laut.de-Kritik
Demonstration künstlerischer Stärke und Leidenschaft.
Review von Ulf KubankeNoch vor kurzem langweilte Eric Clapton uns mit seinem aktuellen Studio-Narkotikum. Und nun der bereits dritte Aufguss der losen Benefizreihe "Crossroads". Löblich und respektabel, wie Old Slowhand alle paar Jahre eine Hand voller Allstars zu Gunsten seiner gleichnamigen Drogenentzugsklinik aus dem Hut zaubert. Aber stimmt es auch musikalisch?
Zunächst einmal zeigt sich Claptons überwiegend feines und sensibles Händchen bei der Auswahl der Gästeliste. Schon das höchst gelungene Opening mit einem launigen Sonny Landreth in Hochform bringt den Kreislauf auf Touren. "Z Rider" ist ein Lehrstück in fettem Bluesrock ohne Mätzchen und Schnörkel.
Clapton gibt derweil lässig den smooth lächelnden Entspannungspapst in Flipflops. ZZ Top als Vertreter des Texas Blues liefern ein grundsolides Paket ab. Netter Southern-Wüstenrock plus gewohnt rotnackig mackerhafter Sonnenbrille/Hut/Bart-Maskerade, die im puristischen Umfeld etwas deplatziert wirkt.
Claptons momentanes Lieblingskind Doyle Bramhall II hat schon maßgeblich zum Einschläfern der obig erwähnten Clapton-Platte beigetragen. Ebenso überfordert wirkt er bei seinem oberschülerhaften Auftritt. Und während man noch denkt: Weiße Jungs bringen es einfach nicht, ergießt sich – wie zur Bestätigung – mit Gary Clark Jrs "Bright Lights" ein echter Höhepunkt wie flüssiges Feuer über den Zuschauer.
Cool bis ins Mark verzaubert der Schamane sein Publikum mit einem der besten Rocksongs, die ich je gehört habe. Man glaubt förmlich, die Gitarre werde ob der Eigenvibration zerbersten. Wer so etwas aufs Parkett legt, den darf man getrost mit Hendrix urwüchsiger Wucht vergleichen.
Faszinierend gerät auch der smarte Keb' Mo-Auftritt. Der aus dem Urschlamm des Mississippi Delta stammende "Roll And Tumble Blues" erblüht in den Händen des Kaliforniers zur filigran gezupften Perle.
Auch für den Klassik/Jazzfan ist gesorgt. Die Anwesenheit Earl Klughs macht sich mit dem ästhetisch schmeichlerischen "Angelina/Vonetta" mehr als bezahlt.
Es ist schon jede Bewunderung wert, wie vielseitig und Genre übergreifend Claptons Anspruch an das Festival mittlerweile ist. Auch Jeff Beck darf als europäische Legende nicht fehlen. Seine seit etlichen Jahren immer mal wieder live erprobte Puccini-Hommage "Nessun Dorma" drückt die berüchtigt breitbeinige Manowar Interpretation des Liedes locker an die Wand. Obwohl man Beck den in Gestik und Mimik stets britisch sparsamen Rock-Gentleman vom Scheitel bis zur modebewussten Sohle ansieht, bringt er das Auditorium bei Hammerhead gänzlich mühelos zum Schwitzen und Zappeln.
Die Aussetzer auf der anderen Seite sind jedoch gravierend und nur mit Skip-Taste in Reichweite zu ertragen. Sheryl Crow bringt mit ihrem typisch trantütigen Country-Pop-Blues jede siedende Party ins Stolpern. Auch Vince Gill will mit seinem betulichen Hillbillykram so gar nicht ins Konzept passen. Und John Mayer versenkt seinen eigentlich passablen Mini-Gig in nervtötend unsympathischer Rockstarpose.
So weit, wäre das Open Air eine zwiespältige Angelegenheit geworden. Zünglein an der Waage zum echten Meisterkonzert sind am Ende die wahren Legenden des Blues. Der 80-jährige Hubert Sumlin – u.a. Gitarrist von Muddy Waters und Howlin' Wolf – zeigt in einer knappen Vierstelstunde, warum er Vorbild für Keith Richards, Hendrix oder Clapton war und ist.
Buddy Guy, der alte Stones-Kumpel (Shine A Light) ergänzt sich hervorragend mit dem quirligen Ronnie Wood. Dagegen wirken sogar die zuverlässig rockenden Clapton/Winwood wie blasse Bluesbeamten; sogar bei "Voodoo Chile".
Das Grande Finale gestaltet sich dann als absoluter Höhepunkt und bewegender Moment. "The Thrill Is Gone" schmettert der 86-jährige Pionier B.B. King den hypnotisierten Massen entgegen. Von wegen 'gone'! Der King hat immer noch 1000 mal mehr Blitz und Donner in Axt und Stimme als so mancher Blues-Möchtegern-Parvenu dieser Tage. Was für eine Demonstration ungebrochener künstlerischer Stärke und Leidenschaft.
Insgesamt kann man auch vor dem dritten Crossroads-Festival nur den Hut ziehen. Diese herausragenden Könner ihres Metiers kann ich nur jedem aufgeschlossenen Freund der Gitarre empfehlen. Und auch Onkel Eric ist immer dann am besten, wenn er sich die richtigen Gäste einlädt.
3 Kommentare
hmm den gary clark song hab ich mir grad reingezogen.. vergleich mit hendrix unangebracht
geht ja um die intensität, nicht die spielweise. Würd zwar auch andere als vergleich ranziehen, aber man hätte es schlechter formulieren können.
Die DVD kann definitiv so einiges, was bei Mr. Clapton und bei den (usual suspects) Gästen auch kein großes Wunder ist. Paar enttäuschen, I shot the Sheriff hät wirklich nicht nochmal sein müssen, aber insgesamt einfach gut.
Das Vince Gill nicht ins Konzept passt, kann ich auch nicht unterschreiben. Klar, ist er kein Buddy Guy oder B.B.King aber trotzdem ein super smoother mann. In jeder Hinsicht.
„...unsympathisch nervtötende Rockstarpose“? Habe selten einen so gefühlvolles „Ain‘t No Sunshine“ wie in dieser Version von Mayer gesehen. Und sein „Thanks for accepting us“, das er am Ende gen Publikum sagt, spricht wohl für alles andere als Arroganz. Und warum Vince Gill, der eben das was er hervorragend kann -nämlich Country-Musik- spielt, nicht in das Konzept eines Guitar Festivals passen soll, ist mir ebenso schleierhaft...