4. Juli 2022

"Aus mir wird kein Ufo361 mehr"

Interview geführt von

Wie "Imperium" zeigt, dreht sich bei Grim104 vieles ums Älterwerden und Sich-Verorten. Er erzählt außerdem von seinem Faible für Statussymbole, Geschichte und den Katholizismus. Außerdem geht es um Druck, Neid und den schmalen Grat zwischen Nostalgie und Hängenbleiben.

Eigentlich waren wir rund um den Auftritt von Zugezogen Maskulin beim HafenSounds-Festival in Reutlingen zum Gespräch verabredet. Es wäre das erste Interview seit Corona gewesen, das nicht telefonisch oder via Videoschalte stattgefunden hätte. Hätte, hätte ... was willste machen? Die Pandemie ist eben nicht vorbei, auch wenn alle Welt tut, als ob, und die ZM-Show krankheitsbedingt abgesagt. Wir treffen Grim104 also doch wieder nur am Bildschirm, dafür aber vorfreudigster Stimmung: Bis zum Release seines Albums "Imperium" ist es nicht mehr allzu lange hin.

Hi! Im letzten Interview meintest du: "Demnächst werd' ich Cowboy wie Lil Nas X." Dieses Versprechen hast du ja schon gebrochen.

(Lacht) Ja. Wobei: Zumindest mit dieser Grundstimmung, in den Sonnenuntergang zu reiten, bin ich auf jeden Fall in dieses neue Album reingegangen. Aber den Hut, den hab' ich dann doch weggelassen. Da dachte ich mir: Das kann ich mir jetzt doch sparen. Nach dieser Vampirplatte dachte ich: Ach, das ist ja genial! Ich kann ja in tausend Rollen schlüpfen, und dabei trotzdem immer noch was Wahres erzählen! Im Nachhinein denk' ich mir aber: Ach, nee. Es ist auch einfach schön, ohne dieses Blendwerk davor Dinge zu erzählen und ehrlich zu sein.

Würdest du "Imperium" als Konzeptalbum beschreiben?

Nee, weniger. Ich mach' ja schon Musik mit einem roten Faden, und durch "Imperium" zieht sich auch einer. Aber dieses ganze Konzept, das ich versucht habe, drum herum zu bauen, mit der Videothek und so weiter, das ist eigentlich eher Kampagne. "Imperium" hat diesen roten Faden: Vergänglichkeit, Älterwerden und Realitycheck. Aber es ist nicht superkonzeptmäßig. Es ist jetzt nicht aus der Sicht eines Turnschuhs gerappt.

Das Bild der Videothek kommt nicht nur im Coverartwork vor, sondern auch im Titeltrack. Vielleicht stand das im Pressetext, den hast du mir nämlich nicht mitgeschickt ...

Ach, Fuck!

Vielleicht steht da alles, was ich mir jetzt schlau selbst zusammengereimt habe: Mir ist aufgefallen, dass mindestens zwei Songs Filmtitel haben. Dann hab' ich nachgeforscht, ob das System hat.

Eigentlich müsste ich jetzt sagen: Das hat natürlich System! Es wird immer schlauer: Je länger man auf diese Platte starrt, desto genialer wird es. Aber: nee. Es ist Zufall. Was ist denn der zweite Filmtitel?

Das Versprechen?

Ah, okay! Hieß der später "Am helllichten Tag"?

Genau. Dann hab' ich weitergekuckt: "Numb" erinnert mich an "The Wall", was ein Film ist. Einen Film namens "Abrakadabra" gibt es. "Sonnenuntergang" zwar nicht, aber "Sundown", was scheißegut zu dem Songthema passt. Ich war sicher: Das muss System haben. Das steht bestimmt im Pressetext.

Tatsächlich wird im Pressetext noch einmal dieses ganze Videothekenbild aufgegriffen. Den Filmtitel "Komm Und Sieh", das war mir ganz bewusst, dass da dieser Film einfließt, das Nachdenken über diesen Film oder auch über die Zeit, die in dem Film behandelt wird. Ich hatte auch kurz überlegt, diesen Song "Als ich eins war, war Hitler hundert" zu nennen. Aber dann dachte ich, da muss ich von weg von diesem Tocotronic-haften. Oder: Davon möchte ich gerne weg. "Das Versprechen": Ich hab' den tatsächlich mal gekuckt und der war auch ziemlich gut, wenn ich mich so richtig dran erinnere. Aber: nee, eigentlich nicht.

Ich muss auch sagen: Als diese Cineasten unter "Komm Und Sieh" die ganze Zeit kommentiert und sich gegenseitig immer vorgeworfen haben, dass sie den Film nicht gekuckt haben, da dachte ich auch: Meine Güte, das ist so ein teilweise elitäres Pack, die ganze Zeit: "Du hast den Film ja gar nicht gekuckt!" und so. Deshalb bin ich eigentlich auch fast ganz froh, dass ich jetzt nicht alles mit irgendwelchen japanischen Stummfilmklassikern benannt habe, weil sonst wird das ganz schnell anstrengend.

Ich hab' dann noch gegooglet, ob es am Ende einen Streifen gibt, der "Honda Legend" heißt ...

Da kommt aber "Ghost Dog" sehr prominent drin vor, tatsächlich! Das ist auch mein Lieblingsfilm. Wenn ich so drüber nachdenke, welchen Film ich so, seit ich ihn das erste Mal gekuckt habe, bis heute, immer mal plus/minus als Lieblingsfilm bezeichnen würde, dann wärs "Ghost Dog".

Die Referenz hab' ich hart gefeiert. Gar nicht so sehr wegen des Films, den hab' ich auch gemocht, aber ich liebe den Soundtrack.

Ja, voll. Geht mir absolut genauso. Das sind ja alles so RZA- und Sunz Of Man-, Prodigal Son-Sachen, ich lieb' das auch. Dieses Intro, und dann geht da so ein RZA-Wu-Tang-Beat los und er fährt mit diesem Lexus durch die Nacht ... liebe ich.

Bei "Bam Margera" spricht der Songtitel für sich - und ja auch der Typ selbst. Wie fühlt sich das an, wenn einem das Idol der Kinder- oder frühen Jugendzeit Grüße schickt?

Ich sag' mal so: Ich als Zauberer kann meine Tricks nicht verraten, wie mir das Idol diese Grüße schickte. Teilweise, um jetzt mal bei diesem Magier-Bild zu bleiben, fast ein bisschen entzaubernd. Die Vorstellung, dass mir Bam Margera, der 2001, 2002 als internationale Popkultur so unglaublich unendlich weit weg von einem erschien, Grüße aufnimmt und schickt und meinen Künstlernamen richtig ausspricht, das ist in der Vorstellung alles einigermaßen absurd. Es fühlt sich total gut an. Es ist ja auch kein Disstrack, eher eine Reflektion über die letzten zwanzig Jahre in meinem und in Bam Margeras Leben. Es fühlt sich absurd an. Ich glaube, das ist das passendste Wort.

Lass' aber einfach vorne anfangen, "Abrakadabra" liefert ja die Steilvorlage, da gehts um Journalist*innen: "Auch, wenn ich mich seit Jahren nicht begreife, die tun so, als würden sie mich kennen." Das Problem teilst du wahrscheinlich mit allem, die ansatzweise persönliche Musik machen.

