laut.de-Kritik
Der Alleskönner lotet die Möglichkeiten des Pop aus.
Review von Martin LeuteSeine Vielseitigkeit kennt keine Grenzen. Ob er seiner überbordenden Euphorie mit orchestralen Inszenierungen hedonistischen Glanz verleiht ("Release The Stars"), sich eigens an das Schreiben einer Oper und der minimalistischen Vertonung von Shakespeare-Sonetten macht ("All Days Are Nights: Songs For Lulu") oder mit Judy Garland-Interpretationen ("Rufus Does Judy At Carnegie Hall") seinem großen Vorbild huldigt: Rufus Wainwright überzeugt auf allen Ebenen.
Dass er dennoch nie wirklich im Mainstream-Pop angekommen ist, mag seiner eigenwilligen Theatralik und seinem manchmal überschwänglichen Pathos geschuldet sein. Seinem unverrückbaren Hang zu Genres wie der Klassik, der Operette und dem Musical tun ihr Übriges dazu.
"Out Of The Game" nennt sich das siebte Studiowerk des Alleskönners, mit dem er sich nun endgültig aufmacht, in der Mitte des zeitgenössischen Pop den Thron zu besetzen. Mit Mark Ronson hat er einen der derzeit größten Pop-Produzenten an seiner Seite, der seinerzeit auch das Soundkostüm für Amy Winehouse, Adele oder Lily Allen maßgerecht und äußerst erfolgreich geschneidert hat. Dieses Kunststück gelingt ihm nun auch mit den Songs von Rufus Wainwright.
Nach wie vor sind es die facettenreichen, schwelgerischen Melodien und Dramaturgien, die das Popverständnis des Rufus Wainwright prägen. Atmosphärisch lehnt er sich unbekümmert an die 70er und 80er-Jahre an, lässt die Erinnerung an Bands wie Queen, Sparks, David Bowie, Elton John oder die schmachtenden Jungs von Chicago auferstehen und versprüht dabei einen heiteren und gelassenen Charme. Es ist diese smarte Retro-Attitüde, die mit der melodischen und gesanglichen Unverwechselbarkeit Wainwrights und dessen Verspieltheit und Glamour Hand in Hand geht. Das macht dieses Werk zu einem feinen Hörerlebnis. Dass neben anderen auch der famose Wilco-Gitarrist Nels Cline als Gastmusiker agiert, trägt seinen Teil dazu bei.
Hier rankt sich eine geschmeidige E-Gitarrenlinie um die Melodie ("Out Of The Game"), dort verschmelzen dezente Synthie-Flächen mit Streicher-Arrangements ("Jericho"). Gehämmerte Klavierschläge zur E-Gitarre und Saxophon verströmen einen Hauch von Glamrock ("Rashida"), die Instrumentierung tänzelt lässig zwischen dem Easy Listening eines Burt Bacharach und Vaudeville-Einlagen ("Welcome To The Ball"). Und stets setzt Wainwright auf feinsinnig inszenierte Backgroundchöre.
Das synthetische "Bitter Tears" versucht Barockmusik und Disco in Einklang zu bringen, daneben taucht Wainwright mit nostalgisch tönenden Liedern auf. Das getragene "Candles" beschließt das Album mit lieblichen Akkordeonklängen und einer erhabenen Dudelsackeinlage. Auch die Folklore ist ihm nicht fremd.
Mit "Out Of The Game" beweist sich Rufus Wainwright erneut als fantastischer Songschreiber mit unverwechselbarer Theatralik auf ganz hohem Niveau. Insofern wartet das rundum gelungene Werk mit keinen Überraschungen auf. Nichtsdestotrotz handelt es sich um sein vielleicht zugänglichstes, weil bei aller Vielseitigkeit weniger opulent ausgestattetes Werk, das den Ersthörer genauso erfreuen dürfte wie den jahrelangen Fan. Mark Ronson hat prima Arbeit geleistet, er rückt Wainwright in kein gänzlich neues Licht, er hat es nur ein wenig gedimmt!
4 Kommentare
dann bin ich jetzt aber wirklich gespannt
Tolle Scheibe. Wunderbar altmodisch und trotzdem hervorragend. Ist schon Guter, der Rufus!
mir gefällt der Name total gut, fast so genial wie Dero.
Ein schönes Album. Ein sehr schönes. Und die erste Wainwright ohne schlechten Song. Wie immer spielt sich das meiste im Hintergrund ab: geniale Instrumentierung, furiose Harmoniewechsel, brilliante rhythmische Partien.
Und im Vordergrund: Ein großer Sänger, eine lausige Stimme. Ach, was gäbe ich, würde der mal (und nicht nur in der Oper) wen anders ranlassen: Thom Yorke, Fran Healy oder - räusper - Chris Martin. Die und diese Songs. Halleluja! (Hat ja auch bei "Waterloo Station", das er für die Birkin schrieb, prima funktioniert...)
Ansonsten tatsächlich ein Album voller Zitate: In "Sometimes you need" hört man Neil Young singen, "Welcome to the Ball" hat die feiertäglichsten Bacharach-Bläser seit Bacharach selbst, "Bitter Tears" einiges von der unsäglich traurigen Synthie-Verspultheit der späten (ganz ganz späten, "The Visitors"-späten) ABBA und "Candles" einen Knirps von Melodie, der sich so dünn macht, wie er schon in Cohens "Paper-Thin Hotel" durch die (dort weniger sakralbaulichen) Wände tönte. Hui ist das schön! Und es wird mit jedem Durchgang besser.