laut.de-Kritik

Rock, wie ihn Coldplay spielen würden.

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Es war vielleicht nicht die beste Idee des BBC Radio 1's Big Weekend-Festivals, Royal Blood direkt zwischen Niall Horan und Lewis Capaldi zu buchen. Das Feedback des Publikums fiel jedenfalls verhalten aus. Sänger und Bassist Mike Kerr quotierte dies voller Arroganz: "We're called Royal Blood and this is rock music. Who likes rock music? Nine people, brilliant." Zum Abschluss ließ er seinen Bass auf die Bühne fallen und verließ diese mit ausgestreckten Mittelfingern in Richtung Publikum. Sicher nicht die freundlichste Art. Aber der Rock'n'Roll hat wahrlich schon andere Skandale erlebt. Viel mehr wirkt dies wie der vorletzte traurige Aufschrei des Genres und wofür es einst stand.

Zwar waren die Aufnahmen zu "Back To The Water Below" an diesem 28. Mai des Jahres 2023 längst abgeschlossen, dennoch passt der Auftritt zu der Zäsur, die mit diesem Album einher geht. Bisher stellte jeder Royal Blood-Release eine Weiterentwicklung der Band dar. Doch nun reicht es. Genug mit den Experimenten. Royal Blood kehren dahin zurück, wo sie mit ihrem Debüt begonnen hatten: zu dreckigem Zwei-Kerle-Garage- und Blues-Rock mit dem Fokus auf Bass und Schlagzeug. Zumindest der Opener "Mountains At Midnight" vermittelt uns das.

Der von ihnen, Queens Of The Stone Ages Josh Homme und Paul Epworth (U2, Adele, Florence + The Machine, Bloc Party) produzierte Vorgänger "Typhoons" spielte munter mit Dance-Rock und Disco. Diesmal besann sich das Duo aus Brighton auf die Basics wie ihre Freundschaft und produzierte das Ding komplett selbst. Der überrumpelte Sound klingt zwar rau, aber zeitgleich auch eigentümlich glatt. Die "Royal Blood-Intensität" und wirkliche Überraschungen und Wendungen im Songwriting bleiben über weite Strecken aus.

Dabei verspricht der Beginn mit Ben Thatchers Polterschlagzeug und Bratfettriff viel: ein harter Einstieg im vertrautem Gewand und Energie. Zurück zur Royal Blood-DNA wollen sie und verlassen die Disco mit vor Panik wedelnden Armen. Drei Schritte zurück geht es, auf gewohntes Terrain, dorthin, wo man sich vor fast zehn Jahren befand. Aber erstmals in der Diskographie der beiden Briten klingt dieser Schritt zu berechnend, was gerade bei dem, das sie auf "Back To The Water Below" darstellen wollen, auf Kosten der Authentizität geht. Zeitgleich verfallen Tracks wie "Shiner In The Dark" zu sehr ins Formelhafte.

Fällt die Idee wie in "Tell Me When It's Too Late" eher uninspiriert aus, knüppelt man sie halt zu Tode. Tatsächlich funktioniert der Track auf diese Weise gut. "Pull Me Through" startet mit Klavier und stolperndem Schlagzeug als bluesiger The White Stripes-Klon, um nach einem Rock-Mittelteil bei Radiohead zu landen. Das nicht bis zum Ende formulierte und etwas ins Leere laufende "The Firing Line" kommt weitestgehend ohne Verzerrung aus, der Piano-Sound beschert ihm Parallelen zu Keanes "Hopes And Fears". Dem epischen Geschwisterchen "There Goes My Cool" gelingt dies mit abgewetzter The Beatles-Psychedelik weitaus besser.

Royal Blood schaffen mit "Back To The Water Below" ein grundsolides Album, dem es aber an bleibenden Eingebungen mangelt. Das in die Jahre gekommene Konzept gaukelt Frische vor, wo es letztendlich nur die etwas schlechtere Version von altbekanntem Material liefert. Am Ende steht dennoch ein ganz guter Rock-Longplayer. Zumindest bis man zwischen all den "Ooh-oooh"-Variationen bemerkt, dass genau so ein Album klingen würde, wenn sich Coldplay mal am Rock versuchten.

Trackliste

  1. 1. Mountains At Midnight
  2. 2. Shiner In The Dark
  3. 3. Pull Me Through
  4. 4. The Firing Line
  5. 5. Tell Me When It's Too Late
  6. 6. Triggers
  7. 7. How Many More Times
  8. 8. High Waters
  9. 9. There Goes My Cool
  10. 10. Waves

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