Ja. Es ist gar nicht sooo schlimm. Es stecken zwei Sachen in dieser Anfangsline: "Mein Name: Moritz Anton Wilken, hass', wenn Journos mich so nennen" ist das eine. Mittlerweile bin ich da auch wieder 'n bisschen milder geworden, aber ich hatte 'ne ganze Zeit lang 'ne ganz große Abneigung gegen dieses gerade im deutschsprachigen Raum vorherrschende Phänomen, dass man versucht, Künstler so zu entzaubern. Um noch mal das Bild des Magiers zu bemühen: Dass jemand so runtergebrochen werden soll, auf den bürgerlichen Namen, so rausgerissen aus dieser Kunstfigur, die man sich so mühsam erschafft. Ich muss aber fairerweise sagen: Auf dem Album verrat' ich dann ja doch auch wieder überraschend viele Details aus meinem Privatleben, inklusive die Namen von irgendwelchen Familienangehörigen, wo ich auch immer dachte, das muss ich eigentlich piepsen, irgendwie ist das fast zu doll. Aber, naja, nützt ja nix.

Ich glaube, das ist nicht nur bei Journalisten und Journalistinnen, sondern auch bei vielen Fans einfach so. Man starrt da zehn Jahre ... (unterbricht sich) also, nicht dass jetzt irgendwelche Fans von mir zehn Jahre auf mich starren, aber ich kenn' das ja selber auch aus der Fanperspektive. Auch ich hab' ja dann immer das Gefühl, dass ich denke: Ich kenn' den Künstler. Ich versteh' den Künstler. Ich versteh' ihn besser als die anderen Trottel! Und das kann manchmal total anstrengend sein, so Zuschreibungen von außen an die eigene Person. So gings mir auch nach der Graf Grim-Platte, dass ich auf einmal so 'nen Bunch an Vampir-Freaks angezogen hatte, wo ich mir dachte: Hey, Leute, ich mag das gerne, aber ich muss jetzt nicht mit euch Gruselrappern hier abhängen, das ist nicht so meine Welt.

Trennst du die Kunstfigur, die Rapperperson, von dir als Privatmensch?

Hmmm. Jein. Ich bin da gerade wieder selber in Bewegung geraten. Natürlich trenn' ich das. Ich trenn' die Figur auf der Bühne, ich mag auch schon gerne meine Privatsphäre und hab' das gern verdunkelt. Ich hab' viele Geheimnisse. Ich möchte nicht, dass die Leute wissen, wie meine Wohnung aussieht oder dass sie über meinen Familienstatus Bescheid wissen. Das versuch' ich schon alles sehr im Nebel zu halten. Vielleicht ist das der Punkt: Mir ist wichtig, dass ich kontrolliere, was ich an privaten Informationen herausgebe.

Gehts dir dabei mehr um deinen eigenen Schutz oder um den der Leute, die man vielleicht in irgendwas mit hineinzieht?

Natürlich um die Leute. Ich hab' auch immer das Gefühl, sobald man eine bestimmte Art der Musik macht, in der sich Leute wiederfinden können, was ja eigentlich was total Positives ist, zieht man manchmal ganz, ganz sonderbare Fans an. Ich kenn' das auch aus Gesprächen mit anderen Musikern: Da gibts welche, die haben echt wahnsinnige Fans. Das zieht teils echt bekloppte Leute an. Es geht mir einmal um den eigenen Schutz, aber natürlich möcht' ich auch nicht, dass Menschen, die mir nahestehen, irgendwie weird vollgelabert werden.

Wenn sich Leute verstanden fühlen, ist das ja was Schönes. Erstaunlicherweise scheinen oft gerade Außenseitertypen, die sich als die unverstandenen, dysfunktionalen Individuen, die sie halt sind, präsentieren, besonders viel Identifikationspotenzial zu bieten.

Das ist ja auch schön, und das mag ich auch gerne. Auch als ich noch nicht professionell Musik gemacht habe, da hab' ich mir das immer als Traumzustand vorgestellt. Als es MySpace gab und schon tendenziell die Möglichkeit, da hab' ich immer gedacht: Das ist so toll, die Vorstellung, dass jemand in Bayern mein Lied hört, das cool findet und dazu irgendwie relaten kann. Damals dachte ich: Dann hätte ich schon geschafft, was ich schaffen möchte. Wenn irgendwo anders außerhalb meines Freundeskreises, den ich so zuordnen kann, jemand die Musik mag.

Je älter ich werde, desto dankbarer bin ich auch dafür, finde das einfach toll und freu' mich auch, wenn Leute sagen: Das berührt mich, das macht was mit mir. Das hab' ich früher immer so von mir weggehalten. Gar nicht aus Bösartigkeit, sondern weil ich keine schlaue Antwort darauf hatte. Und, ja, eben auch, weil es immer mal wieder vorkam, dass sich Leute dann so reingesteigert haben, in dieses Gefühl, zu wissen, wie ich bin, und dachten, ich wär' irgendwie der Soulmate aus dem anderen Teil Deutschlands oder sowas ... Da habe ich auch einfach immer so 'n bisschen Distanz gewahrt.

Die brauchst du heute nicht mehr so dringend?

Ich kann damit besser umgehen. Ich versteh' mittlerweile mehr. Dass mich das nicht bedroht, und dass ich auch selber die Grenze ziehen kann. Wenn mich was nervt, wenn ich was creepy finde, was auch immer - na, dann muss ich ja nicht antworten! Dann kann ich das auch blockieren. Auf der anderen Seite merk' ich einfach: Ah, krass! Ich kann jetzt seit zehn Jahren diesen Lebenstraum Genüge leisten, vom Musikmachen zu leben, und von allem, das drumherum stattfindet und passiert. Ich freu' mich einfach darüber, dass das klappt, bin ein bisschen dankbarer und ruhe da selber mehr in mir. Früher hatte ich halt das Gefühl, ich muss so der unnahbare, verrückte Künstlertyp sein.

Hattest du dir das damals wirklich so ausgemalt, wie du es in einem deiner Tracks beschreibst? "Für uns war klar, dass wir Rapstars werden": War das wirklich ein Plan?

Ja. Um ehrlich zu sein: Das ist mein Jugendtraum. Ich hatte auch nie viele andere Sachen. Ich hab' mich schon immer sehr wohl auf der Bühne gefühlt. Ich hab' plattdeutsches Bauerntheater gespielt. Ich steh' auch einfach gerne im Mittelpunkt. Ich bin ein narzisstischer Typ, ich bin eitel, und ich mag das auch alles gerne. Und ich bin halt Rap-Fan, also erschien mir das immer als das perfekte Ziel. Ich hab' ja auch mal versucht, Schauspieler zu werden. Das ist aber krachend gescheitert, schon bei der Aufnahmeprüfung. Da hab' ich gleich gemerkt: Das kann ich aber auch einfach gar nicht. Ich weiß, dass ich ein ganz okayer Rapper bin. Ich weiß, was ich kann. Ja, ich hab' mir das schon so vorgestellt. Ich hatte natürlich auch immer irgendwelche Plan-Bs, und auch, wenn es jetzt zuende geht, dann falle ich weich, sozusagen. Aber ... nö, ich wollte schon immer gern Rapper sein, ja.

Punk war nie eine Option? Wenn man Bam Margera zugekuckt hat, früher, hätte das so fern ja nicht gelegen.

