laut.de-Kritik

Mit einem Song hinein in den Pantheon des Grunge.

Review von

Am 29. September 1992 erschien das in fünf Wochen eingespielte Stone Temple Pilots-Album "Core", das zu einem Welterfolg wird und die Band international bekannt macht. 25 Jahre später denken die Überlebenden der Alternative-Band mit dieser wahrlich üppig ausgestatteten CD/LP/DVD-Sonderanfertigung jenes Debüts an diese Zeit zurück. Und mal ernsthaft: Wer mag es den Amis verdenken, nach all dem was ihnen widerfahren ist?

Die eher mediokren Folge-Alben der 90er sorgten für vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit, ganz im Gegensatz zu den Drogenexzessen und Gefängnisaufenthalten des Sängers Scott Weiland. 2010 kommt es zum von kaum jemandem erwarteten Studio-Comeback ("Stone Temple Pilots") mit dem skandalumrankten Sänger, der sich zuvor mit Velvet Revolver selbständig gemacht hatte. Danach ist er mal wieder raus bei den Pilots und die Kollegen installieren Linkin Parks Chester Bennington als Weiland-Ersatz.

Im Frühjahr 2015 erscheint Weilands überraschend entspanntes Soloalbum "Blaster" mit den Wildabouts, neun Monate später findet man den Sänger leblos im Tourbus. Überdosis. Zwei Jahre später ist auch Bennington tot. Zum Zeitpunkt dieser Veröffentlichung haben die Stone Temple Pilots 15.000 Kandidaten für den Sängerjob gecastet und wollen den Nachfolger von Scott und Chester im Rahmen eines Konzerts in Los Angeles vor Weihnachten 2017 bekannt machen. Es wird der erste STP-Auftritt seit einer Charityshow 2016 mit Bennington.

"Scott war einmalig. Unglaublich talentiert, einer der besten Texter unserer Zeit. Seine Texte, seine Songs, sein Vortrag; er war der Beste. Ich vermisse ihn. Ich vermisse den Mann, der er war. Ich vermisse ihn seit 15 Jahren", lautet eines der vielen emotionalen Zitate von Gitarrist Dean DeLeo um diese Wiederveröffentlichung. Die guten, alten unbeschwerten Zeiten der Jugend, die in "Core" mitschwingen, sie wurden in Dean, Robert DeLeo (Bass) und Eric Kretz (Drums) auch wachgerufen, als sie die Fotos für das Booklet sowie die Demos anhörten.

Vor allem die hier vorliegende Super Deluxe Edition erfreut das Fanherz in vollem Maße: Eine 180g-LP des Albums, flankiert von vier CDs mit dem remasterten Album sowie unzähligen Live-Versionen (Castaic Lake/Kalifornien und Reading 1993), Demos und den sieben Songs ihres MTV Unplugged-Auftritts vom 17. November 1993. Eine beigelegte DVD hätte allerdings etwas aufregender ausfallen können: Sie listet die vier Single-Videoclips und das Album im 5.1-Surround Mix. Im LP-großen Booklet lässt sich David Fricke über die Band aus, tolle Fotos inklusive. Das gute Teil ist auf 15.000 Stück limitiert.

Die Zeitreise kann also beginnnen. Auch wenn Stone Temple Pilots nie so dämonisch klangen wie Alice In Chains oder so niedergeschlagen und wütend wie Pearl Jam, planierte ihnen die Single "Plush" doch den Weg in die A-Rotation von MTV und damit auch einen Weg aus der eingleisigen Genre-Sendung "Headbanger's Ball". Dort entstand allerdings eine wundervolle, hier wieder ausgekramte Akustikversion von "Plush" im First Take. Näher war Weiland dem Kollegen Vedder stimmlich nie mehr. Der Pantheon des Grunge empfing die Jungs aus Long Island mit offenen Armen.

Fortan musste man nicht mehr mit Megadeth auf Tournee gehen, auch wenn STP immer näher an Alice In Chains waren als an den viel zitierten Grunge-Wortführern Nirvana oder Pearl Jam. Mehr Metal und Classic Rock statt Indie und Punk. Eher Rush als Pixies. Weilands Stimme passte dennoch perfekt in die Zeit: Hart, durchdringend, dabei aber immer auch verletzlich. Majestätisch heult er gleich im Opener: "I run through the world thinkin' 'bout tomorrow / thinkin' 'bout tomorrow". Rockbands, die textlich nicht nur Brunftgedanken artikulieren, sondern vielmehr auch wache Beobachtungen und seelischen Tiefgang zu Papier bringen, sind der Shit der Stunde, und die Pilots damit voll dabei.

