laut.de-Kritik

Der Auftakt zu einem großen Projekt.

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Am besten wird's bei der TTB 2022, wenn psychedelische Trance-Wogen um sich greifen. In "Round The Sun" zahlt sich aus, dass die Tedeschi Trucks Band sich für lange Stücke entschied. Die nostalgische Gruppe nimmt uns auf einen Trip in eine Ära mit, als sich die Wege von Hippietum und Freejazz kurz kreuzten.

Der sperrige Albumtitel "I Am The Moon - I. Crescent" steht außerdem für eine weitere Zeitreise. Denn Susan Tedeschi erzählt eine wirklich uralte Liebesgeschichte neu, die von Laila und Majnun. Die stammt aus dem 12. Jahrhundert und vom iranischen Dichter Nizami Ganjavi, enthält viele Wendungen, ein stetes Vor und Zurück. Die Bluesband braucht 125 Minuten dafür, verteilt auf 23 Tracks, von denen die ersten fünf dem Halbmond beim Aufgehen und Wachsen zusehen. Die weiteren Stücke folgen im Monatstakt auf den CDs "II. Ascension", "III. The Fall" und "IV. Farewell".

Ein massiver Block innerhalb des monumentalen Projekts wird dem frei flowenden Instrumental "Pasaquan" von zwölf Minuten Länge zuteil. Das fokussiert sich erst lange auf die Gitarre, um in einem pathetisch-kakophonischen Electric Blues-Wirbel in eine zarte, leise, sportlich slidende Keyboard-Fanfare überzutreten. Da sind wir am Ende von Minute fünf und können uns zurücklehnen. Gegen Ende der siebten Minute vernimmt man vor allem noch hauchfeine Snare Drum-Tuschs, und das Rauschen und Zischen eines langen Solos an Beckenschalen der Marke Zildjian, wie das Booklet exakt betont. Schlagzeuger Isaac Eady mischt neu in der Band mit.

Sein ausgiebiges, aber minimalistisches Solo wirkt wie eine Bekräftigung der reformierten Gruppenaufstellung. "Ich bin noch dabei, eine Menge rauszufinden", kommentiert er die Eingliederung ins Personal-Dutzend der TTB. "Bis dato habe ich nur 25 Auftritte gespielt. Es ist also immer noch was Neues und Frisches. Die Art, wie das vor sich geht, ist echt inspirierend", diktiert er New Orleans' Lokalzeitung Times-Picayune ins Blatt.

Den Jam-Charakter der TT Band trägt er auf jeden Fall gut mit, allerdings wirkt manches arg funktional, als würde man einem Soundcheck beiwohnen. Manches auf "I. The Crescent" macht einen so ungeschliffenen Eindruck, dass es wie eine Aufwärmübung rüber kommt. Und zudem dachten Tedeschi und Trucks an die Multimedia-Aufbereitung samt Film. Um dem visuellen Begleitmaterial irgendwas Sehenswertes abzugewinnen, braucht es viel Toleranz. Klischeebilder in Panasonic-Optik vom mittleren Osten zeigen kommentarlos Kamele in der Wüste. Überblendungen und vergilbte Bilderquellen sind zwar nette Stilmittel, aber erzählen nichts. Nahaufnahmen von Gesichtern der Bandmitglieder wechseln scheinbar willkürlich mit verwaschenen Panomara-Blicken auf Landstraßen, lieblosen Grafikanimationen und pseudo-ethnographischem Gewäsch mit Handkamera. Die zugrunde liegende Idee der Love Story transportiert sich weder in Bild noch Sound.

"Fall In" verwebt '70er-Soft Rock der Marke Doobie Brothers mit Dr. Johns Südstaaten-Rhythmik und tänzelndem Swamp-Blues. Am Mikro brennt Mike Mattisons rauchige Kehle. Wenn man sich ganz tief drauf einlässt, fetzt die Nummer, aber dazu braucht es viel Goodwill. Das Beste sind die Bläser. Innovativ wirkt aber weder dieses schnelle noch das nachfolgende, getragene Stück: "I Am The Moon". Susan fabriziert zwar eine schöne Mischung aus schwermütig und schwebend, ein bisschen im Stile Aimee Manns. Flashen mag ihre durchaus hingebungsvolle Art jedoch erst in "Round The Sun", wenn eine Art Reinkarnation von Grateful Dead aufblitzt.

Stilmix und Instrumente-Vielfalt mit Congas, Melodica und Sarod in Ehren - der Auftakt des Vierteilers "I Am The Moon - I.-IV." lässt noch viel Raum für den großen Wurf. So viel sei verraten: Teil II wird deutlich bluesiger, Episode III stellt die Vocals weit mehr in den Mittelpunkt. Part IV sorgt dann Ende August für Gänsehaut-Momente dank tief gehender Soul-Vibration. Was der erste Abschnitt ganz klar auslösen kann, ist eine Riesenlust auf große psychedelisch-bluesige Festival-Bands der Siebziger von Santana bis Lynyrd Skynyrd.

Trackliste

  1. 1. Hear My Dear
  2. 2. Fall In
  3. 3. I Am The Moon
  4. 4. Round The Sun
  5. 5. Pasaquan

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