Das fand ich immer cool, von der Energie her. Meine Sozialisation sind ja die frühen Nullerjahre, um mal meinen Bandkollegen und Freund Hendrik zu zitieren, und da waren natürlich Hip Hop-Konzerte einfach unglaublich langweilig. Gerade auf lokaler Ebene war das immer so. Ich fand' Punk-Konzerte immer wilder und spannender und toller. Aber ich muss mir da auch nix vormachen: Ich bin halt ein Hip Hop-Typ, am Ende des Tages.

Irgendwann muss man dieser hässlichen Realität ins Auge sehen.

Genau! Ich mag das alles, ich bin auch interessiert an Punk. Aber wenn ich jetzt überlege, was meine tägliche Musik ist, dann ist es einfach Rap. Ich kanns nicht verleugnen.

Geht mir genauso. Ich denk' mir immer, nach jeder gültigen Logik müsste ich eigentlich Metal-Fan sein. Aber was mich gekickt hat, war immer Hip Hop. So scheiße der oft ist.

Voll! Absolut! (Lacht) Aber das hast du im Metal wahrscheinlich auch. Aber ich denk' das auch immer: Meine Güte, Punk ist doch cooler. Oder im Moment hab' ich auch wieder so 'ne wahnsinnige Phase mit Techno, elektronischer Musik und House und hör' die ganze Zeit so französischen Kram, Stardust, aus dem Daft Punk-Umfeld. Ich denk' mir: Da labert mich keiner voll, es macht mir gute Laune, es ist so elegant und so warm - aber am Ende des Tages mach' ich dann doch das Ranking, welches Wu-Tang-Album ich selber am besten finde. Am Ende führt es mich immer dahin.

Jetzt bist du tatsächlich Rapper geworden, viele andere haben das nicht geschafft. Das wiederum, sagst du, hat nichts zu tun mit Kraft, sondern nur mit Glück. Kannst du rückblickend ausmachen, an welchen Stellen du Glück gehabt hast?

Hmm. (Überlegt) Ich glaube, ich hab' einfach Glück gehabt durch ein Umfeld, das das supportet hat. Das das nicht so verächtlich gemacht hat, irgendwie. Wir sprechen jetzt so von 2007, 2008, 2009, als ich diesen Satz gesagt habe: "Ehrlich gesagt, möcht' ich nur Musik machen." Und die haben dann zwar nicht gesagt: "Ey, du solltest jetzt dein Studium oder deine Ausbildung oder dein FSJ sofort abbrechen und nur noch im Studio abhängen und Eimer rauchen. Das wird auf jeden Fall was!" Aber die sind trotzdem damit immer irgendwie liebevoll umgegangen. Weil sie vielleicht auch einfach gemerkt haben, dass ich das kann, dass das einfach eine Neigung und dass da so meine Leidenschaft drinne ist. Ich hab' wirklich viele Jobs versucht und angefangen, die alle so drumherum mäandern. Für viele Ausbildungen Vorstellungsgespräche gehabt oder erfolgreiche Probe-Arbeitstage und sowas, alles Sachen, die nicht so weit weg sind. Aber das hat mich halt nie so ganz erfüllt. Das war, glaub' ich, ein ganz großer Teil, erstmal dieses Glück der Umstände zu haben, dass die Leute einen so ermutigen und sagen: Das ist irgendwie cool. Wir freuen uns für dich, wenn das klappt.

Und ich glaube, ja, dann wahrscheinlich auf ZM betrachtet, dass irgendwann Hendrik Bolz in mein Leben getreten ist, bei rap.de. rap.de im Allgemeinen ist ein großer Glücksmoment gewesen. Das sind auch alles Sachen gewesen, die ich aus eigener Kraft geschafft habe, da hinzukommen und so weiter, und so fort. Aber: Das war ein Glücksmoment.

Ja, und dann vielleicht auch, dass irgendwann so 'ne musikalische Zeitenwende kam. Wenn ich jetzt an die Grim-EP denke: Es stand ja schon in den Löchern, dass sowas jetzt so funktionieren kann. Wenn die nochmal fünf Jahre vorher rausgekommen wäre, dann hätte sich daraus, glaub' ich, nicht so viel machen lassen können. Dasselbe gilt für ZM auch. Dass die Welt sich einfach weitergedreht hatte und auf einmal ein Platz für diese Art von Musik und diese Art von Künstlern und Künstlerinnen existiert hat, so dass man da so stattfinden konnte.

Das jetzt ist entspannender, weil: Das ist alles mit einem sehr kleinen Team auf die Beine gestellt. Ich hab' mich selber um die Finanzierung der Platte gekümmert. Mit lieben Grüßen an die Initiative Musik. Liebe, liebe Grüße! (Lacht) Dadurch ist es nicht so dieses Das-muss-jetzt-so-super-big-werden. Ich freu' mich natürlich, wenn ich viel Geld damit verdiene, ein okayes Leben damit führen kann und noch ein bisschen Kohle habe, um das in neue Projekte zu stecken, Aber es ist jetzt gerade nicht so wie 'ne ZM-Promophase mit irgendwelchen 100.000-Euro-Budgets. Da wird halt mit sehr viel Geld herumhantiert, und da lastet ein ganz anderer Druck drauf.

Kleine Produktion, kleines Team, du machst deine Promo selbst. Welche Vorteile hat für dich, alles alleine zu machen? Hast du kein Bedürfnis, Aufgaben abzugeben?

Ich mach' ja nicht alles alleine. Die zwei Leute, die dieses Label Recycled Earth Music machen, die helfen mir wahnsinnig. Das kann ich auch nicht alles alleine. Aber es ist halt alles sehr viel kleiner. Ich hab' mir auch Leistungen dazugeholt. Es gibt Leute für alles, was Print-Marketing und Print-Promo angeht. Der Zerstörer, Dom, macht den ganzen Online-Bereich, alles, was mit so Tools und Gadgets zu tun hat, was ich schon bei der "Das Grauen, Das Grauen"-Werbekampagne gut nutzen konnte, so kleine Videos. Hotel Rocco macht Artwork und Grafik. Aber natürlich ist es alles sehr, sehr viel kleiner.

Das hat auf der einen Seite erstmal den Nachteil, dass man sehr viel mehr selber machen muss, alles sehr viel anstrengender ist und mein Kopf die ganze Zeit mitdenkt und mitrotiert. Auf der anderen Seite hat er das auch gemacht, wenn da zwanzig Leute dran gearbeitet haben. Ich hab' das Gefühl, diese Zeiten, dass einen große Labels so aggressiv in das Kunstmachen reinreden, gerade in dem Genre, in dem wir so unterwegs sind, die sind eigentlich vorbei. Man kann schon frei Musik machen. Aber es ist dann trotzdem was anderes, wenn ich bei Entscheidungen einfach nicht nochmal Rücksprache halten muss, sondern ich einfach auf mein Bauchgefühl hören kann und weiß: Ja, das ist schon das Richtige für mich. Und selbst, wenn es dann nicht so gut klappt und das nicht die Menge an Klicks oder Pre-Sales oder was-weiß-ich-noch-was bringt, dann fühlt es sich trotzdem okay an. Ich kann halt mehr ausprobieren. Und natürlich bleibt mehr bei mir hängen. Das ist so schlecht für mich auch nicht.

"Das Bild von mir als Gugu-gaga-Horrorclown möchte ich nicht bedienen"

Es geht auf dem Album viel ums Älterwerden, ums Bilanzziehen, auch darum, zu kucken: Wo steht man selbst, wo stehen die anderen. Ist dieses Sich-Vergleichen ein Thema für dich?

