laut.de-Kritik
Das vierte Album der New Yorker ist immerhin ihr drittbestes.
Review von Jakob RondthalerDas neue Strokes-Album: fünf Jahre nach "First Impressions Of Earth", zehn Jahre nach dem Debüt. Wie die Zeit vergeht. Die Frage ist immer noch, wie man sich einer Band nähert, die mit ihrem Debüt mal eben die gesamte Musikwelt in Aufruhr und die Kritiker in Entzücken versetzte und deren Einfluss man auch heute noch überall wahrnimmt, und das nicht nur in der Vorliebe für den bestimmten Artikel im Bandnamen.
Am besten wohl: alles vergessen, was man in den letzten fünf langen Jahren über "Angles" gelesen hat, in Blogs, Zeitschriften, von der Band selbst. Anfang letzten Jahres berichtete der New Musical Express, dass die Strokes ihr Album ohne Sänger Julian Casablancas aufnehmen, weil er, wie er sagte, "ziemlich eigensinnig" sei. Er habe das Gefühl, dass sich die anderen Mitglieder "besser entfalten können, wenn ich nicht im Raum bin". Richtig Mut machte das nicht.
Doch ausgerechnet das erste Album der Band, bei dem sich Casablancas vom Songwriting weitestgehend zurückzog, klingt nun auffallend nach seinem Soloalbum. Es vereint die leichten, lässigen Songs, die klingen, wie aus dem Ärmel geschüttelt, mit denen, die nach hochgekrempelten Ärmeln klingen: nach Arbeit, verkopft, irgendwie kompliziert. "Angles" ist rückblickend der missing link zwischen "Room On Fire" und "First Impressions Of Earth".
"Gratisfaction" wurde in US-Blogs schon mit Thin Lizzys "The Boys Are Back In Town" verglichen – klingt ungewohnt, fühlt sich aber doch irgendwie vertraut an. Auch "Two Kinds Of Happiness" klingt dank abgestoppter Gitarren ziemlich nach den 80ern. Der Vollständigkeit halber sei hier auch auf das Cover verwiesen, dessen Gestaltung ebenfalls in 80er-Jahre-Ästhetik gehalten ist, zu dem sich aber jeder weitere Kommentar verbietet (was, zur Hölle, haben sich die doch eigentlich ziemlich geschmackssicheren Strokes dabei gedacht?).
Neben die klassische Besetzung (zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug) treten öfter auch mal ein Synthesizer, nie dagewesene Backing-Vocals, vielschichtige Gitarrenspuren. Die Strokes sind immer noch experimentierfreudig, kriegen die Kurve aber besser als auf "First Impressions Of Earth". Sie verzetteln sich nicht, und die technische Versiertheit tritt hinter dem Song zurück, wenn es sein muss. Eine gute halbe Stunde dauert "Angles": in etwa so lang wie "Is This It" oder "Room On Fire". Allein daran merkt man, dass sie sich wieder auf alte Qualitäten besinnen.
"Under Cover Of Darkness", Albumvorbote und erste Single, erinnert stark an alte Zeiten. Ein Fab Moretti, neben dem jedes Metronom erblassen würde, ein nölender Julian Casablancas, und was Nick Valensi und Albert Hammond Jr. da mit ihren Gitarren machen, ist stellenweise genial. Wie kaum ein anderes Gitarrenduo zur Zeit ergänzen sich die beiden, großartig, wie sie ihre Melodien gegeneinander laufen lassen. Während sie auf "Room On Fire" damit fast jeden Song zum Hit machten, ist ihnen auf "Angles" zu verdanken, dass sie manchen Song vor der Belanglosigkeit retten.
Dass sich die Strokes hier ganz bewusst selbst zitieren, deuten Casablancas' Lyrics an. "I've been all around this town / Everybody's singing the same song for ten years", darf sicher als Anspielung auf das vor zehn Jahren erschienene "Last Night" verstanden werden ("Well, I've been in town for just about fifteen minutes now / And baby I feel so down").
"Machu Picchu" ist ein toller Opener, vor allem, weil er so überrascht. Das erste, was man von den Strokes nach fünfjähriger Abstinenz hört, ist ein astreiner Reggae-Rhythmus. Das wohl ungewöhnlichste Stück ist das dunkle, wavige "You're So Right": Auf ein repetitives Gitarrenriff betten sich Casablancas' lakonischer Gesang und elektronische Spielereien. Das Stück hätte, genau wie "Metabolism", auch auf das letzte Strokes-Album gepasst. In das Gesamtkonzept von "Angles" integrieren sie sich nicht.
Damit ist den Strokes eine tolle Eigenschaft verloren gegangen: "Is This It" und "Room On Fire" hatten nicht nur gute Songs, man musste sie auch in dieser und keiner anderen Reihenfolge hören. "Angles" ist eine Aneinanderreihung toller Songs, mehr nicht.
"You're So Right" und "Call Me Back" zählen eher zu den schwächeren Stücken, in letzterem kann man, zumindest anfangs, Fab Morettis Little Joy heraushören. Allgemein fällt "Angles" in der zweiten Hälfte, wie auch schon "First Impressions Of Earth", etwas ab. "Life Is Simple in The Moonlight" ist dagegen ein toller und würdiger Abschluss; schön, etwas schnulzig, aber nicht kitschig.
Dass Julian Casablancas während der Aufnahmen vom Rest der Band getrennt war, hört man nicht heraus. Doch dann stellt sich am Ende wieder die Frage, was man von dem neuen Strokes-Album erwartet hat. Einen Meilenstein wie "Is This It"? Wohl kaum. Die niedrigen Erwartungen, die die meisten Fans angesichts der vielen Berichte über Streit und Drogenprobleme hatten, übertrifft "Angles" locker: viele tolle Songs, wenig schwache, darunter viel Neues.
Das vierte Album der Band kann als ihr drittbestes angesehen werden. Und erwarten darf man wohl doch noch einiges von dieser Band, auch wenn man sie zwischenzeitlich fast vergessen oder abgeschrieben hatte.
18 Kommentare
Ich glaube gerade das "ziemlich gut"-sein ist schlimmer als ein wirklich schlechtes Album. In der Mitte hängts wirklich sehr durch, zieht aber nach dem tollen Start glücklicherweise wieder an.
"Ist This It". Is klar.
"Das vierte Album der New Yorker ist immerhin ihr drittbestes."
nach der einleitung brauchts egtl. keine review mehr... egal, werd so oder so bei gelegenheit reinhören....
first impressions on earth ist das beste album!
das sagt auch der NME und das ist eine deutlich renommiertere musikseite als laut.de
first impressions on earth ist das beste album!
das sagt auch der NME und das ist eine deutlich renommiertere musikseite als laut.de
First Impressions of Earth ist vor allem leider viel zu lang und enthält einiges Füllmaterial. Der Meinung sind mittlerweile sogar die Strokes selber.