laut.de-Kritik

Schroff und brutal und voller Zähne!

Review von

"Ich bin immer auf der Suche nach dem elementaren und grundlegenden Geräusch. Was könnte elementarer sein als Drones?" So lakonisch erklärt Scott Walker die Vermählung mit den Drone-Metal-Päpsten Sunn O))). Die Verbindung funktioniert prächtig. "Soused" ist ein ebenso hypnotisches wie meisterhaftes Gemälde des Grauens über die Bestie Mensch. Schroff und brutal und voller Zähne!

Vergleiche zu früheren Geniestreichen wie den scheppernden "The Drift" oder dem opulenten "Bish Bosch" wären genau so müßig wie die Gegenüberstellung Walkers mit den Werken anderer Künstler. Jede seiner Platten ist zugleich Puzzleteil und autarker Mikrokosmos im Gesamtwerk. Wiederholungen bleiben angesichts seiner Ideenflut absolut ausgeschlossen. Das Abgründige und Schockierende ist hierbei niemals Kalkulation, sondern bloßer Nebeneffekt beim Hörer.

Denn Walker geht es weder um ein explizites Verstören, noch um Wohlklang. Es geht ihm immer um das totale und neuartige Klangerlebnis als Faszinosum. Für schnödes Popstartum oder abgeschmackte Skandalnudelei ist in diesem Universum transformierter Klänge kein Platz. Konsequenterweise treten Instrumente nur als abgewrackte Mutation ihrer angestammten Showbiz-Rollen auf. Fuck off Normativität, willkommen neues Hörerlebnis.

Konkret bedeutet dies, dass Trompeten und Co. klingen wie verendende Waldtiere. Gleichwohl gerät "Soused" deutlich hörbarer und eine Spur komfortabler als der Vorgänger "Bish Bosch". Das liegt zum einen an den warmen Lavaströmen der Gitarren Sunn O)))s und zum anderen an Walkers zumindest in Teilen melodischen Gesangslinien. Sein Bariton singt erstmals seit vielen Jahren wieder gelegentlich in Versform und deutet ein Füllhorn melodischer Ansätze an, die einander die Klinke in die Hand drücken, bevor sie im Treibsand dieses Horrorshops versickern.

Auf diese Weise lockt der Brite das Publikum in einen akustischen Kokon, nur um den Hörer mit eiserner Stiefelspitze wieder aus der Kuschelecke zu kicken. "Mir fallen oft romantische Melodien und Themen ein. Dann denke ich mir: Oh, das werden die Leute sicherlich lieben! Wenn das passiert, lasse ich es erst zu und erdrossle es kurz darauf. Denn ich bin grundlegend nicht mehr an musikalischer Harmonie interessiert."

Walkers Geheimwaffe ist sein Masterplan aus totaler Kontrolle (Komposition, Arrangement und Produktion) und jenem Freiraum, den Partner in Crime wie Stephen O' Malley und Greg Anderson für die zupackende Sunn O)))-Glut brauchen. War "Bish Bosch" noch vollgestopft mit Libretti, die er gegen ein Orchester ansingen musste, legt er seinen schamanischen Gesang hier luftiger und sparsamer an, um ihnen den benötigten Klangraum auf Augenhöhe zu überlassen. Alles andere passiert im Kopf des Hörenden.

Eben diese Lust an abseitiger Morbidität transportieren die Stücke ab jenem Moment, in dem man über das bloße Sounderlebnis hinaus die Texte Walkers an sich heran lässt. Sang er ehedem noch "The sun ain't gonna shine anymore", so ist jetzt auch noch die letzte schwach flackernde Glühbirne komplett über den Jordan. Hier und da tropft eine angedeutete Hook Sunn O)))s wie ein Blutstropfen an den Wänden der Songs herunter. Alles Licht wird nicht gedimmt, sondern gedoomt.

Die Liste des Grusels ist lang. "Bull" handelt von roher Gewalt als Kreuzzug gegen alles Empathische. In "Herod 2014" schützt eine Mutter ihr Neugeborenes vor den Todesschwadronen einer gar nicht so viel endzeitlicheren als unserer Gegenwart. Und "Lullaby" täuscht mit seinem zaghaften Folkelement nicht darüber hinweg, dass der ersehnte Schlaf des lyrischen Ichs keinerlei romantische Zweisamkeit verheißt, sondern auf einen assistierten Suizid hinaus läuft. "His cap will be empty; hey, non-e, non-e!" Diesen Track komponierte Walker ursprünglich bereits 1999 für eine Ute Lemper-LP.

Inmitten dieses unheilvollen Strudels ragt "Brando" als Fanal seines zutiefst englischen Humors empor. Der Ausnahmekünstler Walker outet sich als echter Fan von Marlon Brando, der in seinen Rollen überdurchschnittlich oft zusammengeschlagen wurde. Mit Bullenpeitsche und fetten Rockriffs zählen Scott-O))) Filmszenen als S&M-Orgie auf, in denen Brando leiden musste. Scherzhaft nennt Walker das Stück seinen Guns N'Roses-Song.

So erweisen sich Sunn O))) nach ihrem ebenfalls herausragenden "Terrestrials" mit Ulver erneut als echte Kollaborations-Diamanten. Ihr frischer Lebenssaft für Onkel Scott als personifiziertes Herz der Finsternis scheint unschlagbar. Hoffentlich bleibt es nicht bei dieser einmaligen Zusammenarbeit. Ich kann dieses abgefahrene Avantgarde-Album allen empfehlen, denen der Sinn nach Musik jenseits ausgelatschter Pfade steht. "Soused" bleibt als Klang so hartnäckig im Kopf wie Munchs "Der Schrei" als Bild. Der Rest ist Dunkelheit.

Trackliste

  1. 1. Brando
  2. 2. Herod 2014
  3. 3. Bull
  4. 4. Fetish
  5. 5. Lullaby

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7 Kommentare mit 6 Antworten

  • Vor 10 Jahren

    das dieser drone scheiss immer noch nicht tot ist :frapp: da bekomm ich beim lesen der rezi tierisch lust nach landshut zu fahren und "videodrone" die zähne einzutreten

  • Vor 10 Jahren

    "Konsequenter Weise" Hnnnnggggg... Ulf! Solche Verbrechen hat nicht einmal die neue Rechtschreibung legalisiert.

    Album ist so lala meiner Meinung nach. Ich kann mich mit Walkers affektiertem Gesang nicht anfreunden und Sunn klingen erstaunlich angeleint. Aber ich werde noch ein paar Durchläufe wagen die Tage - so sperrig wie es ist, würde es mich nicht wundern, wenn der Groschen spät fällt.

  • Vor 10 Jahren

    Für mich so eine Art Lulu 2.0, was den Grad der Enttäuschung angeht. Wie Tinco schon ganz richtig gesagt hat, sind Sunn viel zu zurückhaltend und brav, so fließt alles irgendwie vor sich hin, was der Spannung auf Albumlänge doch ziemlich abträglich ist. Gegen Scotts pathetischen Gesang hab' ich dabei per se nichts, aber hier langweilt auch der nach einer Weile nur noch. Insgesamt ziemlich durchschnittliches Album, bei dem unglaublich viel Potential auf der Strecke geblieben ist.