Ja, das ist auch ein Thema für mich. Beziehungsweise ist ein Thema für mich, wie ich damit aufhöre, wie ich nicht mehr so viel nach links und rechts schaue. In einer Kultur, in der Competition und Battle Grundwerte sind, da ist es ganz schön schwer, sich davon freizumachen. Auch, wenn ich jetzt sage: Ja, is' geil, weil da bleibt mehr Kohle bei mir hängen, da denk' ich schon wieder in einer Gehirnhälfte: Ja, aber es ist eigentlich auch ... Ja, wenns für mich reicht, dann reicht es. Aber ich bin natürlich auch Zahlen unterworfen. Dieses Kucken auf "Wie, der hat jetzt schon so-und-soviele monatliche Hörer bei Spotify? Vor zwei Jahren war das doch noch vierstellig! Scheiße": Da merk' ich, wie ungesund das ist, und dass ich da ein bisschen lernen muss, auf mein Bauchgefühl zu vertrauen. Hey, das ist schon in Ordnung. Ich mach' die Musik, so, wie ich sie mache, gut. Ich kann das gut. Es kommt dahin, wo es hin muss oder hin soll. Ich muss einfach aufhören, auf sowas so draufzustarren. Aber ich bin natürlich auch noch nicht ganz frei davon, um ehrlich zu sein.

Dazu passt diese Selbstbezeichnung "Nischenrap-Überboss".

(Lacht) Der Weirdo-Rap-CEO, der Nischenrap-Überboss, ja.

Auf diesen Status könnte man sich eigentlich etwas einbilden.

Den habe ich mir aber auch selber gegeben. Es ist nie jemand zu mir gekommen und hat gesagt: "Du bist der Weirdo-Rap-CEO, du bist der Nischenrap-Überboss!" (Lacht)

Was bei sowas trotzdem immer mitschwingt, ist dieses Sich-Schönreden, dass man halt doch nur in der Nische der Boss ist.

Ja. Aber nee, das ist, glaub' ich, kein Schönreden. Das ist ganz entspanntes Akzeptieren. Sich Wohlfühlen auch, und merken: Aus mir wird in diesem Leben wahrscheinlich kein Ufo361 mehr. Auch wenn mich der iced-out Schmuck und die Kleidung und die Statussymbole reizen, ist das, glaub' ich, auch mit so viel Stress und Scheiße verbunden, auf die ich einfach keine Lust habe. (Lacht) Aaah, wenn ich mich so höre, klingt es wirklich nach "Mann, wem mach' ich hier was vor? Ich will sein wie Ufo361!", und wenn ich jetzt sage: "Will ich aber wirklich nicht!", dann klingt es noch mal gelogener. Nee, aber ich bin wirklich ganz glücklich, so, wie ich gerade bin. Ich möchte das gerne weiter ausbauen und verfestigen und so weiter, aber ich stelle auch fest: Naja, das wollte ich nicht, und die Musik, die Kunst, ich mache, ist gar nicht darauf ausgelegt. Das ist dafür nicht gemacht, und das ist auch in Ordnung.

Von dieser nagenden Frage "Warum hat jetzt DER so viel mehr Klicks als ich, wo meine Mucke doch viel besser ist?", da kommt man wohl trotzdem schlecht von weg.

Ja. Ja und nein. Ich glaube, wenn man mal mit Radiopromotern spricht, das kann sehr traumatisierend sein. Auf der anderen Seite kann das aber auch sehr erklärend oder erleuchtend sein, irgendwie. Jetzt mal so, warum manche Songs im Radio laufen und manche nicht: Ich glaub', Ufo läuft jetzt auch nicht so random im öffentlich-rechtlichen Radio, da läuft wahrscheinlich eher Grim oder Zugezogen Maskulin mit 'nem schlauen Banger auf Radio eins oder Deutschlandfunk. Aber das ist natürlich so: Die Musik muss so runterreduziert sein, Wörter wie "Tod", Erwähnung von Drogenkonsum als solchem und so weiter ... Mir wurde mal erklärt, wie das so funktioniert, im Rundfunkrat, wie Songs ins Radio kommen und da dann wirklich laufen gelassen werden. Bei meiner Musik: Jegliche Coolness und jegliche Kante und irgendwie Rauheit, das müsste alles weggefeilt werden, und selbst dann hätte es noch keinen Erfolg. Und da merk' ich: Ja, das ist schon in Ordnung, irgendwie. Diesen Weg möchte ich nicht gehen, werd' ich nicht gehen können. Deshalb hört dann auch diese Frage so 'n bisschen auf, zu nagen. Es ist nicht dafür ausgelegt. Es ist nicht kompatibel, es funktioniert einfach nicht.

Um sich mit dieser Erkenntnis zu arrangieren, braucht es aber vermutlich Zeit.

Ja. Na, klar. Vor allem, wenn du schon mal dieses Gefühl hattest, jetzt so mit der Grim-EP und "Alles Brennt", dieses Gefühl: "Alle lieben mich" oder "Alle lieben uns". Boah, jetzt kommen wir hier in Bereiche rein, so auf Deutschrap-Superstar-Level, oder wo wir nur noch ein, zwei Schritte gehen müssen, dann sind wir da. Da braucht man dann nochmal zwei ZM-Alben dazwischen, um erstmal wieder so einen Realitycheck hinzubekommen. Wie wir bei "10 Jahre Abfuck" ja auch schon ein bisschen für uns erkannt haben, wo wir stehen und wo wir nicht stehen, und dass das eben auch okay ist, irgendwie. Ich find' nichts so bitter wie Musiker, die das Gefühl haben, dass ihnen die Welt etwas vorenthält, was sie eigentlich verdient haben. "Savas, gib mir die Krone!" Da merk' ich: Nee, das ist einfach nicht so.

Da würden mir auch ein paar Namen einfallen, bei denen immer so eine Bitternis mitklingt. Statt sich über das Erreichte zu freuen, fühlen sie sich betrogen um etwas, von dem sie glauben, dass es ihnen zusteht. Das hast du demnach nicht?

Genau. Nee, ich bin einfach von der Selbstreflektion her an dem Punkt: Naja, Songs über Vampire und Juri Gagarin, der im Weltraum verloren geht, und Crystal Meth-Konsum in Brandenburg, die haben ein anderes Publikum, das funktioniert nicht so, es ist einfach nicht so massenkompatibel wie ein Song über einen richtig fetten Kater oder so. (Singt) "Haha, Hangover! Yeeeaaah!" das ist einfach ein bisschen kompatibler. Und, Mann! Ich weiß auch, wie ich rappe, das ganze Drumherum. Zum Beispiel ist Trettmann ein gutes Beispiel dafür, dass man durchaus auch mit ernsten Themen Erfolg haben kann. "Grauer Beton", der Nachwende-Osten und so weiter ... aber einmal spricht das, glaub' ich, nochmal sehr viel mehr Leute an, und dann ist es auch musikalisch ein bisschen konsumierbarer. Zumindest konsumierbarer als die erste Grim-EP, wo ich immer dieses Bedürfnis hatte, zwei Sechzehner oder am besten noch irgendwelche abstrusen Versmaße, Vierundzwanziger UND dann noch einen Refrain reinzupacken. Da merke ich, das ist auch nicht mehr so nötig.

Damals hast du ja stellenweise dampfende Haufen auf irgendwelche Konventionen geschissen, ob das jetzt irgendwie passt ...

