laut.de-Kritik

Hooks, Dampfhammer-Breaks, K-Pop-Präzision und Rivers Cuomo.

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Gute Nachrichten für alle, die den Mann hinter dem Megahit "Sail" vermisst haben: Aaron Bruno erinnert sich auf der vierten Awolnation-Platte seiner stürmischen Anfänge. "Angel Miners And The Lightning Riders" birgt viele jener Elemente, die "Megalithic Symphony" 2011 zum Knock-Out-Pop-Manifest machten: Energie, gnadenlose Hooks, Reizüberflutung mit der Präzision von K-Pop-Hitschreibern, Dampfhammer-Breaks, Synths & Bass, und Pathos in dick und fett und geil. Blame it on his ADD, Baby!

Wie weit es Bruno seit 2011 gebracht hat, belegen nicht nur Remixes von Beastie Boy Mike D. und Steve Aoki oder Auftritte mit Duff McKagan, sondern nun auch ein Feature mit Weezer-Sänger Rivers Cuomo. "Ich wusste sofort, dass das der Weezer-Moment auf der Platte ist", freut sich der Kalifornier im laut.de-Interview. Praktisch, dass sich Cuomo kurz zuvor als Awolnation-Fan outete und Bruno das Ding quasi nur noch eintüten konnte. "Pacific Coast Highway In The Movies" kommt dann, fast versteckt, kurz vor Schluss und mundet wie ein Stück Baklava, das man sich nach einer Salatschüssel Marshmallows reinzieht.

Fair enough, das Prinzip Zuckerbrot und Peitsche hat Aaron Bruno für den Nuller-Pop schließlich erfunden. Zu meiner Verwunderung wählte er für den Opener aber nicht "Mayday!!! Fiesta Fever (feat. Alex Ebert)" aus, einen dieser unwiderstehlichen Disco-Punkrock-Crasher, die erst einmal alle Nörgler und Bedenkenträger geräuschvoll aus dem Bild schieben. "Are you listening?", fragt er gleich zu Beginn rhetorisch seine Awol-Nation, und legt nach: "All I wanna do is play rock and roll / Play rock and roll at a disco party." YEAH, großer Meister, ich bin bereit, Zeitreise, 2011, beam me up. Aber wie gesagt: nicht Brunos Eröffnung, stattdessen wählte er "The Best" aus, sicherlich eine der stringentesten Singles bislang, die so wenig seiner üblichen ADHS-Soundstörfeuer enthält, dass sogar Alice Merton eine Version mit ihm eingesungen hat (jedoch nicht auf dem Album).

Der Vorgänger "Here Come The Runts" markierte 2018 einen Stilwechsel. Klar, auch dort gab es wieder die normalen vier Lieblingssongs, aber insgesamt wirkte die Platte weniger homogen und auch an die von Bruno präferierte Annäherung an Singer/Songwriter-Folk musste man sich erst gewöhnen. Ein Single-Hit blieb aus, genau wie die übliche ausgedehnte Europa-Tour, stattdessen konzentrierte sich Bruno auf die Fans in seiner Heimat.

Doch das Thema Musik war bald zweitrangig: Ende des Jahres wüteten in Malibu die Woolsey-Brände, sein Aufnahmestudio brannte komplett nieder, während Bruno auf Tour war. "Angel Miners And The Lightning Riders" entstand daher erstmals nicht an vertrautem Ort und nebenbei, auch nicht auf Red Bull Records. Die seltsame Liaison mit dem kulturellen Outlet des österreichischen Getränkekonzerns, der sich jahrelang mit Awolnations Coolness schmückte, ist nach knapp zehn Jahren beendet. Alles auf Neuanfang, also.

Die Konzentration aufs Wesentliche zahlte sich künstlerisch aus. "Angel Miners" ist der kleine Bruder des Debütalbums, der alles nachmachen will, weil er weiß, dass es cool ist. Die Refrains so infektiös wie bei Dua Lipa, doch Bruno mag die Arrangements immer noch nicht glatt und geschliffen, irgendwo muss es auch rumpeln oder knarzen. Wenn schon "Saturday Night Fever", dann bitte unter der Regie von Stanley Kubrick.

In "California Halo Blue" verarbeitet er die Schocknachricht der Brände in einer Ode an den Heimatstaat. Die Machtlosigkeit im Angesicht einer Katastrophe, die eine Zeile wie "Humanity, now I can see the devil's hold on this world" verströmt, erlebten viele erst mit Ausbreitung der Corona-Pandemie. "Slam (Angel Miners)", das pschedelische Synth-Strophen mit Himmelschören in einen Upbeat-Part hinein treibt, erinnert an "Knights Of Shame", der blütenreine Singalong-Pop "Lightning Riders" könnte (bis auf seine Screamo-Schreier) glatt im Original von Brunos Ex-Band Under The Influence Of Giants stammen, und wenn er in "Battered, Black & Blue (Hole In My Heart)" mal wieder seine Vorlieben für AC/DC und Pet Shop Boys kollidieren lässt, wundert das auch nur Awolnation-Unkundige.