Auch Songtext-Kontroversen, die die Öffentlichkeit spalten, zählen dazu. Der aus der Sicht eines Vergewaltigers geschriebene Text von "Sex Type Thing" etwa wollte Weiland als flammende Anklage gegen Triebtäter und die Objektivierung von Frauen verstanden wissen. Der Sänger wurde selbst als Kind misshandelt. Dass es Menschen gab, die Zeilen wie "I am a man / I'll give ya somethin' that ya won't forget / I said you shouldn't have worn that dress" in den falschen Hals bekamen, verletzte den empfindsamen Weiland, der ähnlich wie Cobain Höllenqualen litt, wenn er missverstanden wurde, und diese mit ähnlich fatalen Mitteln bekämpfte.

Zwar halten sich bis heute missliebige Meinungen, die Pilots seien nur aufgrund des riesigen Erfolgs der zu Beginn genannten Bands im Jahr 1991 überhaupt an ihren Plattenvertrag gekommen. Zumindest mit "Core" legte der Vierer aber ein respektables Rock-Brett vor. Acht Millionen verkaufte Exemplare und eine daraus resultierende achtfache Platin-Auszeichnung sprechen eine eindeutige Sprache. Für "Plush" sicherten sie sich außerdem einen Grammy als "Best Hard Rock Performance". Begeisterung, die eine über Nacht zu Ruhm gekommene Band ins Straucheln bringen sollte.

Das Demo des Non-Album-Tracks "Only Dying" lässt sich ebenfalls gut an. Ursprünglich für die 1994er Comicverfilmung "The Crow" geschrieben, hielt die Band die Nummer zurück, nachdem Schauspieler Brandon Lee am Set unter tragischen Umständen starb. So lautet jedenfalls eine Begründung. Gitarrist Dean verriet kürzlich, dass die Band selbst mit dem Song nie hundertprozentig glücklich geworden ist: "Ich weiß noch genau, dass Scott den Song noch einmal neu aufnehmen wollte. Und was den Gitarrensound angeht: Keine Ahnung, was damals mit mir los war. Vielleicht habe ich zu viel Robert Smith gehört. Wir haben einfach nicht das volle Potenzial aus dem Song rausgeholt. Schön ist er trotzdem." Besondere Anspieltipps sind auch David Bowies "Andy Warhol" (ebenfalls bei MTV Unplugged), die Acoustic Type Version von "Plush" und "Sex Type Thing" in einer herrlichen Swing-Version mit Marimba. Dass einige Demos qualitativ weniger ansprechend ausgefallen sind, dürfte den Fan angesichts der schieren Masse an Tracks kaum stören.

Trackliste

Original Album

  1. 1. Dead & Bloated
  2. 2. Sex Type Thing
  3. 3. Wicked Garden
  4. 4. No Memory
  5. 5. Sin
  6. 6. Naked Sunday
  7. 7. Creep
  8. 8. Piece Of Pie
  9. 9. Plush
  10. 10. Wet My Bed
  11. 11. Crackerman
  12. 12. Where The River Goes

Demos And B-sides

  1. 1. Only Dying – Demo
  2. 2. Wicked Garden – Demo
  3. 3. Naked Sunday – Demo
  4. 4. Where the River Goes – Demo
  5. 5. Dead & Bloated – Demo
  6. 6. Sex Type Thing – Demo
  7. 7. Sin – Demo
  8. 8. Creep – Demo
  9. 9. Plush – Demo
  10. 10. Sex Type Thing – Swing Type Version
  11. 11. Plush – Acoustic Type Version
  12. 12. Creep – New Album Version
  13. 13. Plush – Acoustic from MTV Headbanger's Ball (Take 1)

Live At Castaic Lake And Live At Readlin 1993

  1. 1. Crackerman
  2. 2. Wicked Garden
  3. 3. No Memory
  4. 4. Sin
  5. 5. Plush
  6. 6. Where The River Goes
  7. 7. Sex Type Thing
  8. 8. Wet My Bed
  9. 9. Naked Sunday
  10. 10. Wicked Garden
  11. 11. No Memory
  12. 12. Sin
  13. 13. Lounge Fly
  14. 14. Dead & Bloated
  15. 15. Sex Type Thing
  16. 16. Naked Sunday

MTV Unplugged 1993

  1. 1. Crackerman
  2. 2. Creep
  3. 3. Andy Warhol
  4. 4. Plush
  5. 5. Big Empty
  6. 6. Wicked Garden
  7. 7. Sex Type Thing

DVD Original Album 5.1 Mix

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