... in welchem Versmaß, ja. Hauptsache, erzählt. Hauptsache, raus. Ich war einfach so froh über diese Möglichkeit, das machen zu können und dass mir da jemand zuhört. Aber jetzt, auch durch das viele Live-Spielen ... also, gerade, wenn ich die alten Songs live spiele, denk' ich (jappst nach Luft): Hilfe, ey. Das ist mir einfach zu viel. Das kann man nicht so durchhalten, in der Intensität. Ich merke, ich finds auch für mich selber einfach schöner und ein bisschen eleganter. Es muss nicht mehr alles so aus mir rausplätschern. Es ist auch mal schön, wenn man mal kurz absetzt, dann freut man sich um so mehr, wenns wieder losgeht.

Das haben mir jetzt schon ein paar Leute erzählt, dass mit der Live-Praxis immense technische Fortschritte kamen. Wobei das frühe Zeug in seiner Rohheit und Dringlichkeit auch was hatte.

Absolut. Natürlich, aber auch das ist dann wieder eine Form der Stagnation und des Bedienens, das kann ich einfach nicht. Ich weiß, dass das viele mögen, wenn ich so rumschreie, und das werd' ich auch immer wieder gerne mal tun. Aber ich hasse es einfach, wenn das so an mich herangetragen wird. "Ey, jetzt schrei' mal wieder! Wäh, wäh!!" Auch diese Vorstellung von mir als so Gugu-gaga-Horrorclown, da merk' ich einfach: Nee, dieses Bild von mir möchte ich bitte nicht bedienen.

Möchtest du dieses spezielle Bild nicht bedienen, oder richtet sich die Abwehr gegen das Bedienen generell?

Sowohl, als auch. Beides. Wobei, wenn das Bild wäre: Ich als erwachsener, cooler, eleganter Typ - das Bild bedien' ich gerne. (Lacht) Aber ich glaube, vor allem dieses andere Bild, das möcht' ich selber bedienen und spiel' das auch mal gerne und bin das dann auch. Aber wenn das Leute so von mir einfordern, dann geht ganz schnell die How-about-no-Abwehrhaltung bei mir los.

Was den erwachsenen, coolen, reflektierten Typ angeht: Bei "Ü 30 Männer Im Club" hatte ich nicht das Gefühl, dass du dich schon ohne zu fremdeln in dieser Rolle des Ü-30-Manns im Club wiederfindest.

Bin ich ja auch noch nicht! Das bin ich nicht, und genau darum geht es in diesem Song. Um dieses: Meine Güte, das ist doch noch gar nicht so lange her, da hab' ich doch selbst noch das Pfand gestohlen, wie damals bei "Sternstunden der Bedeutungslosigkeit", und jetzt seh' ich mir selber so dabei zu und spür' so 'ne Mischung aus Anziehung und Abgestoßen-Sein. Ich bin natürlich auch nicht - und bin ich, glaub' ich, auch nie - final an dem Punkt, wo ich sage: So bin ich jetzt. Das ist es jetzt. So werd' ich sein, für den Rest meines Lebens. Ich entwickel' mich da weiter. "Ü 30 Männer Im Club" ist auf jeden Fall viel Hadern und nochmal, zurückblickend auf sich, an seine Zwanziger zu denken. Muss ich das jetzt nochmal machen? Und dann aber merken: Nee, das wird dann ja ganz schlimm. Der Anfang-30-jährige Mann, der sich jetzt die Haare blondieren lässt, die Cap schräg trägt und jetzt nochmal so ein ganz teures Sneaker-Modell an die Füße zieht.

Anziehung und Abstoßung zwischen dem jungen und dem alternden Typen, die beruhen ja wahrscheinlich auf Gegenseitigkeit.

Glaub' ich nicht. Alte Leute im Club ... also, als ich zwanzig war, dachte ich mir bei so älteren Leuten immer: Wah, Alter, verpiss dich, Opa! Was willst du uns jungen Leuten die Lebensgeister aussaugen? Geh' ins Altenheim, geh' dein Gebiss putzen!

Na, es hat schon Vorteile, wenn man sich das Taxi nach Hause leisten kann.

Das auf jeden Fall, ja. Das stimmt. Na, klar! Ja, aber ich glaube, damals, als ich noch auf irgendwelchen G-Shock-Partys die Uhren gestohlen habe, da war ich einfach nur young, wild and free wie Wiz Khalifa und Snoop Dogg.

Am allerschlimmsten find' ich Leute, die mit so einer ranzigen Attitüde zurückschauen und weinerlich von "damals" erzählen, "das war noch eine gute Zeit". "Das war noch Musik." Das passiert auf "Imperium" zum Glück nicht, aber es ist ja schon ein Rückblick auf eine Zeit, von der klar ist: Die kommt nicht wieder.

Wortwörtlich sogar: Den Geist einer Ära kriegt man nicht wieder.

Zum hängengebliebenen Nostalgiker ist es da nicht sehr weit.

Ich glaube, das ist ein ganz schmaler Grat. Es ist supermenschlich, sich gerne an etwas zurückzuerinnern. Gerade, wenn dann auch mehr da ist, an das man sich so zurückerinnern kann. Dann reist man gerne in die Nebel der Vergangenheit oder der Jugend. Gleichzeitig muss man halt aufpassen. Beziehungsweise: Man muss auch nicht aufpassen, wenn man so sein möchte. Wenn man sich so fremd fühlt im Hier und Jetzt, dann kann ich auch verstehen, dass man sich so drin wohlfühlt. Wenn man es jetzt auf Musik oder Popkultur bezieht, dann hat das natürlich ganz schnell was Hängengebliebenes. Aber ich glaube, wenn man sich manchmal so denkt ... zum Beispiel diese Agenturisierung der Arbeitswelt, was einem immer so als superfluide Arbeitszeiten und so verkauft wird, daran merk' ich dann: Ich find' das ganz schön, wenn ich mich an eine Zeit zurückerinnere, wo das Versprechen noch galt, dass es eine gute, faire, gerechte Zukunft geben wird. Ich hab' dieses Mark Fisher-Zeug nie gelesen, aber ich find' die Memes darüber gut und merke: Nostalgie ist eben auch da, weil die Gegenwart so wenig Glücksversprechen bietet, und die Zukunft noch weniger. Im Moment ja so wenig wie noch nie, auf einem sterbenden Planeten, der zwischenzeitlich von Seuchen und/oder Kriegen heimgesucht wird. Da kann ich schon verstehen, dass man gerne zurückschaut.

Wann ist dieser "Komm Und Sieh"-Track entstanden?

Vor dem 24. Februar, falls du das meinst. Den trag' ich schon ewig lange mit mir rum. Ich bin einfach interessiert an Geschichte. Ist jetzt auch nicht so sexy für Rapper, aber ich find' das alles einfach sehr, sehr interessant. Ich fand immer interessant, dass es irgendwann keine Menschen mehr geben wird, die am zweiten Weltkrieg teilgenommen haben. Egal, in welcher Rolle, egal, auf welcher Seite. Irgendwann wird das einfach weg sein, während als ich neun oder zehn war, hatten alle meine Jugendfreunde noch irgendwelche Opas, die aus Stalingrad oder so erzählen konnten. Das war noch sowas irgendwie Lebendiges. Aber das so hinzubekommen und zu verbalisieren, dass es dann noch auf einem Song gut klingt ...

