laut.de-Kritik
Gelungene Jubiläumsfeier mit Hits in Serie.
Review von Tom KüppersWenn es um die größten und wichtigsten Gitarristen aller Zeiten geht, taucht ein Name regelmäßig ganz weit vorne auf: Jeff Beck. Doch im Gegensatz zu Zeitgenossen wie Eric Clapton oder Jimmy Page zählt Beck nicht zwingend zum Allgemeinwissen. Während andere sich im kommerziellen Erfolg suhlen, gilt Beck eher als Musiker für Musiker. Auf Bühnen oder in Aufnahmestudios ist er gern gesehener Gast, beispielsweise greifen David Bowie, Stevie Wonder, Mick Jagger, Jon Bon Jovi, Roger Waters oder ZZ Top auf seine Dienste zurück.
Als Solokünstler kreiert Jeff Beck in den unterschiedlichsten Formationen Meisterwerke wie "Beck-Ola" oder "Blow By Blow", die Jazz, Rock, Blues und Fusion miteinander kreuzen. Sein 50-jähriges Dienstjubiläum zelebrierte Beck im August 2016 in Los Angeles, und wie das bei solchen musikalischen Feiern üblich ist, lädt der Jubilar einige Weggefährten ein, schneidet das Ganze mit, und beglückt die Fanschar später mit einem Mitschnitt.
So auch hier: Das audiovisuelle Dokument dieses wohl einmaligen Abends hört auf den Titel "Live At The Hollywood Bowl" und präsentiert den Gastgeber in absoluter Topform. Schon zum Einstieg mit "The Revolution Will Be Televised" von seinem letzten Alleingang "Loud Hailer" zeigt Beck, dass er eigentlich nichts an aktueller musikalischer Relevanz eingebüßt hat. Doch in Wahrheit warten alle auf die großen, alten Hits aus fünf Jahrzehnten Musikgeschichte. Die liefert Herr Beck, unterstützt von seiner erstklassig aufspielenden Begleitband und seinen Gästen, gleich in Serie.
Die drei Yardbirds-Klassiker "Heart Full Of Soul", "For Your Love" und "Over Under Sideways Down" singen Jimmy Hall (mit dem Beck zuletzt auf seinem 1985er Album "Flash" gemeinsame Sache machte) und Todd O'Keefe. Am Ende des Abends darf Aerosmith-Vorturner Steven Tyler mit "Train Kept A-Rollin'" und "Shape Of Things" zwei weitere Hits der britischen Beat-Legende auf unnachahmliche Art und Weise intonieren.
Doch noch lieber widmet sich Beck der Instrumental-Musik, wie schon "Becks Bolero" zeigt, den er 1969 veröffentlichte. Der klingt auch in der Version von 2016 noch genau so mitreißend und innovativ wie damals, wie man es eben von einem absoluten Könner erwarten darf.
Doch es geht noch besser. Gemeinsam mit seinem langjährigen Kollaborator Jan Hammer (ganz genau, der, der den "Miami Vice"-Soundtrack verbrochen hat) demonstrieren Beck und Band ein paar Songs lang vorbildlich, wie aufregend Musik "mit ohne Gesang" tatsächlich sein kann. "Blue Wind" zeigt, wo Prog-Metaller wie Dream Theater ihre Inspirationen finden. Das famose "Star Cycle" klingt noch mehr nach Crockett und Tubbs als die Original-Version auf "There And Back" von 1980.
Da können sich Beth Hart und Buddy Guy im direkten Anschluss noch so sehr bemühen (was uns hervorragende Versionen von "I'd Rather Be Blind" beziehungsweise "Let Me Love You" beschert): An diese Glanzleistung kommt an diesem Abend keiner der Gäste heran. Auch nicht ZZ Top-Front-Bart Billy Gibbons, der mit "Rough Boy" einen der erklärten Lieblingssongs von Beck im Gepäck hat. Da bedarf es schon der finalen All-Star-Jam mit allen Beteiligten auf dem Prince-Schmachtfetzen "Purple Rain", um auch nur ansatzweise mit diesem Highlight gleichzuziehen.
Alles in allem eine ziemlich gelungene Jubiläumsfeier, die auch bild- und tontechnisch eine akzeptable Figur macht. "Live At The Hollywood Bowl" ist nicht nur für Jünger des Meisters und Gitarrenfreaks im allgemeinen zu empfehlen, da sich Beck (im Gegensatz zu vielen anderen Vertretern seiner Art) noch nie bloß auf Fingerübungen und Spieltechnik verlassen hat, sondern immer den Song an sich im Fokus behält.
Das ist mit Sicherheit keine Musik für die wilden Tage der Adoleszenz. Vielleicht muss man sogar erst ein paar Jahre auf der Uhr des Lebens versammelt haben, um Alben wie dieses richtig würdigen oder gar schätzen zu können. Dann macht eine Werkschau wie diese aber um so mehr Spaß. Im Alter wird doch nicht alles scheiße.
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