt mit den Vocals an. Hye Jin rappt und sing-spricht mit einer so stumpfen Apathie, dass man das Gefühl hat, man könnte ihr beim Singen mit der Hand vor den Augen wedeln und sie würde nicht einmal blinzeln. Sie würde weiter repetitiv die jeweilige Phrase singen, wie ein kleiner Vocal-Effekt im Beat. Aber da ist eine echte Performance: Die meisten Songs greifen popkulturell beliebte Slogans aus dem Hip Hop- und Girlboss-Universum auf, die sie mantrahaft durchs Wachkoma murmelt, wieder und wieder. Nennt sie das negative Abziehbild von DJ Khaled; aber so wringt sie gekonnt das letzte bisschen Zynismus aus der Phrasen-Überbevölkerung der Gegenwart.
Kommt erstmal komisch, hat aber irgendwie Wirkung. Man kennt vermutlich das Gefühl, dass all die "You can do it!" und "Liebe dich selbst"-Plattitüden in grummeligen Phasen oft ganz und gar nicht mit der Grummeligkeit helfen. Wenn sie auf "Win" dann immer wieder "Don't shit on me / I got no time for the shit" lallt, als hätte sie prinzipiell schon Lust auf den Shit, aber gerade passt es nicht, weil: "gotta win / gotta win / gotta win / gotta win / gotta win" - ad infinitum. Sie ist ein Eisberg für die Phrasentitanic und sie macht es auf eine absurd unangestrengte, aber irgendwie subversive Art. Sag die Phrase so oft, bis sie nur noch ein Geräusch ist. Eigentlich genial.
Das würde alles sehr schnell langweilig werden oder gar nicht erst funktionieren, wenn die Produktion nicht emotional einen Teil ihrer Last stemmen würde. Am Ende des Tages ist sie immer noch mehr Producer als MC - und auch, wenn ihre Beats ein Gefühl der Ausgebranntheit in sich tragen, macht sie das doch mit einer ganzen Menge Talent. Perfekte Musik, um apathisch gegen die ÖPNV-Fenster einer großen Stadt gelehnt durch viel zu lange Pendelzeiten zu schlittern. Beats wie "Started From The Bottom", "Stupid Asf" oder "Foreigner" mischen Lo-Fi-House mit Trap. Die Traurigkeit dieser Musik scheint selbst frustriert darüber, dass all die Zeit der Welt für ihre eigene Verschwendung prädestiniert ist.
Ganz ehrlich: Es ist gar nicht so einfach, "Sail The Seven Seas" als ein großes Kunstwerk zu verkaufen, wenn es die meiste Zeit wie repetitive Catchphrases über monotones EDM-Geplucke klingt. Aber irgendwie trifft sie damit ein Gefühl nach der Reizüberflutung. Es ist der Ourobouros der Self-Awareness, die Flipper-Maschine der hohlen Phrasen und wirkt wie ein schlechter Witz an einer Stelle, an der ein ernstes Gespräch hätte sein sollen. Aber immerhin ist sich der Sound dessen bewusst.
3 Kommentare mit einer Antwort
Die EP rotiert heute noch oft, die neue Platte klingt auch fantastisch, aber ehrlich gesagt hab ich die noch nie am Stück konsumiert.
Sowas findet man zuhauf auf Soundcloud und Bandcamp, und wird idR. nach 15 Sekunden Durchskippen weggemacht.
Na dann drop mal die Links, hinter denen sich eine ähnliche Quali in der Produktion findet. Hast du die EP gehört?
Das ist schon eine Kunst, jahrelang in aller Welt rumreisen, in Kalifornien leben und immer noch so akzentreiches Englisch. Also das ist entweder große Kunst oder die ist so isoliert, dass die auch von mir bemerkte Kautzigkeit auf echte Probleme hindeutet.