Ich war auch mal in Brandenburg auf so einem alten Waldfriedhof, da war ein Grab, da hatte jemand von 1900 bis 2000 gelebt, runde hundert Jahre, und ich dachte: Was für ein Wahnsinn. Du bist zwölf, als die Titanic gesunken ist. Du bist noch unter einem Kaiser geboren worden, bist 14, wenn der erste Weltkrieg ausbricht, 33 bei der Machtergreifung der Nazis, 45 bei Kriegsende ... da passiert so viel, in dieser Zeit, und du kannst trotzdem noch den ersten Gameboy auf der Straße sehen oder dann im Altenheim im Radio einen Nirvana- oder Tupac- oder Beastie Boys-Song hören. Das fand ich ein faszinierendes Bild. Ich glaub', da schreib' ich seit drei Jahren dran rum, dass das so ist, wie es jetzt geworden ist.

Hart, dass der jetzt wieder so eine gruselige Aktualität gekriegt hat.

(Unglücklich) Ja. Ich habs nicht gedacht. Zynisch gesprochen, aus Marketingsicht, dachte ich auch: Ach, Scheiße. Das ist ja jetzt wie "Endlich wieder Krieg", was mach' ich denn jetzt mit diesem Lied? Auf der anderen Seite hab' ich dann aber auch gedacht, es ist eine ganz fest umschriebene Zeit, in der das spielt, verhandelt wird und stattfindet. Das ist jetzt einfach so. Ich finds ja auch interessant, dass man gerade jetzt am Krieg Russlands gegen die Ukraine nochmal so viel erfährt. Alleine die Tatsache, dass irgendwelche jüdische Holocaust-Überlebende in ihren Kellern verhungern, weil sie abgeschnitten sind von der Lebensmittelversorgung, oder erfrieren oder was weiß ich was. Auch das zeigt einem manchmal, wie ewig lange so ein Menschenleben ist und was alles da drin stattfinden kann. Dass man so einen Krieg überlebt wie in diesem Fall 1939 bis '45, und dann am Ende im Jahr 2022 in seinem Keller stirbt, weil die Lebensmittelzufuhr blockiert ist. Was für ein Irrsinn.

Ich hab' den Song auch so verstanden, dass es darin um die Nachwirkungen geht, die der zweite Weltkrieg auch auf die Kinder und Enkel der Täter noch hat, auf die nächste und übernächste Generation.

Ja, auf jeden Fall. Das find' ich auch interessant, wie so vieles aus der Nazizeit noch fortlebt und seine Spuren hinterlässt. Zum Beispiel, das hab' ich auch wieder in Brandenburg gesehen: Da hast du so ein 187-Tag an einem leeren, verlassen wirkenden Netto, und davor ist diese Pyramide, die auf den Todesmarsch aus den Konzentrationslagern '45 hinweist. dass das alles so zusammen existiert, das find' ich irgendwie crazy, und ich bin eigentlich auch ganz froh, dass ich geschafft habe, dieses Gefühl, das ich dabei habe, so on point zu verbalisieren.

Das Video fängt dieses Gefühl auch gut ein.

Voll. Props an Liam Tanzen und Laurin Schuh an der Stelle.

Wenn du sagst, früher hatten alle noch Familienmitglieder, die aus dieser Zeit erzählen konnten: Wie war das in deiner Familie?

(Lacht) Alle im Widerstand, natürlich!

Nein, das mein' ich gar nicht. War das Thema? In meiner Familie nämlich gar nicht, da herrschte irgendwie ein Informations-Vakuum. Meine Großväter haben den Krieg beide nicht überlebt. Die Großmütter wollten nichts erzählen, oder sie haben es einfach nicht gekonnt. Meine Eltern waren bei Kriegsende kleine Kinder. Die wussten kaum noch was.

Ja, das war schon ein Thema. Ohne jetzt zu viel Privates erzählen zu wollen, aber der eine Teil meiner Familie kommt aus Holland und hat da eh nochmal einen ganz anderen Bezug. Da stand man halt auf der anderen Seite des Kriege, auch wenn jetzt in Holland anders damit umgegangen wurde als in Polen, der Ukraine oder der Sowjetunion. Ich bin da schon gut aufgeklärt worden, fand das aber immer schon so düster-faszinierend. Ich erinner' mich noch daran, dass ich früher dachte, dass ein Hakenkreuz ein Graffitisprüher wäre. Dass so Hakenkreuze überall hingesprüht wurden in den 90ern, ich glaube, das ist nicht nur ein ostdeutsches, sondern ein gesamtdeutsches Phänomen. Ich dachte, dass das einfach so, wie heute ein 187- oder Tupac- oder Wu-Tang-Zeichen, einfach jemand rangesprüht hat, wie so ein Anarchie-Zeichen, vielleicht sogar vom gleichen Urheber. Ich dachte, dass das so ein Graffitisprüher ist, der so an der Wand steht, und hab' mir das dann mit ... ach, keine Ahnung, wie alt ich da war ... mit so vier, fünf Jahren auf die Hand gemalt. Da bin ich doch sehr eindeutig von meiner holländischen Verwandtschaft dazu aufgefordert worden, das abzuwaschen, als ich da zu Besuch war. Meine Eltern hatten das vorher nicht entdeckt, ich weiß, die hätten das genauso gemacht.

Ich hab' das Glück, dass ich aus einer solchen Familie komme. Mein Vater hat sich auch immer sehr für Geschichte interessiert und ist mit mir ins ehemalige KZ in Wilhelmshaven gefahren, da ist so ein Außenlager. Meine väterliche Familie kommt aus dem Emsland, da gibts das Emsland-Lager, das Moorsoldatenlied ... Ja, ich bin da schon sehr aufgeklärt worden. Ich find' das Thema aber unglaublich spannend und es lässt mich auch nicht los.

Du hast ein Faible für die ganz leichten Themen, scheint mir. Zeigt sich auch an "Das Versprechen".

(Lacht) Ja. Das auf jeden Fall! Aber nein, ich mag den Song auch. Beziehungsweise: Ganz viele finden den richtig gut. Ich find' ihn auch gut, ich mag den Song und bin froh, dass er so zustande gekommen ist. Aber ich merk' so, noch nicht mal wegen der Schwere, aber es ist nicht der heimliche Hit für mich.

Welcher wär' das denn?

Och ... (überlegt) eigentlich alle, die ich als Single releast hab'. "Bam Margera", "Numb" wahrscheinlich ... ja!

"Es ist nicht so gesund, deinen eigenen Namen zu googlen"

"Numb", wieder so ein fluffig-leichtes Thema ...

Ja. Es ist ein schweres Thema, aber wenigstens so warm und sommerlich und schön, dass es das konsumierbar macht. Wenn ich das jetzt auf so einem Piano-und-Streicher-Beat gemacht hätte, dann wär' ich jetzt, glaub' ich, deutlich unglücklicher mit. So aber find' ich ihn einfach warm und schön, wie an 'nem Sommerabend im Juni durch so ein blühendes Mohnblumenfeld zu laufen und so seinen Gedanken nachzuhängen. Eigentlich, fällt mir jetzt gerade ein, war die Ursprungsidee des Songs eigentlich Schmerzmittel, diese Opioid-Krise, die in den USA ja ein Ding ist, Adderall und Xannies und Benodiazepame ... keine Ahnung, ich kenns auch nur aus Raptexten. Aber das fand ich interessant, dass es der Gesellschaft so ein Bedürfnis ist, den Schmerz auszuschalten, und was das eigentlich über eine Gesellschaft sagt, wenn da so ein Bedürfnis nach Betäubung existiert.

