laut.de-Kritik
Tribute-Album mit Star-Besetzung.
Review von Philipp KauseFans der britischen Bluesmusik verehren Peter Green ob seiner "greeny" Art, den Blues pur oder sehr nahe am ursprünglichen Delta-Stil gespielt zu haben. 13 Gäste, darunter David Gilmour als (leider viel zu braver) "Albatross", ZZ Top-Chef Billy F. Gibbons als "Doctor Brown" und drei alte Buddies aus den Sixties im Swinging London ehren Green hier mit einem Tribute-Album, das zugleich ein Konzertmitschnitt ist. Sie machen das ordentlich, unauffällig (bis aufs dramatische "Sandy Mary"), nett, klanglich und handwerklich höchstklassig.
Die (Hit-orientierte) Songauswahl lässt sich halbwegs nachvollziehen und doch manchen Wunsch offen. Peter Green zu würdigen, ergibt Sinn. Schon, um anzuerkennen, dass er "Black Magic Woman" verfasst hat und Santana ihm den Durchbruch verdankt. Schade, Carlos jammt hier nicht mit.
Andere Bands vermischten damals in Englands Hauptstadt den Blues mit einer Vorstufe des Punk oder mit Klassik; manche verfremdeten die Importmusik psychedelisch oder reicherten sie mit Folk an. Peter Green aber hielt einige Jahre lang standhaft den bluesigen Wurzeln die Treue. Bis er an Schizophrenie erkrankte und für Fleetwood Mac das wurde, was für Pink Floyd Syd Barrett ist: Der Gründer, an den beim Erklingen des Bandnamens noch die wenigsten denken.
Dafür rückt bei dieser Scheibe erstmals der Mann in den Fokus, der Fleetwood Mac den Namen gab. Mick, der Schlagzeuger. Um den Plattentitel zu zitieren: "Mick Fleetwood And Friends Celebrate The Music Of Peter Green And The Early Years Of Fleetwood Mac". What?! Herr Fleetwood trommelte die ganzen Leute (Friends) zusammen ins Londoner Palladium: Fassungsvermögen gut 2.200 Zuschauer*innen, deren Begeisterung man eindeutig auf der Aufnahme spürt. Denkmalgeschützte Halle, im vom den Pet Shop Boys besungenen West-End, deren grandiose Akustik man ebenfalls gut wahrnimmt. Sonst laufen dort Musicals und Casting-Shows, kaum Konzerte. Herr Fleetwood, der inbrünstig und enthusiastisch den Ansager gibt, darf sich also auf die Schultern klopfen.
Es gibt bereits ein vergessenes Tribute (dazu unten mehr) und ein berühmtes. Beide erschienen 1995, das bekanntere vom dieser Tage wieder aktuellen Gary Moore konzentriert sich - anders als "Mick Fleetwood And Friends Celebrate ..." - mehr auf die Rolle der Lead Guitar.
Der eine kleine Haken, der auffällt: Das Ganze hier wirkt pflichtschuldig. Es müsste sich öfter so anhören wie Jonny Lang mit seiner wandlungsfähigen Stimme auf "Homework".
"Doctor Brown" wechselt abrupt in die üblichen langgedehnten E-Gitarrensoli, Piano-Stakkati, Bassgewitter und Blues-Themen (Liebeskummer, geschundene Seele auf Suche nach Psychopharmaka). Billy Gibbons jammt die Nummer von Herzen konservativ, aber in einem für ihn zu lahmen Tempo. Rhythmisch beschwingter bezirzt "All Your Love" mit John Mayall, dem frühesten Weggefährten Greens in der Musikszene, der mit seinen 87 Jahren eindeutig hörbar die Liebe vertont, die er für seinen Kumpel vorträgt. Das Schlagzeugspiel von Ringos Sohn Zak Starkey wirkt mit der Zeit durch Imposanz und Wiederholung ermüdend.
Steven Tyler bringt in den (nie allzu spannenden) "Rattlesnake Shake", der fraglos zur Legacy gehört, plötzlich Spannung und Farbe rein. Tastet aber, wie die meisten Interpretationen hier, die Originale nicht groß an.
Der zweite Haken betrifft die Materialauswahl. Auch wenn es keine Green-Komposition war, hätte bei der Liedauswahl ein anderes Stück aus dem Album "Then Play On", der geniale Opener "Coming Your Way", auch die Hippie-Ära zum Klingen gebracht, die an Fleetwood Mac nicht gerade spurlos vorbeizog und den Sound dann ja nach Greens Ausstieg in eine andere Richtung drängte. In "Like Crying", hier mit Noel Gallagher, deutet sich die Softrock-Seite bereits an. Aber dieser Aspekt (und auch das Lebensgefühl) jener "Early Years Of Fleetwood Mac", die der Titel verspricht, kommt hier viel zu kurz.
Selbst von der allerersten Fleetwood-Platte taucht trotz ihres unbestrittenen historischen Stellenwerts überraschend wenig auf. Christine McVie singt daraus sehr schön in "Looking For Somebody". "The World Keep Turning" datiert ebenfalls aufs '68er-Debüt, und Noel Gallagher wirkt da etwas steif, so angenehm seine Stimme auch timbriert.
Da London und Sixties nicht ohne The Who denkbar sind, liegt ein Auftritt Pete Townshends nahe: Einer der wenigen, der sich hier mal richtig ran traut und Rock'n'Roll in die ganze Aktion reinspritzt. Er röchelt, röhrt, lässt die Lead glühen, setzt der Band auch ein paar elektrische Impulse, und sogar Zak wird gefordert. Als Zuhörer fühlt man sich aus dem sedierten Zustand befreit, der einen während der ersten Konzerthälfte überkommen kann. Danke, Pete!
Gemäß der Grundregel der Rhetorik des alten Roms, das Wichtige mittig zu platzieren, intoniert Neil Finn nach der Hälfte "Man Of The World". Highlight! Anspieltipp! Mit romantisierend schwelgerischer Stimme kitzelt er alles aus dem Text heraus. Der verzweifelte Zusammenbruch in der Zeile "I wish that I've never been born" deutet bereits die psychischen Probleme Peter Greens an, der den Song komponierte und textete. Das Lied ist aus lizenzrechtlichen Gründen auf keinem Album der Band enthalten, und man hat sicher noch nie so deutlich gehört, wovon das Stück handelt. Die meisten anderen Beiträge kitzeln nichts Eigenes aus den Green-Songs heraus.
Gut, in "The Green Manalishi (With The Two Pong Crown)" trauen sich Billy Gibbons und Metallica-Gitarrist Kirk (was für 'ne Kombi!) dann doch fetten Southern Rock, Wucht und Vehemenz zu. Unschlagbar explodiert hier bei Fleetwood vor allem die versunken startende Hammond-Ballade "Love That Burns" und beeindruckt mit Fusion-Impro. Ansonsten gilt: Die Songs sind wichtig, die Protagonisten auch, aber der Funke springt nur ab und zu mal über. Denn diese Akteure könnten mehr als einfach die Songs treu nachzuspielen. Für Sammler*innen trotzdem ein Must-Have!
1 Kommentar
Ach, muss man denn immer meckern? Kein Wunder, dass Leser und Redaktion hier unterschiedlicher Meinung sind... Ja, hier wird aus den songs nichts Eigenes/Neues gemacht, zu groß ist der Respekt, aber hier spielen Könner mit ner Menge Freude und Engagement die Lieder eines Großen aus der Vergangenheit - rückwärts gewandt, aber ziemlich großartig! Und warum wird ausgerechnet der eher nervige Steven Tyler gelobt?