laut.de-Kritik
Die Farbe von Wasser kann Curse so schnell keiner reichen.
Review von Robin SchmidtMit der Ankündigung eines neuen Curse-Albums im letzten November schnellte der Spannungsbogen sofort in ungeahnte Höhen. Und zwar nochmal eine Prise heftiger als vor rund vier Jahren, als das Comeback-Album "Uns" erschien.
Mögen die dargebrachten Inhalte rund um das Thema 'Sich finden' in Kombination mit zwischenmenschlichen Beziehungen nach sechs Jahren Abstinenz mehr als berechtigt gewesen sein. Auch die Reduktion von Wörtern und Silben auf "Uns" erklärt sich aufgrund der Emotionalität. Aber: Diese Reduktion ist auch schwer zu verdauen gewesen. Jedenfalls dann, wenn sie von jemandem wie Curse stammt. Seines Zeichens Sprachvirtuose seit seiner Kindheit, mittlerweile Meditations-Workshop-Geber, Podcast-Pionier und Bestseller-Buchautor.
Stellt sich die Frage, in welchem Fahrwasser sich Michael Kurth 18 Jahre nach seinem Klassiker "Feuerwasser" diesmal bewegt. In einem, das im Wesentlichen auf drei Ankern fußt: Realness. Reife. Reflektion. Wie eh und je.
Doch "Die Farbe Von Wasser" geht noch einen Schritt weiter. Curse "Waffen" schaffen einen klaren "Blick auf das, was wirklich ist". In der "Achterbahn / Riesenrad" bekommt man einen freien Blick von oben auf die Welt. Curse zeichnet hier ein Bild vom Rummel des Lebens mit seinen einzelnen Stationen. Mal bleibt man stehen, an anderer Stelle fährt man wieder mit Schwung weiter.
Man könnte hier und da vermuten, dass Curse aufgrund seiner vollzogenen Metamorphose versucht, seine Hörerschaft in einer wie auch immer gearteten spirituellen Form zu bekehren ("Stell dir vor, der Buddha ist schon in dir drin / Erleuchtung kann auch im Späti kommen, du musst nicht nach Indien"). Doch weit gefehlt. Curse ist einfach erwachsen geworden, sucht das Glück in einzelnen kleinen Momenten und regt maximal zum Nachdenken an.
"Stell Dir Vor – Reprise" zeigt auf, dass nichts im Leben unvorstellbar ist und alles möglich scheint: "Stell dir vor, dass all die Rapper da draußen / Sich einmal einig sind, dann schmeißen wir den Laden übern Haufen". An der letzten Zeile dieses Songs erkennt man auch, dass die 14 Anspielstationen alle aufeinander aufbauen.
Nur wenige Sekunden später schreiben neben Curse zwei weitere "Autoren des Manuskripts" Geschichte: Samy Deluxe und Kool Savas sorgen in bester Spitter-Manier für die erste Zusammenarbeit des Trios und bildet zugleich mit kongenialem Flow das Herzstück der Platte.
Die ersten beiden Single-Auskopplungen "Was Du Bist" und "Bei Mir" schlagen thematisch etwa in die gleiche Kerbe: Einerseits motivieren sie mit dem täglichen Erwartungsdruck umzugehen ("Pläne können kollabieren, aber die Erfahrung wird helfen"), andererseits scheuen sie nicht vor Social-Media-Kritik zurück ("Ich kann nicht auf jede Facebook-Nachricht antworten").
Das Bewusstsein, mit mehr Wörtern, Flows und Pausen für mehr Dynamik zu sorgen, ist bei Curse zurückgekehrt. Er achtet auch nicht mehr so streng darauf, ob er Reime einhält. Das alles wirkt befreiend und abwechslungsreich.
Ebenso wie die musikalische Untermalung. Die Hitnapperz, die Beat Gees, .fab und – Sensation – die Stieber Twins haben Curse einerseits klassiche Neo Boom Bap-Beats zugeschustert, die wie in den Anfangstagen des jungen Herrn Kurth durch die Anlage pumpen.
Und: Es gibt wieder Cuts auf einem Curse-Album. Kool DJ GQ veredelt das funkige "Goldregen" am Ende mit Scratches.
Bei "Aufgeben" oder "Bis Wir Uns Wiedersehen" geht es dann auch mal melodischer zu. "Methadon" mit Muso mutiert zur heimlichen Radiosingle. Das dürfte für Curse aber spätestens seit dem gemeinsamen Song mit Silbermond kein Problem mehr sein.
Curse' Sinn für durchdachtes Storytelling, seine weisen und wohl gewählten Worte und seine hungrige Rap-Dynamik bringen die Platte nicht nur auf Wasser zum Scheinen. Curse hat sich und seine Farbe nach Jahren der sukzessiven Suche schlussendlich gefunden. "Die Farbe Von Wasser" kann Curse so schnell keiner reichen.
13 Kommentare mit 13 Antworten
locker eines der besten spätwerke von einem 90er Jahre Interpret. Auch wenn mir die Musik grade noch n ticken zu pathetisch ist. Nichts für mich, aber grundsolide.
Richtig nice geworden! Der Mann kann halt tatsächlich mit Sprache umgehen. Die Beats wissen zu gefallen. Auch deutsche Rapper können in Würde altern!
Musste ich tatsächlich schon wegen des Titels ungehört mit 1/5 bewerten.
Ausgelutscht der Drops!
Bin am Samstag auf dem Konzert in Köln gewesen, Wahnsinn wie gut er sich auch live anhört und wie gut man ihn verstehen kann! Immer noch einer der besten Rapper des Landes, vielleicht sogar der beste ohne peinliches Gangsta-Gehabe.
Bis auf die Features mit Samy und Savas sowie den sehr "radiotaglichen" Refrains von Muso hat Curse alles richtig gemacht. Ein rundes Album mit Textstärke (typisch Curse) gepaart mit Beatstärke. "Rund" weil Musik und Text zusammenpasst, genau wie die Inhalte mit dem Zeitgeist und Flow/Technik zu Beat und Takt. Man kauft ihm einfach alles ab und dankt ihm an Ende (wie immer) für gute Musik. Schade, dass Rapperkollegen gleicher Generation (Savas, Samy, Azad u.a.) den rechtzeitigen Absprung nicht geschafft haben. Alles was von ihnen noch kommt, ist lediglich peinlich.