Kennst du dieses Bedürfnis?

Ja, aber ohne schwere Opiate. Ich hab' das alleine schon mit meinen Musik- oder Medienkonsum. Ich muss mich daran hin-erinnern, dass es auch okay ist, nicht die ganze Zeit einen Podcast, irgendwelche Songs, irgendwelche YouTube-Schnipsel, irgendeine Atem-Doku und am besten noch alles gleichzeitig laufen zu lassen, damit auch bloß kein einziger Gedanke zustande kommt. Das so ruhigzustellen, das ist meine Form der Betäubung, einfach eine Dauerbeschallung. Ich hab' Schwierigkeiten damit, dass es auch mal leise sein darf und man etwas zuende denken kann.

Wenn man da Abgrenzungsschwierigkeiten hat, sind Social Media, Twitter, Instagram, wahrscheinlich Gift.

Absolut. Totales Gift. Jetzt, wo du es sagst, muss ich direkt mal auf mein Handy kucken. Totales Gift! Dass man da auch kein Ende findet, dass es einen immer wieder verführt, draufzuschauen und mitzumachen, und ja, es ist natürlich auch gerade Promophase. Ich habe etwas zu verkaufen! Deshalb bin ich natürlich doppelt und dreifach dran und bin auch hemmungsloser, irgendwie, während ich sonst immer weiß: Ey, es ist nicht so gesund, deinen eigenen Namen zu googlen ...

Machst du das?

Ja. Ja. Ich bin nicht stolz drauf, aber ich denk' mir dann immer: Ich muss ja kucken, was passiert. Wer hat über mich geschrieben? Ah, verdammt! Oder Kommentare durchzuchecken oder sowas, das wird wahrscheinlich etwas sein, wovon ich langfristig auch wegkommen muss. Weil das ist Crack für mich, in jeder Hinsicht. Es macht mich süchtig, und es macht mich kaputt. Das bekommt mir überhaupt nicht gut.

Und es verwischt auch wieder die Grenzen zum Privaten.

Absolut, weil letztendlich bin ich da als Privatperson in meinem stillen Kämmerlein und kuck' mir an, was irgendwo ein kleiner Wichser mit 'nem Animé-Profilbild über mich schreibt. "Ey, Grim ist fett geworden!" Da denk' ich mir zwar: Meine Güte! Aber in diesen Momenten hab' ich halt nicht diese Kunstfigur dazwischengeschaltet, sondern bin da so alleine und muss dann echt immer aufpassen, damit ich irgendwann auch damit aufhöre, mir diese Scheiße durchzulesen. Und dann les' ich mir auch sehr selektiv nur den Scheiß durch, nicht die ganzen freundlichen Kommentare. Aber auch da bin ich schon ein ganzes Stück weiter als noch vor fünf Jahren. Da konnte man mich noch dazu bringen, meine ganze Persönlichkeit zu remodulieren, um irgendeinem kleinen Schweinchen Genüge zu tun. Wirklich! 2017, '18, das waren echt düstere Jahre für mich.

Das ist das Coole am Älterwerden. Das körperliche Zerbröseln bräuchte ich nicht, aber was irgendwelche Dullis im Internet von einem halten, wird einem halt zunehmend noch egaler.

Voll. Das merk' ich auch. Gerade so in diesem Umbruchsjahr zwischen 29 und 30, da war ich ganz schön dünnhäutig, was sowas angeht. Ich hab' mir da ganz schön viel Quatsch zu Herzen genommen. Da hab' ich versucht, vielem zu entgehen - nämlich dem Unausweichlichen, dass man halt älter wird. Das ist ja auch - ohne jetzt weitere Songs durchzusprechen - das Thema von "Voo Store": versuchen, sich eine Panzerung aufzubauen, indem ich jetzt besonders viel extravagante Kleidung trage, teuer und eye-catchy, dass ich damit nochmal besonders auftrumpfen kann, dann aber feststelle: Ach, Scheiße, man hat jetzt Dior, und das ist mir zu teuer! (Lacht)

Ist das ein Ding für dich? Designer-Kram, Statussymbole?

Schon irgendwie. Ja. Auf 'ne ganz bescheuerte Art und Weise. Ich seh' jetzt gerade nicht danach aus, in meinem YouTube-Zimmer hier, aber ich mag schon gerne sinnlose, schöne, teure Sachen. Manchmal denk' ich mir auch: Vielleicht investier' ich in die falsche Mode, wenn man es mir nicht so ansieht (lacht), aber ich kann dem schon was abgewinnen, viel Geld für sowas auszugeben. Ich mag einfach gern schöne, feine Sachen. Andererseits hab' ich dann wieder ein Auto, das fast so alt ist wie ich. Das ist mir nicht so wichtig. Aber bei ein paar Sachen hab' ich da so einen Dachschaden, irgendwie. Auch da bin ich in der Arbeit mit mir selber, merk' aber: Zum Teil bin das auch einfach ich. Wenn ich jetzt über Eitelkeit spreche und darüber, das auch irgendwie toll zu finden, was Besonderes zu haben, und mich gerne zu produzieren, dann merk' ich: Es fließt leider manchmal auch in so Banalitäten oder Nichtigkeiten wie Kleidung.

Benutzt du das dann, um dich von anderen abzuheben?

Das ist interessant. Wahrscheinlich schon, und das find' ich dann auch schon wieder doof. Irgendwie find' ich das total albern, und das funktioniert auch nur zu einem bestimmten Teil. Ich will mich auch nicht zu sehr abheben, weil ich will auch nicht aussehen wie so ein verkleideter Clown. Wenn ich so Leute sehe in so einem Wieviel-ist-dein-Outfit-wert-Video, dann denk' ich mir immer: Meine Güte, seid ihr scheiße angezogen! Ihr seht so doof aus! Ich glaub', das müsste ich vielleicht mal tiefenpsychologisch analysieren lassen, was hinter so einem Bedürfnis steckt. Aber das Besondere ... ich mag das einfach. Ich weiß nicht, woher das kommt.

Du willst zwar nicht so viel Privates preisgeben, erwähnst auf dem Album aber schon relativ private Dinge. Wie oft sagst du da "Therapie"?

Zweimal.

Kam mir öfter vor.

Dreimal. Zweimal bei "Imperium", einmal bei "Voo Store". Ich hab' nachgezählt.

Mindestens zweimal hast du außerdem erwähnt, dass du "nur Realschule" hast. Ist das auch ein tiefsitzender Stachel?

Ja. Es war ganz lange so, dass ich daraus einen übersteigerten Hass entwickelt habe, auf alles, das so intellektuell oder gymnasial daherkommt. Vor allen Dingen in der Zeit, da war das noch einmal viel doller, weil das die Leute auch immer von mir erwartet haben. "Du hast doch bestimmt Abi!" Dabei bin ich erstmal nur mit Müh und Not überhaupt auf die Realschule gekommen und dann auch nur mit Müh und Not auf der Realschule geblieben. Ich hab' danach noch so 'ne Fachoberschule besucht. Aber das hat mich schon ganz schön lange geschmerzt, weil ich auch einfach neidisch war, auf dieses etwas anregender wirkende Geistesleben. Auf so 'nem Kleinstadtgymnasium, da haben die dann doch nochmal die interessanteren Bücher gelesen. Wir haben "Die sanften Riesen des Meeres" über Walfang vor Madeira gelesen, und die hatten ... was weiß ich! Brecht! Da war ich einfach neidisch drauf. Das hat ganz tief in mir gesessen. Ja. Darüber jetzt so zu rappen, auch mit der entsprechenden Ehrlichkeit zugeben, eigentlich bin ich da neidisch drauf, und nicht versuchen, irgendeinen künstlichen Stolz draus zu machen: Das ist auf jeden Fall Teil der neuen Öffnung meiner Privatarchive, sozusagen.

