laut.de-Kritik
Ein Tribut an Streisand, Minnelli, Knef und Dietrich.
Review von Artur SchulzÜber ein halbes Jahrzehnt hat sich Patricia Kaas seit ihrer letzten Studio-Veröffentlichung "Sexe Fort" Zeit gelassen. Nun richtet "Kabaret" seinen fokussierenden Blick in die musikalische Stil-Vergangenheit vornehmlich der dreißiger und vierziger Jahre. Ergänzt mit besonderem Augenmerk auf einige unverrückbare weibliche Größen des Chansons unterschiedlichster Epochen.
Die persönliche Referenz ihnen gegenüber erweist Patricia Kaas mit ihrem Opener "Addicte Aux Héroines" in Form einer Art melancholischem Soundtrack-Vorspiel. "Das Glück Kennt Nur Minuten" stammt aus der Feder von Hildegard Knef.
Bleibt der Auftakt musikalisch noch nah ans Piano-dominierte Original gehalten, entwickelt sich ihre Fassung mit dezenter Swing-Ummantelung. Etwas zu schlicht verbleibt hier Kaas' Intonierung. Knef-Interpretationen gelingen einer Heike Makatsch derzeit besser!
Einer weiteren deutschen Künstlerin zollt Patricia später mit "Falling In Love Again" Tribut: Marlene Dietrich feierte damit - auch in Form der hiesigen Fassung "Ich Bin Von Kopf Bis Fuß Auf Liebe Eingestellt" - einen ihrer größten Hits.
Der Titelsong "Kabaret" ist kein Cover des berühmten Liza Minnelli-Songs "Cabaret", sondern eine Neukomposition. Mit "Wo Sind Die Clowns" folgt die deutschsprachige Version eines American Songbook-Klassikers. Im amerikanischen Original "Where Are The Clowns" stellen die Versionen von z. B. Frank Sinatra und Barbra Streisand unverrückbare Interpretations-Messlatten. Patricias Fassung bleibt im Vergleich zu diesen Größen nicht überraschend etwas zurück, bietet aber dank seiner spröden, ungewohnten Inszenierung (kein großes Orchester, im Hintergrund begleitet ein fernes Autobahnrauschen) eine interessante Version.
In "Alone" tupft zart das Piano, eine versteckte Trompete begleitet Liebesleid, später unterstützt von schwermütigen Streichern. Das Beinahe-Instrumental "Pigalle" wirbelt quirlig durch Pariser Kneipennächte. "Mon Piano Rouge" wandert weiterhin im auf dem Album vorherrschenden melancholischen Stimmungs-Zwielicht zwischen dezenten Samples, Loops und Scratches, ehe Brechts "September Song" zum Ausklang den Besuch in der Vergangenheit beendet.
Der ganz große Überraschungs- wie auch Begeisterungseffekt stellt sich beim Hören allerdings selten ein. Trotz aller üppig eingestreuten Kunstgriffe aus den Bereichen Elektro, Musette, Lounge und Mitternachts-Chill wirkt das Album oft sehr designed und kühl kalkuliert. Sauber inszenierte Kost fraglos, doch statt wirklich echter Stil-Patina zu häufig mit erkennbar künstlich wirkenden Sound-Spinnweben behaftet.
In der Vokalarbeit bleibt Patricia Kaas unverwechselbar: Mit ganz besonderem Timbre und Gesangstechniken, die ohnehin Erinnerungen an alte Schellackaufnahmen wecken, wandert die Französin weiterhin unbeirrt in ihrer erprobten Pose als musikalische Femme Fatale- und Film Noir-Darstellerin.
2 Kommentare
Eine nicht eben unwesentliche Information fehlt: Patricia Kaas singt für Frankreich beim Eurovision Song Contest 2009. Vermutlich chancenlos.
Rezensiert mal lieber das Album von Kaas