laut.de-Kritik
Wenn nichts mehr hilft, dann hilft Bernd Begemann.
Review von Michael SchuhJasmin Wagner singt Bernd Begemann-Songs. Ist das nicht toll? Nein, schreit das Unterbewusstsein binnen Nanosekunden. Aber wieso eigentlich nicht? Hätte ja auch schlimmer kommen können. Zum Beispiel, dass Begemann Wagner-Songs singt. Ekelhafte Herzscheiße, wie Funny Van Dannen wohl sagen würde. So aber darf bei dem neuen Pop-Pärchen gerne ein bisschen Lee Hazlewood/Nancy Sinatra-Feeling oder von mir aus auch Serge Gainsbourg/Jane Birkin-Nostalgie aufkommen.
Die Fakten: Ein - pardon, Bernd - nicht mehr ganz taufrischer, dafür in Liebhaberkreisen umso höher angesehener Komponist textet und musiziert für ein - pardon, Jasmin - bislang ausschließlich in Teenagerkreisen geschätztes Ehemals-Sternchen namens Blümchen. Der Indie-Papst und das Techno-Luder, Bernd Begemanns Blümchen-Befreiung, hach, sind da Überschriften möglich. Die prompt kommen: Das Feuilleton zollte dem Projekt bereits Respekt, und auch Harald Schmidt verschickte schon eine Einladung.
Nicht völlig zu Unrecht: Denn erstens interpretiert Jasmin Wagner nicht einfach grölfertige Begemann-Klassiker, sondern eigens für ihre neue Frauenstimme vom Meister erdachte. Und zweitens macht "Die Versuchung" streckenweise ziemlich was her, klingt unverkrampft und unverkopft, was wiederum vor allen Dingen eines ist: unerwartet. Es mag vielleicht ein wenig dauern, bis man sich eingesteht, dass hier ein paar Zeilen wirklich gelungen sind und dass auch die Stimme, also die, die früher mal Blümchens war, irgendwie klasse ist.
Wagner klingt nicht bemüht verträumt, sie macht nicht auf Lolita und sie ist schlau genug, ihren klaren Gesang nicht unnötig zu pressen, wie es andere Pop-Sängerinnen erfolgreich vormachen. Man sollte sich allerdings nicht unbedingt von der Vorabsingle zu einer vorgefertigten Meinung verleiten lassen. In "Männer Brauchen Liebe", so präzise es auch die musikalische Richtung des Albums vorgibt, zielt Wagner noch etwas zu unbeholfen und plakativ in Richtung Junge-Frauen-Lyrics.
"Männer sind was Süßes / wie aus der Konditorei / fang an zu genießen / und fang an dich zu freun", singt sie zu fröhlich poppenden 60s-Beats, während man insgeheim darauf wartet, dass sie im nächsten Moment nachlegt: "Männer haben's schwer, nehmen's leicht / außen hart und innen ganz weich." Da hilft es auch nichts, dass der große Bela B., der sonst lieber verkündet, dass Männer Schweine sind, der Debütantin am Ende des Songs ganz brav sekundiert. Beinahe erleichtert stellt man dann nach einer kurzen Recherche fest, dass nicht Begemann solche Zeilen verfasst hat, sondern die Herren Michel Van Dyke und Bernd Medek, die denselben Song - Trommelwirbel - in den 90ern bereits an Guildo Horn verscherbelten. Damaliger Titel: "Mädchen Brauchen Liebe". Bitte Frau Wagner, gehts denn noch einfallsloser?
Die Horn-Lyriker scheinen dann glücklicherweise nicht allzu viel verbrochen zu haben, denn im Laufe des Albums präsentiert sich Jasmin eher als nachdenkliche Mittzwanzigerin, gerne auch mal ein bisschen naiv, aber liebreizend, nicht dümmlich. Zwar entbehren die Texte eines vielleicht erhofften ironischen Zungenschlags, dafür wohnt ihnen ein gewisses Vergnügen inne, wozu sicher auch das Wissen um den dem Girlie-Idiom eher unkundigen Autor Begemann beiträgt. Die technoide Kinderzeit Wagners liegt jedenfalls meilenweit entfernt, und auch vom Rocker-Image eines Denim Girls, als das sie einst mit dem erwähnten Ärzte-Trommler den Turbonegro-Klassiker "Are You Ready For Some Darkness?" einspielte, ist auf "Die Versuchung" nichts zu finden.
Stattdessen setzt sie heute auf swingenden 60s-Pop im federleichten Easy Listening-Kleid, der seine besten Momente in den charmanten Songs "Ein Zerbrechlicher Moment", "Komm Schon Werd' Wütend" oder dem beinahe als Experiment zu bezeichnenden Stück "Versuchung" findet. Aber machen wir uns nichts vor: Begemann-Fans werden Wagners Platte kaum kaufen, und ob sich frühere Blümchen-Fans mit dem Jugendsound der eigenen Eltern abspeisen lassen, ist auch fraglich. Als Zielgruppe könnte vielmehr die neue (Pop-) Mitte fungieren: Im Deutschpop-Regal zwischen Toni Kater, Paula (deren Sängerin Elke den Chorgesang übernimmt) und Diane macht Jasmin Wagner nicht die schlechteste Figur. Die Tage, in denen sie ihre Songs in Tchibo-Filialen aufführen musste, scheinen jedenfalls gezählt. Wenn sich ein Publikum findet.
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