Braucht man den zeitlichen Abstand, um sich erst einmal einzugestehen, dass man neidisch ist?

Ja. Voll. Absolut. Und man braucht vielleicht auch jemandem, der einem sagt: Das ist auch mal in Ordnung. Das hat zu irgendeinem Zeitpunkt irgendeinen Zweck erfüllt, und den brauch' ich jetzt aber nicht mehr. Ich bin da nicht mehr so drauf angewiesen, auf diesen Neid und dieses Überkompensieren.

Ich war bisschen verblüfft, dass das jetzt kommt, weil ich denke: Wenn man ein gewisses Alter erreicht hat, dann wird der Schulabschluss ja immer unwichtiger. Wenn man drinsteckt, die Kumpels gehen noch zur Schule und man selber nicht, da ist das vielleicht noch ein Ding. Aber später doch eigentlich nicht mehr?

Genau. Es ist jetzt für mich auch kein Ding mehr. Aber ich finds schon interessant: Es gab irgendwann mal so einen Bericht über einen deutschen Millionär. Der hatte auch nur die Volksschule, was ja damals die Entsprechung zur Hauptschule war, besucht, und wurde dann so Selfmade-Millionär. Wie Elvir Omerbegovic. Wow. (Lacht) Der hat erzählt, dass sie ihn immer kriegen mit griechischer Mythologie. Weil das an der Hauptschule in den 60ern oder 70ern halt nicht gelehrt wurde. Und wenn er dann mit anderen Millionären unterwegs ist, die alle eine klassische Schulbildung hatten, eine Schul-Ausbildung kann man es ja schon fast nennen, dass er da immer an den Punkt kommt, an dem er merkt: Ah, da bin ich irgendwie anders. Da bin ich anders groß geworden. Das fand ich ein schönes, interessantes Bild, und das merke ich dann doch auch manchmal. Das merk' ich auch immer noch, je älter ich werde: so Unterschiede des Großwerdens. Je älter man wird, wird es auf der einen Seite egaler. Auf der anderen Seite kommt es dadurch, dass die Leute wieder ehrlicher zu sich selbst sind, gleichzeitig wieder mehr zum Tragen. Vielleicht wird es auch wieder für mich zum Thema. Ich hoffe nicht. Aber ich hab' da zumindest lange drüber nachgedacht, über Klasse, Milieu ... all diese Dinge.

"Evangelische Knochen, katholisches Herz" - hast du christlichen Bezug?

Katholischer Vater, evangelische Mutter und 'ne Faszination für den Katholizismus. Als Kind erschien mir das, wenn man jetzt die zwei christlichen Konfessionen betrachtet, einfach als die spannendere. Ich fand das einfach immer spannend. Ein Priester, der auf Latein spricht, der gekreuzigte Leib Christi ... Bei uns im Dorf waren 99 Prozent evangelisch, und die ganzen Vertriebenen aus den Ostgebieten, das waren die Katholiken. Auch so uralte Leute mit so rrrollendem Rrrr, so wie Marcel Reich-Ranicki gesprochen hat, oder Leute, die Schlesisch sprechen, mit so einem schlesischen Zungenschlag, das fand ich einfach total interessant und spannend. Sternsinger! Während die evangelische Kirche für mich immer so 'n Jugendpfarrer war, der so auf 'nem Peter-Bursch-Gitarrenhandgriff mal ganz lässig einen Song von den Fantastischen Vier gerappt hat, oder Reinhard Mey, "Über Den Wolken". Da fand ich dieses Mystische und irgendwie auch ein Stück weit Romantische, das die katholische Kirche hat, einfach spannender. Ist jetzt nicht mehr ganz so populär, das so offen zu sagen. (Lacht) Die katholische Kirche hat sich auch ... ich sag' mal: den einen oder anderen Faux-Pas geleistet. Das hat mir aber auch Spaß gemacht, damit so in Gegenkurs zu gehen, darauf so wütend zu sein, das so zu hassen und mich daran so zu reiben. Aber ich kann mir zumindest gut erklären, warum ich das als Kind so spannend fand, und so geheimnisvoll.

Aus Faszination für Rituale, auch?

Ganz bestimmt! Dieses "Wann darf ich auch die Oblate haben?" Darf ich überhaupt? Ich bin laut Geburtsurkunde Protestant. Das Blut Christi, ich weiß gar nicht: Macht man das im Evangelischen?

Bei den Evangelischen kriegen alle die Oblate und alle vom Wein. Bei den Katholiken trinkt, soweit ich weiß, nur der Priester. Dort glauben sie ja auch an eine reale Verwandlung: Nach der Segnung IST dieser Wein das Blut Christi, und die Oblate sein Leib. Bei den langweiligen Evangelen gibts solchen Zauber nicht, da stehen die Sachen nur symbolisch für Blut und Fleisch.

Genau, stimmt. Das kommt mir auch gerade, dieses "Das IST das Fleisch und das Blut Christi". Aber auch alles andere: Auf Latein! Ich bin ja auch konfirmiert worden, und da wars eher so: Hey, wir wollen mal mit euch reden, über Cannabis! Ganz locker. Oder über Rauchen. Oder über Markenklamotten und so. Das sind Themen, da ließ sich der katholische Priester nicht zu hinab! Bei dem gings nur um die ganz großen Sachen. Ich versteh' auf jeden Fall, was mich da so angezogen hat.

Klingt aber, als wäre dieses Kapitel für dich abgeschlossen.

Ja. Ja, ja! Ich bin weder das eine noch das andere. Ich bin kein besonders religiöser Mensch und besuch' auch keine Kirche. Aber ich glaube, mit dem Älterwerden denkt man einfach sehr viel über seine eigene Kindheit nach. Das setzt viele Prozesse frei. Wieso bin ich so, wie ich bin? Was hat mich so gemacht? Wo komm' ich eigentlich her? Darüber hab' ich viel nachgedacht: Wieso ich so bin, wie ich bin.

Wie du in deinem Songtext schreibst: Wenn dein künftiges Kind dich fragt, was denn links ist - was sagst du dann?

(Lacht) Dann verweise ich auf den Song. Solidarität statt Zersplittern in immer kleinere Mikroidentitäten, die sich feindlich gegenüber stehen. Auch ein Stück weit Laissez-faire. Beziehungsweise: Ertragen, dass andere Leute andere Meinungen haben und dass das auch okay ist. Wenn es mal nicht gelingt, Leute zu überzeugen, dann ist vielleicht auch die eigene Idee noch nicht hundertprozentig zuende gedacht, oder man muss das auch einfach aushalten können. Neben all den anderen Sachen, die dazu gehören. Aber darum gehts mir in den Song, in dieser Line.

Ein weiseres Schlusswort bekommen wir heute nicht mehr hin. Vielen lieben Dank für die viele Zeit!

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