laut.de-Kritik
Groovy Weihnachts-Tunes aus den 60ern und 70ern.
Review von Eberhard DoblerWas tun eigentlich Pop-Archäologen? Sie kramen in verstaubten Plattenfirmen-Kellern und fördern rare Song-Perlen zu Tage. So möchte man sich das zumindest vorstellen. Stefan Kassel und Frank Jastfelder kriechen aber sicher nicht mit Taschenlampe und Gummistiefeln bewaffnet durch die Katakomben des Universal-Gebäudes. Das Duo scannt mittlerweile zum dritten Mal Musikarchive nach raren Weihnachts-Tunes aus den 60ern und 70ern ab.
"It's The Most Wonderful Time Of The Your" trällert Andy Williams zu Beginn einen Tick zu schwärmerisch (man sieht geradezu den Coca Cola-Weihnachtsmann im Truck um die Ecke biegen). Doch er hat Recht: eine lässigere Zusammenstellung als die "Snow"-Zusammenstellung dürfte schwerlich zu finden sein. Wer auf erstklassigen Jazz, Pop und Easy Listening steht, ist bei Kassel/Jastfelder gut aufgehoben.
Was den entscheidenden Unterschied zu anderen Christmas-Formaten in den Musik-Regalen der Konsum-Tempel ausmacht, zeigt Ella Fitzgerald, die schon auf "Vol. I" einen extrem coolen Weihnachtsmann vor dem inneren Auge entstehen ließ ("Santa Claus Is Coming To Town" wird diesmal von den Temptations vorgeführt). Ellas Laid back-Interpretation des Klassikers "Sleigh Ride" (Jack Jones lieferte auf "Vol. I" eine Uptempo-Version ab) gibt dem Heiligabend die entscheidende Würze: Hier bauen sich keine Kinderlein nach dem Orgelpfeifenprinzip vor dem Tannenbaum auf, hier bekommt man einen Drink serviert, lässig an die Bar gelehnt.
Von abgehoben ("Peace At Least") bis besinnlich ("The Christmas Song" oder The Singers Unlimited), manchmal angekitscht (Vince Guaraldi Trio) oder kritisch ("Who Took The Merry Out Of Christmas") findet sich eine emotionale Bandbreite. Die Compilation stellt ein ausgewogenes Verhältnis aus Stars (Dean Martin oder Bill Crosby), weniger bekannten Künstlern (The Candy Store), Klassikern ("White Christmas") und selteneren Stücken ("Song Of Santa Claus (Papai Noel)") dar.
Zum Glück bleibt stets der Eindruck, dass Kassel/Jastfelder das Liedgut ("Christmas Morning") in den Vordergrund stellen - zweifellos das richtige Konzept. Auch wenn manches vielleicht für europäische Ohren blasphemisch klingt. Amerika mag es eben kitischig, vieles klingt aber eben nicht bierernst, sondern einfach nur erfrischend unverkrampft (The Stridelis oder The Beach Boys mit "Frosty The Snowman").
Gut, James Browns "Soulful Christmas" kann man vielleicht nicht jeder Oma über die Feiertage vorspielen, aber sein funky Drummer dürfte etliche Hip Hop-Stücke inspiriert haben. Kann Weihnachten schöner sein?
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