"Pacific Coast Highway In The Movies" verblüfft in mehrfacher Hinsicht. Eigentlich hätte es Cuomo für den gehobenen Edel-Schmalz gar nicht gebraucht, gleichzeitig klingt der Song aber eher wie ein Weezer-Track, der Aaron Bruno angeboten wurde, und zu allem Überfluss sitzt man davor, wartet auf Cuomos Einsatz in der zweiten Strophe und hört dann das: "I slept inside of a chandelier last night / I'm always looking for the bright side of life / I'm lonely, I'm confused, and I'm glad that you're here / Give me shiny things to stop my tears." Da haben sich zwei gefunden wie Ernie und Bert.

Zum Schluss darfs a bisserl mehr sein mit den Rockgitarren: "Half Italian" fungiert noch als düsterer Hybrid, bevor "I'm A Wreck" dann als Powerballade beginnt und von einem rüden Metal-Part umgegrätscht wird. Passend dazu brüllt sich Bruno die Seele aus dem Leib: "Fake motherfucker / You know who you are/ Terrible actor / You know who you are / Go fuck!" Man braucht nur wenig Fantasie, um hier an den amtierenden US-Präsidenten zu denken, dessen Krisenmanagement der Woolsey-Brände auch nicht gerade als überwältigend in die Geschichtsbücher eingegangen ist. Diese Erfahrung dürfte Aaron Bruno auch zu der Entscheidung bewogen haben, das Album mitten in der Corona-Pandemie zu veröffentlichen, anstatt es zum eigenen Vorteil in den Herbst zu schieben. Und es zeigt, dass der Amerikaner Grundlegendes verinnerlicht hat: Solidarität ist im Moment das, was unsere Gesellschaft bitter nötig hat.

Trackliste

  1. 1. The Best
  2. 2. Slam (Angel Miners)
  3. 3. Mayday!!! Fiesta Fever (feat. Alex Ebert)
  4. 4. Lightning Riders
  5. 5. California Halo Blue
  6. 6. Radical
  7. 7. Battered, Black & Blue (Hole In My Heart)
  8. 8. Pacific Coast Highway In The Movies (feat. Rivers Cuomo)
  9. 9. Half Italian
  10. 10. I'm A Wreck

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5 Kommentare mit 3 Antworten

  • Vor 4 Jahren

    Die Platte wird bestimmt Laune machen. Ich bin nur nicht sicher, wie hoch der Trollanteil dieser Rezension ist. Nervtötenden K-Pop und nach 5 Sekunden vergessene Refrains der Marke Dua Lipa hatte Awolnation bisher ja so gekonnt vermieden. Meine Skepsis ist gestiegen.

    Übrigens: Eine Schüssel Marshmallows und Baklava danach sind nicht Zuckerbrot und Peitsche. Eher Zuckerbrot und Meringue.

  • Vor 4 Jahren

    Die K-Pop-Referenz hat mich auch erschreckt, aber hier die Entwarnung: es ist ein wunderbares Album voller Awolnation-typischer Energiebomben-Ohrwürmer geworden. Und es macht sogar sehr viel Laune. 4/5 auf jeden Fall.

  • Vor 4 Jahren

    Mein erstes Album von ihnen war Run.
    Seitdem bin ich Fan.
    Nach Run hab ich mir noch die alten Alben zugelegt. Mag eher diese Phase als die neueren Album. Aber aus Erfahrung kann ich sagen, dass die Alben nicht immer beim ersten hören total zünden. Also am besten anhören und nach einiger Zeit nochmal hören. Und nochmal. Dann macht's auf einmal Klick und man möchte es nicht wieder missen.
    Das finde ich so genial an AWOLNATION.

  • Vor 4 Jahren

    Joa, hübsches Pop-Album.

    Die Lyrics wie gehabt mit reichlich Pathos und eher nicht nobelpreisverdächtig. Ich finde diesmal auch die Musik stellenweise schon arg glatt - wundert mich insofern ein bisschen, dass Mr. Schuhplattler gerade bei dieser Scheibe eine Rückbesinnung auf den Wahnwitz von Megalithic Symphony heraushört - aber es funktioniert eben gut.

    Weil ich bisher auf keinem der Titel so richtig kleben geblieben bin, tendiere ich gerade eher zu drei als vier Sternchen. Aber wenn man mit den Vorgängern was anfangen konnte, macht man auch hier vmtl. nix verkehrt mit.

  • Vor 4 Jahren

    Das Konzept des Aaron Bruno hat sich ziemlich abgenutzt: Die Brüche in den Songs zwischen laut und leise, Hardrock und Elektronikparts überraschen spätestens nach dem 2. Hören nicht mehr. Der Vorgänger wirkte bei vielen Titeln noch sympathisch-schrullig. Hier nerven mich die cheesy Hooks, die nicht so weit weg von Stadiongesängen oder Bohlen-Refrains sind. Hätte eher 2-3 Sterne gegeben.